25.10.2010 | Außergewöhnliche Belastung
Unterstützung bedürftiger Personen im Ausland: BFH erhöht die Anforderungen an Steuerabzug
Viele Steuerzahler unterstützen ihre Verwandten. Die Zahlungen können sie aber nur unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Diese Voraussetzungen sind durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und ein Anwendungsschreiben aus dem Bundesfinanzministerium (BMF) verschärft worden. Vor allem Steuerzahler, die im Ausland lebende Personen unterstützen, müssen ab sofort höhere Nachweishürden überspringen. Unser Beitrag bringt Sie auf den Stand der Dinge.
Besondere Anforderungen bei Auslandssachverhalten
Unterstützt ein Steuerzahler Personen im Ausland, stellt das Finanzamt hohe Anforderungen an den Nachweis, dass tatsächlich Unterhalt geleistet wurde und dass die unterstützte Person tatsächlich bedürftig ist.
Beachten Sie: Gerade wenn Angehörige im Ausland unterstützt werden, scheitert der Abzug als außergewöhnliche Belastung oft an formellen Dingen. Betroffene Steuerzahler tun deshalb gut daran, den Erlass aus dem BMF (Schreiben vom 7.6.2010, Az: IV C 4 - S 2285/07/0006; Abruf-Nr. 102046) und die neue BFH-Rechtsprechung (Urteile vom 5.5.2010, Az: VI R 29/09; Abruf-Nr. 102842, Az: VI R 40/09; Abruf-Nr. 102982) zu berücksichtigen.
Unterstützer trägt Beweislast
Bei Auslandssachverhalten trifft denjenigen, der einen Steuerabzug begehrt, eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Er trägt die Beweislast. Amtlich vorgeschriebene Beweismittel und Unterlagen muss er auf eigene Kosten beibringen. Eigenbelege (zum Beispiel eidesstattliche Versicherungen der unterstützten Personen) werden in der Regel nicht anerkannt.
Vorliegen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs
Die unterstützte Person muss einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen den Unterstützer haben. Dieser besteht gegenüber Ehegatten und Verwandten in gerader Linie (§ 1601 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Dazu zählen Kinder, Eltern und Großeltern.
Keine Unterhaltspflicht besteht für Geschwister und Verschwägerte. Das führt oft zu Problemen, weil in anderen Kulturkreisen eine moralische Verpflichtung zur Unterstützung der ganzen Familie besteht. Doch der Unterhalt für andere Personen ist (zunächst) ausgeschlossen (§ 33a Absatz 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz [EStG]). Das gilt auch, wenn der Unterstützer nach ausländischem Recht zur Unterhaltszahlung verurteilt worden ist oder sich freiwillig auf schuldrechtlicher Basis verpflichtet hat.
Nachweis der Bedürftigkeit
Die Person muss (unterstützungs-)bedürftig sein. Ob das der Fall ist, hängt von der Höhe des Vermögens und der Einkünfte und Bezüge der unterstützten Person ab (WISO-SteuerBrief 10/2010, Seite 10). Die Bedürftigkeit muss durch eine amtliche Bescheinigung der Heimatbehörde (Gemeinde-/Meldebehörde) nachgewiesen werden. Welche Behörde als Heimatbehörde anzusehen ist, muss der Unterstützer selbst ermitteln.
Die Bescheinigung muss von einem amtlich zugelassenen Dolmetscher oder durch ein Konsulat übersetzt werden. Das Konsulat darf die Bescheinigung aber nicht selbst ausstellen. Für die meisten Länder gibt es aber inzwischen gemeinsam abgestimmte Vordrucke. Diese sind zweisprachig und dürfen in diesen Ländern auch von der Botschaft ausgegeben werden. Allerdings muss die Heimatbehörde die Angaben der Botschaft noch einmal bestätigen. Die Vordrucke enthalten alle erforderlichen Angaben.
Unser Tipp: Die zweisprachigen Vordrucke (Unterhaltserklärung) finden Sie auf der Homepage des BMF (www.bundesfinanzministerium.de) unter Service/FormulareA-Z/Unterhaltserklärung.
Beachten Sie: Türkische Bescheinigungen dürfen nur durch Landräte (Kaymakan) oder Verwaltungspräsidenten (Vali) unterzeichnet werden. Kroatische Bescheinigungen dürfen nicht von Notaren oder der „Democratic league of Kosovo“ unterzeichnet sein (Verfügungen der Oberfinanzdirektion Erfurt und Frankfurt; Abruf-Nr. 063572).
Praxishinweis
Werden keine amtlichen Vordrucke verwendet, ist darauf zu achten, dass die Bescheinigung mindestens Folgendes enthält:
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Problem Erwerbsobliegenheit
Bei Auslandsfällen wird unterstellt, dass sich eine Person im erwerbsfähigen Alter unter Einsatz ihrer eigenen Arbeitskraft grundsätzlich selbst unterhalten kann (Erwerbsobliegenheit) und damit nicht bedürftig ist. Unterhaltszahlungen an erwerbsfähige Personen werden deshalb nur anerkannt, wenn nachgewiesen wird, dass die Person aus wichtigem Grund (zum Beispiel Krankheit) keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann.
Wichtig: Ausnahmen von den strengen Anforderungen gelten für Krisengebiete (zum Beispiel Kriegs- oder Katastrophengebiete). In solchen Fällen wird darauf abgestellt, ob in dem Land noch eine funktionierende Verwaltung existiert. Ist dies nicht der Fall, werden Nachweise nach inländischen Maßstäben herangezogen. Statt eines umfassenden Bedürftigkeitsnachweises reichen dann Kopien von Ausweisen, Rentenbescheiden etc. Allerdings kann auch hier nicht auf eine Übersetzung verzichtet werden.
Besonderheit: Unterstützte Person hat landwirtschaftlichen Betrieb
Bei landwirtschaftlich tätigen Angehörigen greift die widerlegbare Vermutung, dass diese nicht unterhaltsbedürftig sind, soweit der landwirtschaftliche Betrieb in einem nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates üblichen Umfang und Rahmen betrieben wird. Das hat der BFH jüngst bestätigt (Urteil vom 5.5.2010, Az: VI R 29/09; Abruf-Nr. 102842). Im zweiten Urteil (vom 5.5.2010, Az: VI R 40/09; Abruf-Nr. 102982) hat der BFH noch folgendes klargestellt:
- Zur Überprüfung des aus der Landwirtschaft erzielten Gewinns kann nicht auf Ertragsbescheinigungen des örtlichen (hier serbischen) Katasteramtes zurückgegriffen werden. Denn diese spiegeln den tatsächlichen Ertrag nicht wider.
- Es ist auch nicht zulässig, den im Ausland mit der Landwirtschaft erwirtschafteten Gewinn anhand der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen (§ 13a Einkommensteuergesetz) zu ermitteln bzw. zu überprüfen. Denn dabei handelt es sich um eine Subventionsvorschrift, die einen viel niedrigeren als den tatsächlichen Gewinn ausweist.
Nachweis der Zahlungen
Ist die Hürde „Bedürftigkeit“ übersprungen, muss der Unterstützer nachweisen, dass er die Zahlungen tatsächlich geleistet hat. Das gelingt am besten, wenn das Geld überwiesen wird. Doch auch hier liegt die Tücke im Detail. Das Finanzamt erkennt nämlich nur Überweisungen auf Konten an, die auf den Namen der unterstützten Person laufen.
Hat der Unterstützer selbst ein Konto im Ausland und darf die unterstützte Person dort Geld abheben, werden die Zahlungen nur anerkannt, wenn
- ein inländischer Überweisungsbeleg und
- eine Bescheinigung der Bank vorgelegt werden, dass der Empfänger Kontovollmacht hat und wer wann wie viel Geld abgehoben hat (Übersetzung!).
Der Unterstützer kann das Geld auch bei einem Heimaturlaub in bar mitnehmen. Zwischen dem Abheben des Geldes (Kontoauszug) und der Übergabe (Empfangsbestätigung) dürfen aber maximal zwei Wochen liegen. Zudem muss er anhand von Fahrkarten, Visastempeln usw. nachweisen, dass er die Reise tatsächlich unternommen hat.
Wichtig: Die Empfangsbestätigung muss Name und Anschrift des Unterhaltszahlers und der unterstützten Person enthalten sowie Ort, Zeitpunkt der Geldübergabe und die Unterschrift der Empfänger. Bei mehreren Zahlungen im Jahr ist für jede Zahlung eine eigene Bestätigung auszustellen. Nachträglich ausgestellte oder zusammengefasste Bestätigungen werden nicht anerkannt.
Erleichterungen gelten bei der Unterstützung des Ehegatten und der eigenen Kinder. Pro Familienheimfahrt dürfen Ehemänner ihre Frauen und Kinder mit einem Nettomonatslohn unterstützen, ohne dass die Zahlung nachgewiesen werden muss. Das gilt aber für maximal vier Heimfahrten im Jahr.
Höhe der abzugsfähigen Aufwendungen
Für Unterhaltszahlungen ins Ausland gilt in vielen Fällen ein niedrigerer Höchstbetrag als die 7.680 Euro (gültig für 2009; im Jahr 2010 beträgt der Höchstbetrag 8.004 Euro). Denn man soll Aufwendungen nur insoweit abziehen können, wie sie nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat der unterstützten Person notwendig und angemessen sind.
BMF teilt Länder in vier Gruppen ein
Das BMF hat deshalb alle Länder abhängig vom Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung in vier Gruppen aufgeteilt. Je nach Eingruppierung sind 2009 maximal 7.680 Euro (100%), 5.760 Euro (75%), 3.840 Euro (50%) oder 1.920 Euro (25%) abziehbar. Auch die anrechnungsfreien Beträge bei den Einkünften und Bezügen und dem Vermögen der unterstützten Person sind entsprechend zu kürzen.
Unser Service: Die folgende Tabelle enthält die Einteilung der wichtigsten Länder. Die komplette Ländergruppeneinteilung finden Sie in „myIWW“ im Bereich „Downloads“ unter dem Stichwort „Arbeitshilfen“.
Ländergruppeneinteilung
Gruppe 1 | Gruppe 2 | Gruppe 3 | Gruppe 4 |
100 % | 75 % | 50 % | 25 % |
Finnland | Griechenland | Estland | Afghanistan |
Frankreich | Malta | Kroatien | Albanien |
Hongkong | Korea (Süd) | Lettland | Bosnien- |
Irland | Portugal | Libanon | Bulgarien |
Israel | Slowenien | Litauen | China |
Italien | Taiwan | Polen | Mazedonien |
Österreich | Zypern | Slowakei | Rumänien |
Schweiz |
| Tschechien | Russland |
Singapur |
| Türkei | Serbien/Montenegro |
Spanien |
| Ungarn | Thailand |
USA |
| Weißrussland | Ukraine |
Was diese Ländergruppeneinteilung konkret bedeutet, zeigt ein Beispiel zur Unterstützung von Angehörigen in Rumänien (25-Prozent-Kategorie).
Beispiel
B hat seine in Rumänien lebenden Eltern im Jahr 2009 mit monatlich 400 Euro unterstützt, die er per Dauerauftrag auf das Konto der Eltern überwiesen hat. Die Bedürftigkeit wurde nachgewiesen. Die Einkünfte der Eltern betrugen 2009 umgerechnet 400 Euro im Jahr, Vermögen besitzen sie nicht. Rumänien gehört zur Ländergruppe 4. Das heißt: Die Höchstbeträge sind auf 25 Prozent zu kürzen. B kann folgenden Betrag als außergewöhnliche Belastung geltend machen:
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Von den Aufwendungen in Höhe von 4.800 Euro kann B 3.752 Euro abziehen.
Leben unterhaltsberechtigte und nicht unterhaltsberechtigte Personen in einem Haushalt, sind die Zahlungen nach Köpfen aufzuteilen (BFH, Urteil vom 19.6.2002, Az: III R 28/99; Abruf-Nr. 021398).
Beispiel
C unterstützte 2009 seine in Russland lebenden bedürftigen Eltern mit monatlich 100 Euro. Im Haushalt der Eltern lebt auch seine Schwester. Weil diese gegenüber C nicht unterhaltsberechtigt ist, sind seine Unterhaltszahlungen (1.200 Euro) nach Köpfen aufzuteilen. Das heißt: 800 Euro entfallen auf die Eltern und 400 Euro auf die Schwester. Von den 1.200 Euro kann C also nur 800 Euro berücksichtigen. |
Unterstützung durch mehrere Personen
Erhält die unterstützte Person auch von anderen in Deutschland lebenden Personen Unterhalt, mindert sich der Höchstbetrag anteilig, entsprechend dem Verhältnis der Aufwendungen (§ 33a Absatz 1 Satz 6 EStG).
Beispiel
Die Eltern von C werden 2009 außerdem noch von seinen beiden ebenfalls in Deutschland lebenden Brüdern mit jährlich jeweils 300 Euro unterstützt. Der abzugsfähige Höchstbetrag von C schmilzt deshalb weiter.
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C kann die an die Eltern gezahlten 800 Euro komplett abziehen.
Zeitanteilige Berücksichtigung
Weil die Unterhaltszahlungen den laufenden, monatlich anfallenden Unterhalt der unterstützten Person decken sollen, werden die Höchstbeträge gekürzt, wenn nur für einen Teil des Jahres Unterhalt gezahlt wird.
Beispiel
A unterstützte seine in Schweden lebende mittellose Mutter vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009. Er kann 2009 daher maximal 3.840 Euro (= 6/12 x 7.680 Euro) steuermindernd geltend machen. |
Beachten Sie: Die Finanzverwaltung geht grundsätzlich davon aus, dass die Unterhaltszahlungen erst ab dem Zeitpunkt der Zahlung zur Deckung des Unterhalts geeignet sind. Etwas anderes gilt nur, wenn nachweislich Verpflichtungen der unterstützten Person aus zurückliegenden Zeiträumen getilgt werden, die dennoch als laufender Unterhalt zu verstehen sind.
Die Finanzverwaltung geht vereinfachend davon aus, dass die Unterhaltszahlungen unabhängig von der Höhe bis zum nächsten Zahlungstermin bzw. bis zum Jahresende ausreichen. Das heißt: Man muss nicht monatliche Zahlungen leisten, um den Höchstbetrag in voller Höhe zu erhalten.
Praxishinweis
Bei Ehepaaren gelten die Unterhaltsleistungen unabhängig vom Zahlungszeitpunkt während des Jahres stets für das gesamte Kalenderjahr. Das heißt: Auch mit einer Zahlung zum Jahresende kann der Höchstbetrag in voller Höhe gesichert werden. |
Beispiel
B hat seiner in den USA lebenden bedürftigen Ehefrau im Mai und im September 2009 jeweils 4.000 Euro überwiesen. Von den 8.000 Euro kann er 7.680 Euro steuermindernd geltend machen. Hätte B an Stelle seiner Ehefrau seine Mutter unterstützt, könnte er nur 5.120 Euro abziehen. Denn bei der Mutter sind nur die Monate ab dem Zeitpunkt der ersten Überweisung im Kalenderjahr zu berücksichtigen. Der Höchstbetrag ist daher auf 5.120 Euro (= 8/12 x 7.680 Euro) zu kürzen. |
Beachten Sie: Die Zahlungen gelten immer als erbracht, wenn das Konto belastet wird. Der Zahlungseingang beim Empfänger spielt keine Rolle. Zahlungen in einem Kalenderjahr sind aber nur für den Unterhalt in diesem Kalenderjahr bestimmt. Es ist nicht möglich, Unterhalt für das nächste Jahr bereits im Vorjahr zu zahlen.
Weiterführende Hinweise
BMF, Schreiben vom 7.6.2010 mit weiteren Beispielen (Az: IV C 4 - S 2285/07/0006; Abruf-Nr.
Abzugsfähigkeit von Unterhaltszahlungen an Angehörige Teil 1 (mit Hinweisen zur Opfergrenze, zur Anrechnung von Vermögen oder eigenen Einkünften und Bezügen, etc.)- WISO-SteuerBrief 10/2010, Seite 10.