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  • 24.11.2014 · IWW-Abrufnummer 143314

    Bundesverwaltungsgericht: Beschluss vom 12.08.2014 – 9 B 23.14

    Für die Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf die deutsche Gewerbesteuer aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens ist das Finanzamt und nicht die Gemeinde zuständig.


    Bundesverwaltungsgericht

    Beschl. v. 12.08.2014

    BVerwG 9 B 23.14

    In der Verwaltungsstreitsache
    hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
    am 12. August 2014
    durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und Dr. Bick
    beschlossen:
    Tenor:

    Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 118 860 € festgesetzt.
    Gründe
    1

    Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
    2

    Der Frage,

    ob die Gemeinde im Rahmen der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer gemäß § 16 GewStG zuständig ist für die Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf die deutsche Gewerbesteuer, die gemäß einem Doppelbesteuerungsabkommen einbehalten und abgeführt wurde und nach dem Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland anrechenbar ist,

    kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift, zu der eine höchstrichterliche Entscheidung bislang noch nicht ergangen ist, ist allein deshalb von grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache vielmehr nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen vorliegen.
    3

    Sollte die aufgeworfene Frage dahingehend gemeint sein, dass die Anrechenbarkeit einer ausländischen Quellensteuer auf die deutsche Gewerbesteuer aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens feststeht und (lediglich) geklärt werden soll, ob für diese zwingend vorgeschriebene Anrechnung die Gemeinde im Rahmen der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer gemäß § 16 GewStG zuständig ist, unterstellt sie Umstände, die der Verwaltungsgerichtshof so nicht festgestellt hat. Er hat sich gerade nicht mit der in der Literatur streitigen Frage befasst, ob nach dem hier in Rede stehenden Doppelbesteuerungsabkommen (Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern, zur Verhinderung der Steuerverkürzung und zur Amtshilfe in Steuersachen, im Folgenden: DBA Kanada), das am 28. März 2002 in Kraft getreten ist, ausländische Quellensteuern in Deutschland im Rahmen der Gewerbesteuer anrechenbar sind oder nicht (vgl. zu diesem Streit etwa Frotscher, in: FS Frotscher 2013, S. 115 ff.; Becker/Loose, IStR 2012, 57 ff.; Kessler/Dietrich, IStR 2011, 108 ff. und 953 ff.; Eglmaier, IStR 2011, 951 ff. und 955 ff.). Dementsprechend hat das Gericht die Frage der Anrechenbarkeit auch nicht, wie die Formulierung der Frage nahelegen könnte, bejaht. Ebenso wenig steht die zwingende Anrechenbarkeit aufgrund sonstiger Umstände, etwa eines eindeutigen Wortlauts des Abkommens, fest, wie der Meinungsstreit belegt.
    4

    Hiervon ausgehend kann es nur um die Frage gehen, ob die Gemeinde für eine sich möglicherweise aus dem DBA Kanada ergebende Anrechnung zuständig ist. Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass (erstens) die Frage der Anrechenbarkeit der kanadischen Quellensteuer in die ausschließliche Zuständigkeit des Finanzamtes fällt, das den Steuermessbetrag nach § 11 GewStG i.V.m. § 22 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO festzusetzen hat, dass (zweitens) das Finanzamt im konkreten Fall - mit Bindungswirkung für die Gemeinde - über die Frage der Anrechenbarkeit auch tatsächlich entschieden hat, was sich aus der ausführlichen Einspruchsentscheidung vom 30. November 2010 ergebe, und dass (drittens) das DBA Kanada in diese Aufgabenverteilung zwischen Finanzamt und Gemeinde nicht eingreife; es stelle insoweit keine den Steuergesetzen gemäß § 2 Abs. 1 AO vorgehende Regelung dar (UA S. 9 f.).
    5

    Der Verwaltungsgerichtshof weist zutreffend darauf hin, dass die beschriebene Zuständigkeitsverteilung zwischen Finanzamt und Gemeinde bei der Festsetzung der Gewerbesteuer gefestigter Rechtsprechung entspricht; sie ergibt sich im Übrigen eindeutig aus dem Gesetz. Danach ermitteln die Finanzämter zunächst die steuerrelevanten Sachverhalte: Sie setzen den Gewerbesteuermessbetrag durch Anwendung eines Prozentsatzes (Steuermesszahl) auf den Gewerbeertrag durch den Gewerbesteuermessbescheid fest (§§ 11, 14 GewStG i.V.m. § 184 AO). Der Gewerbeertrag ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge (Hinzurechnungen und Kürzungen). Der vom Finanzamt erlassene Gewerbesteuermessbescheid entfaltet als Grundlagenbescheid für die Gemeinde, die in einem zweiten Schritt nach § 16 GewStG unter Anwendung ihres Hebesatzes die Gewerbesteuer festzusetzen und zu erheben hat, nach § 184 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 182 Abs. 1 AO Bindungswirkung (vgl. nur Urteil vom 15. Juni 2011 - BVerwG 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 Rn. 20 sowie Beschlüsse vom 2. September 1999 - BVerwG 11 B 23.99 - [...] Rn. 3 und vom 30. Dezember 1997 - BVerwG 8 B 161.97 - Buchholz 401.0 § 184 AO Nr. 2; BFH, Urteile vom 21. Juli 1999 - I R 111/98 - NVwZ 2000, 838 <839> und vom 19. November 2003 - I R 88/02 - BFHE 204, 283 Rn. 22). Eine eigene Entscheidung über die Besteuerungsgrundlagen steht der Gemeinde nicht zu. Die Gemeinden sollen keine eigenen Nachforschungen anstellen müssen, weil die Finanzbehörden die Besteuerungsgrundlagen ohnedies für die Zwecke anderer Steuern ermitteln. Zudem sollen die Gemeinden von den komplexen und schwierigen Fragen, die das Gewerbesteuergesetz insofern aufwirft, entlastet werden (vgl. nur Brandis, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung Stand: Mai 2011 § 184 Rn. 4). Der Steuerpflichtige kann Einwendungen gegen die Besteuerungsgrundlagen nur durch Anfechtung des Steuermessbescheides, also ausschließlich im finanzgerichtlichen Verfahren geltend machen; im Anfechtungsverfahren gegen den von der Gemeinde erlassenen Gewerbesteuerbescheid sind Einwendungen gegen den Gewerbesteuermessbescheid ausgeschlossen (Urteil vom 17. Januar 1980 - BVerwG 7 C 56.78 - Buchholz 401.5 § 5 GewStG Nr. 3).
    6

    Dies zugrunde gelegt bedarf es zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Die Frage der Anrechnung einer ausländischen Quellensteuer (hier auf steuerfreie Dividendenerträge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG) auf die Gewerbesteuer fällt in die Zuständigkeit der Finanzbehörde. Ein mögliches "Einfallstor" für eine derartige Anrechnung stellen die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften der §§ 8 und 9 GewStG dar (vgl. speziell zu Dividendenerträgen Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl. 2014, § 8 Nr. 5 Rn. 6 m.w.N. sowie allgemein zum Verhältnis gewerbesteuerlicher Hinzurechnungen oder Kürzungen zu bestimmten Doppelbesteuerungsabkommen BFH, Urteile vom 7. Dezember 2011 - I R 30/08 - BFHE 236, 159 Rn. 26 ff., vom 23. Juni 2010 - I R 71/09 - BFHE 230, 177 Rn. 10 ff. und vom 22. Februar 2006 - I R 30/05 - BFH-PR 2006, 362 Rn. 10 ff.).
    7

    Neue Gesichtspunkte, aus denen in dem erstrebten Revisionsverfahren zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden könnten, legt die Beschwerde nicht dar. Sie geht vielmehr selbst von dem beschriebenen zweigeteilten Besteuerungsverfahren und der aus der Grundlagenfunktion des Steuermessbescheides folgenden Bindungswirkung für die Gemeinde aus. Soweit sie dennoch die These aufstellt, der "Feststellungsbereich" des Gewerbesteuermessbescheides erfasse nicht die Anrechenbarkeit ausländischer Quellensteuern und falle deshalb in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinde, bleibt sie eine tragfähige Begründung hierfür schuldig. Der bloße Hinweis darauf, dass die fragliche Anrechnung "als Steuerermäßigung Teil der Steuerfestsetzung" sei, so dass hierüber auch "im Steuerfestsetzungsverfahren" zu entscheiden sei, verkennt den systematischen Zusammenhang der hier umstrittenen abkommensrechtlichen Steuerfreistellung mit den oben erwähnten Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften der §§ 8 und 9 GewStG. Daraus ergibt sich ohne weiteres die vom Oberverwaltungsgericht insofern zu Recht angenommene Bindung der beklagten Gemeinde an den Gewerbesteuermessbescheid im Rahmen des dem Finanzamt eröffneten Feststellungsbereiches. Aus demselben Grund ist der von der Beschwerde angeregten Aussetzung des Verfahrens (§ 94 VwGO) nicht näher zu treten; denn der Umstand, dass die Klägerin beim Finanzamt nachträglich die gesonderte Feststellung der kanadischen Quellensteuer beantragt hat, lässt die Bestandskraft des die Beklagte bindenden Gewerbesteuermessbescheides unberührt.
    8

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

    RechtsgebietGewStGVorschriften§ 11 GewStG; § 16 GewStG