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  • 23.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141835

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 04.12.2013 – 1 K 775/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Baden-Württemberg

    Urt. v. 04.12.2013

    Az.: 1 K 775/13

    In dem Finanzrechtsstreit
    A
    - Kläger -
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    Bundesagentur für Arbeit, Familienkasse Baden-Württemberg
    vertreten durch ihren Leiter
    - Beklagte -
    wegen Kindergeld für die Tochter B vom 1. Oktober 2011 bis 30. September 2012
    hat der 1. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2013 durch
    Richter am Finanzgericht-
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    1.

    Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Kindergeld für seine Tochter B für die Monate Juni 2012 bis September 2012 zu gewähren. Soweit die Beklagte für diesen Zeitraum die Gewährung von Kinder abgelehnt hat, wird der Bescheid vom 22. September 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2013 aufgehoben. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
    2.

    Der Kläger trägt 2/3 und die Beklagte 1/3 der Kosten des Verfahrens.
    3.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
    4.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist die Gewährung von Kindergeld während der Unternehmensphase eines PreMaster-Programms bei der Firma Z.

    Der Kläger (Kl) erhielt für seine im Oktober 1987 geborene Tochter B fortlaufend Kindergeld. Mit Bescheid vom 3. Mai 2012 hob die beklagte Familienkasse (Bekl) die Kindergeldfestsetzung ab August 2011 auf, nachdem die Tochter ihr Studium der Außenwirtschaft an der Hochschule X im Juli 2011 mit dem Bachelor-Abschluss beendet hatte. Der Aufhebungsbescheid wurde bestandskräftig. Im September 2012 beantragte der Kl ihm wieder Kindergeld zu zahlen. Seine Tochter sei seit dem 1. September 2012 an der Hochschule X im Master-Studiengang International Business Development eingeschrieben.

    Mit Bescheid vom 22. September 2012 lehnte die Bekl den Kindergeldantrag ab, weil es sich bei dem Master-Studium nicht um eine Erstausbildung handeln würde. Hiergegen erhob der Kl Einspruch. Seine Tochter nehme seit dem 1. Oktober 2011 an dem PreMaster-Programm der Firma Z teil und befinde sich daher wieder in Ausbildung (vgl. Vertrag über die Teilnahme am Z PreMaster Programm vom 19. September 2011 - im folgenden PreMaster-Programm, Bl. 18 ff. d.A.). Mit dem PreMaster-Programm unterstütze die Firma Z Bachelorabsolventen auf dem Weg zum Master. In der einjährigen Unternehmensphase vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. September 2012 seien seiner Tochter fachspezifische Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen als Vorbereitung für ihr Master-Studium vermittelt worden (§ 2 PreMaster-Programm). In dieser Zeit sei sie von einem persönlichen Mentor betreut worden (§ 3 PreMaster-Programm) und habe eine Vergütung von xxx EUR brutto erhalten (§ 4.2 PreMaster-Programm). Mit dem Beginn des Master-Studiengangs ab dem 1. Oktober 2012 habe die Masterphase des Z PreMaster Programms begonnen (§ 6 PreMaster-Programm). In dieser Phase sei seine Tochter freigestellt. Die Firma Z biete in dieser Phase die Möglichkeit, in den Semesterferien auf eigenen Wunsch zu arbeiten. Desweiteren gewähre die Firma Z einen Zinszuschuss bei Aufnahme eines Studienkredits für das Masterstudium.

    Auf den Einspruch des Kl änderte die Bekl den angefochtenen Bescheid dahin ab, dass sie für den Monat Oktober 2012 - in dem die Tochter ihr 25. Lebensjahr vollendete - Kindergeld festsetzte. Im übrigen wies die Bekl den Einspruch mit Entscheidung vom 4. Februar 2013 als unbegründet zurück. Die Tochter des Kl habe im Juli 2011 ihr Bachelorstudium abgeschlossen, weshalb eine weitere Berufsausbildung des Kindes erst mit Beginn des Masterstudiums im September 2012 vorliege. Für den Monat September 2012 könne kein Kindergeld gewährt werden, weil die Tochter in diesem Monat noch bei der Firma Z in einer Zweitausbildung befunden und eine anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit ausgeübt habe.

    Der Kl hat am 1. März 2013 Klage erhoben. Seine Tochter habe mit der Teilnahme am Z PreMaster Programm ab dem 1. Oktober 2011 nicht in einem Arbeits-, sondern einem speziellen Ausbildungsverhältnis gestanden. Das Ausbildungsverhältnis habe den Abschluss eines Masterstudiums zum Ziel gehabt. Bachelor- und Masterstudium bildeten in diesem Fall ein wirtschaftswissenschaftlichen Gesamtstudium und keine Zweitstudium.

    Der Kl beantragt,

    den Bescheid vom 22. September 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2013 aufzuheben und die Bekl zu verpflichten, ihm Kindergeld für seine Tochter B für den Zeitraum 1. Oktober 2011 bis 30. September 2012 zu gewähren.

    Die Bekl beantragt,

    die Kl abzuweisen.

    Sie verweist zur Begründung auf ihre Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt sie aus, für ein Arbeits- und gegen ein Ausbildungsverhältnis spreche neben dem hohen Gehalt von xxx EUR brutto, dass die Firma Z mit dem PreMaster Programm versuche, gute Bachelor-Absolventen an das Unternehmen zu binden. Im Vordergrund stünde die Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen, die der weiteren beruflichen Entwicklung innerhalb der Firma Z dienten. Das PreMaster Programm sei daher mehr mit einem Trainee-Programm als mit einem Ausbildungsverhältnis zu vergleichen.
    Entscheidungsgründe

    Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter anstelle des Senats (§ 79a Abs. 3 und 4 Finanzgerichtsordnung - FGO).

    Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

    1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig (§ 101 Satz 1 FGO). Eine Klage gegen einen das Kindergeld ablehnenden Bescheid, mit der die Festsetzung von Kindergeld ab einem bestimmten Zeitpunkt begehrt wird, ist keine Anfechtungsklage in Form der Abänderungsklage, sondern eine Verpflichtungsklage (BFH-Urteil vom 2. Juni 2005 III R 66/04, BFHE 210, 265, BStBl II 2006, 184).

    2. Die Verpflichtungsklage ist begründet, soweit der Kl Kindergeld für die Monate Juni 2012 bis September 2012 begehrt. Dem darüber hinaus gehenden Antrag steht die (negative) Bindungswirkung des Kindergeldaufhebungsbescheids vom 3. Mai 2012 entgegen.

    a) Der Bescheid der Bekl vom 3. Mai 2012, mit dem sie die Kindergeldfestsetzung ab August 2011 aufgehoben hat, ist wirksam und bestandskräftig, da der Kl nicht innerhalb der Monatsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) Einspruch eingelegt hat. Die Bestandskraft eines nicht angefochtenen Bescheids, durch den die Gewährung von Kindergeld abgelehnt oder auf 0 € festgesetzt oder durch den eine Kindergeldfestsetzung aufgehoben wird, erstreckt sich in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe (z.B. BFH-Urteile vom 25. Juli 2001 VI R 78/98, BFHE 196, 253, BStBl II 2002, 88, und VI R 164/98, BFHE 196, 257, BStBl II 2002, 89; Senatsurteil vom 14. Dezember 2006 III R 24/06, BFHE 216, 225, BStBl II 2007, 530). Die (negative) Bindungswirkung des Aufhebungsbescheids vom 3. Mai 2012 erstreckt sich daher bis Ende Mai 2012. Eine hiervon abweichende zeitliche Regelung hat die Bekl nicht getroffen.

    Eine Änderung des bestandskräftigen Aufhebungsbescheids zugunsten des Kl ist nicht möglich, da die Voraussetzungen für eine Korrektur weder nach den §§ 172 ff. AO noch nach § 70 EStG gegeben sind. Die in Betracht kommende Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO greift im vorliegenden Fall nicht. Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen. Die erst nach Ergehen des Ablehnungsbescheids vom 3. Mai 2012 der Bekl bekannt gewordene Tatsache der Teilnahme des Kindes an dem PreMaster-Programm eröffnet unabhängig von der Verschuldensfrage keine Änderungsmöglichkeit, weil auch bei rechtzeitiger Kenntnis dieses Umstands die Bekl im Zeitpunkt seiner Ablehnungsentscheidung am 3. Mai 2012 den Kindergeldantrag abgelehnt hätte.

    Seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. November 1987 GrS 1/86 (BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180) darf ein Steuerbescheid wegen nachträglich bekanntgewordener Tatsachen oder Beweismittel zugunsten des Steuerpflichtigen nur aufgehoben oder geändert werden darf, wenn das FA bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO scheidet hingegen aus, wenn die Unkenntnis der später bekanntgewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist, weil das FA auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre.

    Rechtfertigender Grund für die Durchbrechung der Bestandskraft nach § 173 AO ist nicht die Unrichtigkeit der Steuerfestsetzung, sondern der Umstand, dass das FA bei seiner Entscheidung von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist. Demnach ist die nachträgliche Berücksichtigung neuer Tatsachen und Beweismittel strikt von der Korrektur von Rechtsfehlern abzugrenzen. Insbesondere dürfen über den Umweg des § 173 Abs. 1 AO Rechtsfehler der Finanzbehörde weder zulasten (Nr. 1) noch zugunsten des Steuerpflichtigen (Nr. 2) berichtigt werden. Das Kriterium der Rechtserheblichkeit (Kausalität) der neuen Tatsache bei der ursprünglichen Veranlagung schließt demnach aus, dass die Beteiligten des Steuerschuldverhältnisses mit Hilfe eines Änderungsbescheids eine neue Tatsache zum bloßen Anlass oder Vorwand nehmen, ihre geläuterte Rechtsansicht nachträglich durchzusetzen. Der Gesetzgeber hat vielmehr dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit in solchen Fällen Vorrang vor der materiellen Richtigkeit der ergangenen Verwaltungsentscheidung eingeräumt.

    Im Streitfall wäre die Bekl bei ihrer Entscheidung über den Kindergeldanspruch auch bei rechtzeitiger Kenntnis des Umstands, dass die Tochter seit 1. Oktober 2011 an dem PreMaster-Programm der Firma Z teilnimmt, zu keinen anderen Ergebnis gelangt. Die Bekl ist bis heute der Auffassung, dass es sich dabei um eine kindergeldschädliche Erwerbstätigkeit und nicht um ein Ausbildungsverhältnis handelt.

    Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO würde auch daran scheitern, dass die unterlassene Einlegung eines Einspruchs gegen den ablehnenden Kindergeldbescheid vom 3. Mai 2012 ein grobes Verschulden darstellt (vgl. Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 9. April 1999 1 K 149/98, EFG 1999, 811). Am Vorliegen eines groben Verschuldens ändert sich auch dann nichts, wenn der Steuerpflichtige hinsichtlich der Frage der Relevanz der nicht vorgetragenen Tatsache einem Rechtsirrtum unterlag (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2006 VI R 59/02, BFH/NV 2007, 866, m.w.N.). Die Einlassung des Kl in der mündlichen Verhandlung, er habe nicht gewusst, dass die Einkünfte- und Bezügegrenze für das Jahr 2012 weggefallen sei und deshalb gedacht, ihm stehe für seine Tochter wegen der in der Unternehmensphase des PreMaster-Programms gezahlten Vergütung ohnehin kein Kindergeld zu, kann daher ebenfalls nicht zu einer Änderungsbefugnis führen.

    b) Der Kl hat für die Monate Juni 2012 bis September 2012 Anspruch auf Kindergeld, weil seine Tochter in dieser Zeit an der Unternehmensphase des PreMaster-Programms der Firma Z teilgenommen hat und es sich hierbei um ein Ausbildungsdienstverhältnis handelte.

    aa) Der Kindergeldanspruch des Kl ergibt sich aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.Vm. § 63 Abs. 1 Nr. 1 und § 32 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird ein Kind berücksichtigt, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird. Das PreMaster-Programm diente auch in der Unternehmensphase der Berufsausbildung. Der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes auszulegen. Als Berufsausbildung sind danach alle Maßnahmen anzusehen, die dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dienen, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sind oder nicht (vgl. BFH-Urteile vom 9. Juni 1999 VI R 33/98 zu Sprachaufenthalt, VI R 34/98 zu Collegebesuch, VI R 50/98 zu Volontariat, VI R 143/98 zu Au-Pair-Aufenthalt und VI R 16/99 zu freiwilligem Praktikum). Selbst wenn der Masterstudiengang International Business Development "nur" eine nicht vorgeschriebene Zusatzqualifikation wäre, ist er unbestrittenermaßen nützlich, insbesondere um sich für höher qualifizierte Stellen zu bewerben. Zulassungsvoraussetzung für diesen Studiengang ist eine mindestens sechsmonatige Berufserfahrung (vgl. Bl. 24 d.A.). Die Unternehmensphase des PreMaster-Programms bei der Firma Z war damit notwendiger Teil der Berufsausbildung der Klägerin mit dem Ziel eines Master-Abschlusses.

    bb) Der grundsätzliche Kindergeldanspruch wird nicht durch die ab dem1. Januar 2012 geltende Neuregelung der Anspruchsvoraussetzungen für die Berücksichtigung volljähriger Kinder im Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011 (BGBl I 2011, S. 2131) ausgeschlossen. Seitdem bestimmt § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, dass nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt wird, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG 2012).

    Der Gesetzgeber geht bei typisierender Betrachtung im Wege einer gesetzlichen Vermutung davon aus, dass ein volljähriges Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung wie auch nach Abschluss eines Erststudiums in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten und gegenüber seinen Eltern nicht mehr unterhaltsberechtigt ist. Dies hat zur Folge, dass das Kind, wenn es nicht als arbeitssuchend gemeldet (bis 21 Jahre) oder behindert ist, nicht mehr zu berücksichtigen ist. Diese Vermutung gilt durch den Nachweis als widerlegt, dass das Kind sich in einer weiteren Berufsausbildung befindet und tatsächlich keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht, die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt (vgl. Bundestags-Drucksache 17/5125, S. 41). In diesem Sinne regelt § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG 2012 als Unterausnahme zu Satz 2, dass die Vermutung des Gesetzgebers als widerlegt gilt, wenn das Kind weiterhin für einen Beruf ausgebildet wird und tatsächlich keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht.

    Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob es sich bei dem abgeschlossenen Bachelorstudium der Tochter des Kl um eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium gehandelt hat (vgl. hierzu Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 7. Dezember 2011, IV C 4-S 2282/07/0001-01, 2011/0978333, BStBl I 2011, 1243, Ziffer 19). Die Unternehmensphase des PreMaster-Programms der Firma Z fand in einem Ausbildungsdienstverhältnis statt, weshalb die in dieser Zeit ausgeübte Erwerbstätigkeit unschädlich ist.

    Ein Ausbildungsdienstverhältnis ist gegeben, wenn die Ausbildungsmaßnahme Gegenstand des Dienstverhältnisses ist (vgl. Schmidt/Loschelder, EStG, 32. Aufl. 2013, § 12 Rdnr. 60). Das Dienstverhältnis muss darauf ausgerichtet aus, die Zeit und Arbeitskraft des Kindes in erster Linie für die Ausbildung und nicht für die Erwerbstätigkeit eingesetzt werden. Wird das Dienstverhältnis durch Ausbildungszwecke geprägt, hält es der Gesetzgeber für gerechtfertigt, eine daneben ausgeübte Erwerbstätigkeit als unschädlich anzusehen. Auf die Höhe der Vergütung kommt es bei einem Ausbildungsdienstverhältnis nicht an.

    Nach diesem Maßstab fand die Teilnahme der Tochter des Kl am PreMaster-Programm der Firma Z im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses statt. Das PreMater-Programm dient nach seiner allgemeinen Zielsetzung der Unterstützung von Bachelorabsolventen auf dem Weg zum Master (vgl. die Selbstdarstellung des PreMaster-Programms durch die Firma Z, Bl. 15 ff. d.A.). Die Studenten erfahren während der Unternehmensphase eine fachspezifische Praxis und persönliche Betreuung. Sie sollen durch ein intensives Training "on-the-job" auf ihr späteres Master-Studium vorbereitet werden. Die Teilnehmer werden hierfür mit Blick auf das angestrebte Master-Studium einer Ankerabteilung zugewiesen, um eine individuelle Themenabstimmung mit Blick auf die späteren Themenschwerpunkte im Masterstudium zu gewährleisten. Das PreMaster-Programm ist daher kein "Schnupper-Praktikum", sondern eine zielgerichtete Vorbereitung für das jeweilige Masterstudium des Teilnehmers.

    Die Ausbildungsorientierung des PreMaster-Programms wurde im Vertrag mit der Tochter des Kl konsequent umgesetzt. Bereits in der Präambel des Vertrages ist dessen Ziel einer Vorbereitung auf das Masterstudium durch die Vermittlung beruflicher Fähigkeiten und Kenntnisse ausdrücklich hervorgehoben. Das PreMaster-Programm dient demnach in erster Linie der Unterstützung des Teilnehmers. Die Firma Z verpflichtet sich, den Teilnehmer entsprechend seiner Ausbildungsrichtung einschlägige Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen zu vermitteln, erforderliche betriebliche Ausbildungsmittel zur Verfügung zu stellen, in Ausbildungsfragen zu beraten und nach Beendigung des PreMaster-Programms einen schriftlichen Tätigkeitsnachweis auszustellen (§ 2 PreMaster-Programm). Hierfür wird dem Teilnehmer ein Mentor zur Betreuung zugewiesen (§ 3 PreMaster-Programm). Die einzelnen Ausbildungsschritte der Unternehmensphase werden in der Ankerbeteiligung mit dem Teilnehmer festgelegt (§ 4 PreMaster-Programm). Die im Vertrag zum Ausdruck kommende Ausrichtung des PreMaster-Programms auf Ausbildungs- und nicht auf Erwerbszwecke spiegelt sich auch in der Verwendung des Begriffs einer flexiblen "Anwesenheitszeit" statt einer starren Arbeitszeit (§ 4.3 PreMaster-Programm). Das Ausbildungsziel des PreMaster-Programms zeigt sich des weiteren an der Verpflichtung der Teilnehmer, unverzüglich nach Abschluss der Unternehmensphase ein Masterstudium aufzunehmen (§ 6.1 PreMaster-Programm). Zur Überzeugung des Gerichts steht damit fest, dass es sich bei der Teilnahme der Tochter an dem PreMaster-Programm um ein Ausbildungsdienstverhältnis handelte, das in erster Linie und prägend dazu diente, Bachelorstudenten für ihr Masterstudium vorzubereiten und auszubilden und nicht deren Arbeitskraft für die Firma Z zu nutzen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 115 Abs. 2 FGO gegeben sind.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG; § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG; § 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG