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  • 01.10.2004 | Klage vor dem Finanzgericht

    So vermeiden Sie teure Fehler!

    Nicht jeder Einspruch beim Finanzamt führt zum Erfolg. Zeigt der Finanzbeamte kein Einsehen, bleibt Ihnen nur der Gang vor das Finanzgericht (FG). Doch dieser Weg ist lang und steinig - und jetzt auch teurer geworden. Erfahren Sie nachfolgend, woran Sie vor einer Klage denken sollten, welche Formalien Sie bei Klageerhebung beachten und welche Fehler Sie dabei unbedingt vermeiden sollten.

    Erfolgsaussichten abwägen

    Ein FG-Prozess kann sich für Sie lohnen. Allerdings sollten Sie zuvor mit Ihrem Berater abwägen, ob in Ihrem Fall wirklich Erfolgsaussichten bestehen. Dies ist seit 1. Juli 2004 besonders wichtig. Denn durch das neue Gerichtskostengesetz ist keine gebührenfreie Klagerücknahme mehr möglich. Außerdem müssen Sie jetzt bereits zu Beginn eines Klageverfahrens beim FG 220 Euro bezahlen. Bei einer Revision vor dem Bundesfinanzhof (BFH) sind es sogar 275 Euro.

    Bedenken Sie zudem, dass der Streitwert vor dem FG immer mindestens 1.000 Euro beträgt, auch wenn Sie nur um 50 Euro streiten. Verlieren Sie das Verfahren, müssen Sie auf jeden Fall 220 Euro bezahlen. Der zu Beginn des Verfahrens bezahlte Betrag wird angerechnet. Ist der Streitwert höher als 1.200 Euro müssen Sie bei verlorenem Verfahren nachzahlen.

    Denken Sie an die Formalien

    Ein Finanzgerichtsprozess ist auch und vor allem Formsache. Kleinste Formfehler können für Sie das Aus bedeuten. Dann wird in der Sache selbst gar nicht entschieden, obwohl Sie eigentlich im Recht sind.

    Unser Tipp: Nehmen Sie sich der Hilfe von Fachleuten an. Fachanwälte für Steuerrecht und Steuerberater sind die richtigen Ansprechpartner.

    Wer kann klagen?

    Grundsätzlich gilt: Nur wer im Einspruchsverfahren zumindest teilweise unterlegen war, kann klagen. In Ausnahmefällen kann das Finanzamt einer unmittelbaren Klageerhebung ohne vorheriges Einspruchsverfahren zustimmen (sogenannte Sprungklage). Das Verfahren vor dem FG können Sie selbst führen. Sie sollten sich aber mit Ihrem Steuerberater oder Rechtsanwalt beraten.

    Strenge Formvorschriften bei der Klageschrift

    Sie können die Klage schriftlich oder zur Niederschrift beim zuständigen FG erheben bzw. beim Finanzamt anbringen. Welches Gericht für Sie zuständig ist, erfahren Sie aus der Rechtsbehelfsbelehrung, die am Schluss der ablehnenden Einspruchsentscheidung abgedruckt ist. Die Klage müssen Sie spätestens bis 24 Uhr des letztes Tages der Klagefrist in den Behördenbriefkasten einwerfen. Sie können die Klage auch mittels Telefax oder Telegramm einlegen, nicht aber telefonisch. Vergessen Sie nicht, die Klage zu unterschreiben. Eine Begründung der Klage ist bei Klageerhebung noch nicht zwingend notwendig.

    Die Klageschrift muss enthalten:

  • Die Angabe der Prozessbeteiligten (in der Regel sind das Sie als Kläger und das für Sie zuständige Finanzamt als Beklagter)
  • Den Gegenstand des Klagebegehrens (Streitpunkte)
  • Die genaue Bezeichnung des angefochtenen Steuerbescheids und der Einspruchsentscheidung

    Zusätzlich sollten Sie den Klageantrag (was soll das FG entscheiden?) und die zur Klagebegründung dienenden Tatsachen und Beweismittel aufführen. Dies ist aber bei Einreichung der Klage noch nicht zwingend erforderlich.

    Klagefrist beachten!

    Die Klagefrist beträgt einen Monat. Sie beginnt ab dem Zeitpunkt, in dem Ihnen die Einspruchsentscheidung bekannt gegeben worden ist. Die Einspruchsentscheidung gilt (Fiktion) als am dritten Tag nach der Absendung bei der Behörde (Datum auf der Einspruchsentscheidung) als bekannt gegeben. Es sei denn, sie ist nicht oder zu spät zugegangen.

    Beispiel

    Das Finanzamt sendet die Einspruchsentscheidung am 23. März 2004 ab. Damit gilt sie am 26. März 2004 als bekannt gemacht. Die Klage muss bis zum 26. April 2004 um 24 Uhr eingereicht sein.

    Wichtig: Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder einen staatlich anerkannten Feiertag (nicht bei rein kirchlichen Feiertagen!), endet die Frist erst mit Ablauf des folgenden Werktags. Dies gilt auch für die Dreitagesfiktion bei Beginn der Klagefrist (BFH, Urteil vom 14.10.2003, Az: IX R 68/98; Abruf-Nr.  032527 ).

    Beispiel

    Das Finanzamt sendet die Einspruchsentscheidung am 24. Juni 2004 ab. Damit galt sie ursprünglich am 27. Juni 2004 (Sonntag) als bekannt gemacht. Durch die BFH-Rechtsprechung gilt sie nun erst am 28. Juni 2004 als bekannt gegeben. Die Klage muss bis spätestens zum 28. Juli 2004 um 24 Uhr eingereicht sein.

    Bei versäumter Klagefrist Wiedereinsetzung beantragen

    Grundsätzlich gilt: Ist die Klagefrist vorbei, gibt es nichts mehr zu holen. Waren Sie aber schuldlos, können Sie einen Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" stellen. Die Gründe dafür müssen Sie glaubhaft machen. Eine vorübergehende Abwesenheit bis zu höchstens sechs Wochen wird akzeptiert. Ansonsten müssen Sie Vorkehrungen für eine mögliche Bekanntgabe treffen, zum Beispiel einen Zustellvertreter benennen. Krankheit ist kein Entschuldigungsgrund. Es sei denn, sie tritt plötzlich ein (zum Beispiel durch einen Unfall). Arbeitsüberlastung, Sprachprobleme und Rechtsirrtümer werden ebenfalls nicht anerkannt.

    Wichtig: Den Antrag auf Wiedereinsetzung müssen Sie innerhalb von vierzehn Tagen nach "Wegfall des Hindernisses" stellen. Außerdem müssen Sie innerhalb dieser vierzehn Tage die Klageschrift nachreichen.

    Andere Fristen während des Verfahrens

    Ebenso wichtig sind die Fristen, die Ihnen das Gericht setzt. Handelt es sich um eine Ausschlussfrist und versäumen Sie diese, haben Sie das Verfahren verloren und das Gericht wird die Klage als unzulässig zurückweisen. Die Kosten des Verfahrens tragen dann Sie!

    Auch außerhalb der Ausschlussfristen sollten Sie die gesetzten Fristen einhalten. Sowohl Ausschlussfristen, als auch die "normalen" Fristen sind verlängerbar. Beantragen Sie rechtzeitig Fristverlängerung. Wenn Sie es nicht übertreiben, wird das Gericht großzügig verfahren.

    Stellen Sie einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung

    Die Klage selbst ist für das Finanzamt kein Hindernis, den Steuerbescheid zu vollstrecken, das heißt Geld von Ihnen zu verlangen. Um das zu verhindern, müssen Sie einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) stellen. Aussetzung wird gewährt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen (zum Beispiel wenn die Streitfrage höchstrichterlich noch nicht entschieden ist).

    Den AdV-Antrag müssen Sie zunächst beim zuständigen Finanzamt stellen. Erst wenn das Finanzamt die Aussetzung ablehnt, können Sie beim FG einen entsprechenden AdV-Antrag stellen. Ein AdV-Verfahren kostet vorab keine Gebühren. Unterliegen Sie jedoch (Sachentscheidung durch Beschluss), kostet Sie das mindestens 110 Euro (2,0 Verfahrensgebühren à 55 Euro). Denn auch in einem AdV-Verfahren wird der Mindeststreitwert (1.000 Euro) angesetzt. Liegt der Streitwert höher, wird es entsprechend teurer. Bei einer rechtzeitigen Rücknahme des Antrags oder einer Hauptsachenerledigung im "AdV- Verfahren" wird es billiger. Hier werden lediglich noch 0,75 Verfahrensgebühren (41,25 Euro) erhoben.

    Unser Tipp: Oft können Sie durch das AdV-Verfahren zu geringen Kosten und auf schnellerem Weg zumindest tendenziell die Rechtsauffassung des Gerichts zu Ihrem Fall erfahren. Lehnt das FG Ihren Antrag ab, sollten Sie darüber nachdenken, Ihre Klage zurückzunehmen. Sie sparen dann - zumindest teilweise - weitere Gerichtskosten.

    Das AdV- Verfahren ist mit 2,0 Verfahrensgebühren billiger, als das Klageverfahren (4,0 Verfahrensgebühren). Es ist gegenüber dem Hauptsacheverfahren (Klageverfahren) auch deswegen günstiger, weil der Streitwert im AdV-Verfahren nur mit zehn Prozent des Streitwertes eines Hauptsacheverfahrens angenommen wird.

    Vergleich bei Hauptsachestreitwert in Höhe von 2.200 Euro
    Klageverfahren AdV- Verfahren
    Streitwert 2.200 Euro Streitwert 220 Euro aber Mindestwert 1.000 Euro
    4,0 Verfahrensgebühren 2,0 Verfahrensgebühren
    = 324 Euro = 110 Euro

    Unser Tipp: Einzelheiten zu den Kosten der Verfahren vor dem Finanzgericht behandeln wir ausführlich in der nächsten Ausgabe.

    Wie es nach der Entscheidung des Finanzgerichts weitergeht

    Das FG kann entweder durch Gerichtsbescheid oder Urteil entscheiden. Bei Gerichtsbescheiden ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Hier können Sie innerhalb eines Monats nach Ergehen des Gerichtsbescheids mündliche Verhandlung beantragen und somit ein Urteil erwirken. Bei Urteilen ergeht - je nach dem, ob Sie auf mündliche Verhandlung verzichtet haben oder nicht - die Entscheidung mit oder ohne mündliche Verhandlung.

    Gegen das Urteil können Sie - sofern das FG es zulässt - Revision beim BFH einlegen. Lässt das FG keine Revision zu, können Sie sich dagegen beim BFH mit einer Nichtzulassungsbeschwerde wehren. Lehnt der BFH Ihre Beschwerde ab, wird das FG-Urteil rechtskräftig.

    Wichtig: In diesen Verfahren müssen Sie sich durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder einen anderen Berechtigten vertreten lassen.

    Diese Fehler sollten Sie unbedingt vermeiden

    Damit Ihre Klage bzw. Ihr AdV-Antrag nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, sollten Sie vor allem folgende Formfehler vermeiden:

  • Sie versäumen Klage- oder Ausschlussfristen.
  • Sie erheben Klage gegen einen Folgebescheid.
    Beispiel

    Sie möchten sich gegen einen gekürzten Werbungskostenabzug wehren. Sie dürfen nur gegen Ihren Einkommensteuerbescheid klagen, und nicht gegen den Bescheid über Einkommen-, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag. Machen Sie nämlich dann keine Gründe speziell gegen die Festsetzung der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags geltend, sind diese Klagen unzulässig. Die entsprechenden Festsetzungen ändern sich nämlich automatisch, wenn die Einkommensteuer neu festgesetzt wird. Das Gericht wird daher die Klage wegen Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag abtrennen. Auch wenn Sie dann die Klage diesbezüglich zurücknehmen, bleiben Sie auf den Verfahrensgebühren (mindestens 110 Euro) sitzen.

  • Sie klagen gegen einen Bescheid, ohne dass Sie zuvor das Einspruchsverfahren beim Finanzamt durchlaufen haben bzw. Sie stellen beim FG einen AdV-Antrag, obwohl das Finanzamt Ihren Antrag noch nicht abgelehnt hat.
  • Sie klagen gegen einen Bescheid mit der Steuerfestsetzung 0 Euro.
  • Sie vergessen die Klage zu unterschreiben.
    Muster einer Klageschrift

    Das folgende Muster können Sie bei der Formulierung Ihrer Klage als Vorlage verwenden. Sie finden die Vorlage auch im Online-Service unter der Rubrik "Arbeitshilfen" .

    Briefkopf (Name, Anschrift, Telefon-Nr.)

    An das Finanzgericht ...................
    Postfach .....
    ..... ........................... Datum

    Steuernummer: ....................

    Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003
    des Finanzamts ................. vom .........
    Einspruchsentscheidung vom .....................

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    hiermit erhebe(n) ich (wir), (Name(n), Anschrift ) gegen das Finanzamt ......................... wegen Einkommensteuer für das Jahr 2003 Klage.

    In der mündlichen Verhandlung werde ich beantragen, den Bescheid über Einkommensteuer für das Jahr 2003 in Form der Einspruchsentscheidung vom ............. insoweit abzuändern, als das Finanzamt die Aufwendungen für .............................. in Höhe von ............. Euro nicht als Werbungskosten anerkennt. Ebenso wird beantragt, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    Begründung: Das Finanzamt behandelt diese Aufwendungen als Kosten der privaten Lebensführung. Meines Erachtens liegen aber Werbungskosten vor, weil ........................................................... .

    Mit freundlichen Grüßen

    ......................................... (Unterschrift)

    Anlagen:
    Kopie der Klageschrift

    Quelle: Ausgabe 10 / 2004 | Seite 7 | ID 96181