01.03.2006 | Zur Sicherheit Einspruch einlegen
Ist der beschränkte Sonderausgabenabzug für Krankenversicherungsbeiträge verfassungswidrig?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die betragsmäßige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen für verfassungswidrig: Mit den gesetzlichen Höchstbeträgen könne kein angemessener Krankenversicherungsschutz erlangt werden. Er hat die Frage deshalb dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt (Beschluss vom 14.12.2005, Az: X R 20/04, Abruf-Nr. 060205 ).
Geklagt hatten ein freiberuflicher Rechtsanwalt und seine Ehefrau, die Eltern von sechs minderjährigen Kindern sind. Im Streitjahr 1997 erzielte der Rechtsanwalt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 431.000 DM; der Gesamtbetrag der Einkünfte betrug ca. 269.000 DM. Das Ehepaar zahlte 1997 Versicherungsbeiträge in Höhe von ca. 66.000 DM, davon allein für die private Krankenversicherung der achtköpfigen Familie 32.833 DM. Das Finanzamt berücksichtigte im Rahmen der gesetzlichen Höchstbetragsregelung aber nur 19.830 DM als Sonderausgaben (§ 10 Absatz 3 Einkommensteuergesetz [EStG] alte Fassung [a.F.]).
Nach Auffassung des BFH sei der Gesetzgeber verpflichtet, dem individuellen Vorsorgebedarf durch eine realitätsgerechte Bemessung des Sonderausgabenabzugs Rechnung zu tragen. Um Familien mit Kindern nicht zu benachteiligen, habe der Gesetzgeber zudem zu berücksichtigen, dass den Eltern eine besondere Belastung durch die Zahlung der Krankenversicherungsbeiträge für ihre Kinder im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht entstünde. Eine entsprechende Entlastung der Eltern sehe aber das geltende Steuerrecht weder im Rahmen des Familienleistungsausgleichs noch beim Sonderausgabenabzug vor, so der BFH.
In den Jahren 1975 bis 1992 wurden die Höchstbeträge alle drei Jahre angepasst. Seit 1993 sind sie unverändert. Es gibt bislang keine Aussage des BVerfG, ob die Höchstbeträge bis zum Streitjahr 1997 realitätsgerecht waren. Durch das Alterseinkünftegesetz wurden die Abzugsmöglichkeiten für Krankenversicherungsbeiträge jedenfalls weiter eingeschränkt. So können Selbstständige nur noch 2.400 Euro (Ledige) bzw. 4.800 Euro (Ehepaare) als Sonderausgaben abziehen. Für Arbeitnehmer betragen die Höchstbeträge 1.500 Euro/3.000 Euro.
Bei diesen Beträgen dürfte klar sein, dass weder nach altem noch nach neuem Recht freiwillig gesetzlich Krankenversicherte und auch viele Pflichtversicherte ausreichenden Krankenversicherungsschutz mit den Höchstbeträgen erlangen können, und zwar unabhängig ob mit oder ohne Kinder. Für privat Versicherte mit Kindern gilt dies erst recht.
Nun könnte man annehmen, dass kein Handlungsbedarf besteht, weil derzeit alle Steuerbescheide wegen möglicher Verfassungswidrigkeit des § 10 Absatz 3 EStG a.F. insoweit vorläufig ergehen und daher bei veränderter Rechtslage geändert werden können. Es ist aber noch ungeklärt, ob der Vorläufigkeitsvermerk auch die vom BFH dem BVerfG vorgelegten Fragen umfasst. Bis dahin sollten Sie zur Sicherheit Einspruch einlegen. Das gilt erst Recht für Steuerbescheide 2005. Denn ab 2005 fallen die Krankenversicherungsbeiträge unter § 10 Absatz 4 EStG bzw. im Rahmen der Günstigerprüfung unter § 10 Absatz 4a EStG. Bislang wurde der Vorläufigkeitsvermerk noch nicht entsprechend erweitert.
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