22.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142167
Finanzgericht Köln: Urteil vom 26.03.2014 – 7 K 1037/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die steuerliche Berücksichtigung einer Ausgleichszahlung des Klägers an seine geschiedene Ehefrau zur Abfindung des Versorgungsausgleichs im Rahmen der Ehescheidung.
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Der 1954 geborene Kläger erzielt als bei der Firma A GmbH angestellter Rechtsanwalt im Wesentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie daneben Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung.
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Von seiner früheren Ehefrau B, mit der er seit ....6.1983 verheiratet gewesen war, war der Kläger zum ....8.2006 geschieden worden. Ehevertragliche Vereinbarungen hatten bis dahin nicht bestanden.
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Im Rahmen der Scheidung war am ....7.2006 eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung mit auszugsweise folgendem Inhalt zwischen den früheren Eheleuten geschlossen worden:
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„ § 3 Versorgungsausgleichsverzicht
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Wir waren beide in der Ehezeit vollzeitig berufstätig und haben als pflichtversicherte Beschäftigte – ausweislich eines von uns eingeholten Gutachtens – um 1.574,56 EUR abweichende Anwartschaften auf Versorgung wegen Alters erworben, so dass sich – bezogen auf den ....05.2006 – ein Versorgungsausgleich zugunsten von Frau B von ca. 787,28 EUR errechnet. Wir haben diesen Versorgungsausgelich durch ein Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen f ür Versorgungsausgleich C in D ermitteln lassen. Die nachfolgend von den Beteiligten festgesetzte Ausgleichszahlung lässt unberücksichtigt, dass die im Gutachten als betriebliche Altersversorgung des Herrn B1 bezeichnete Versorgungszusage der A nicht unverfallbar ist, widerrufen werden kann, bei vorzeitigem Ende des Arbeitsverhältnisses entfallen kann und nicht insolvenzfest ist.
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Nachfolgend erklären wir einen wechselseitigen Versorgungsausgleichsverzicht.
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Der Versorgungsausgleichspflichtige, Herr B1, leistet gemäß § 6 eine Ausgleichszahlung, die in Höhe von 98.394,25 EUR Gegenleistung für den Versorgungsausgleichsverzicht der Frau B ist.
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Deshalb erklären wir: Der Ausgleich von Anwartschaften oder Anrechten auf eine Versorgung wegen Alters oder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit wird gemäß §§ 1408 Absatz 2 und 1587o BGB ausgeschlossen. […]
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Der Notar wies darauf hin, dass dieser Ausschluss des Versorgungsausgleichs unwirksam wird, wenn Antrag auf Scheidung der Ehe bereits gestellt ist oder innerhalb eines Jahres gestellt wird. Davon soll die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen unberührt bleiben. Die Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs soll als eine Vereinbarung nach § 1587o BGB angesehen werden. Die dann notwendige Genehmigung des Familiengerichts werden die Beteiligten selbst beantragen.
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Sollte die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich durch Stellung des Scheidungsantrags innerhalb der Jahresfrist entfallen, so verbleibt es trotzdem bei der vereinbarten Gütertrennung.
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[…]
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§ 6 Vermögensauseinandersetzung/Herauszahlung
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[…]
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(2) […] Als Kompensation für den vorvereinbarten Versorgungsausgleichsverzicht, zahlt Herr B1 an Frau B eine Ausgleichsleistung von 98.394,25,-- Euro, fällig ebenfalls spätestens am ....10.2006.
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Die jeweilige Ausgleichsleistung – nachfolgend insgesamt „Herauszahlungsbetrag“ genannt – ist zu zahlen auf […].“
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Ferner war neben der Vermögensauseinandersetzung, dem Güterstand der Gütertrennung sowie einem wechselseitigen Unterhalts- und Pflichtteilsverzicht vereinbart, dass die Scheidungsfolgenregelung unabhängig davon gelten solle, ob die Ehe letztlich geschieden würde.
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Der gerichtliche Sachverständige hatte der Berechnung des Versorgungsausgleichs folgende, in der Ehezeit erworbene Versorgungsanwartschaften zugrunde gelegt:
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Kläger
Ex-Ehefrau
gesetzliche Rentenversicherung
0 €
1.115,81 €
berufsständische Versorgung (Versorgungswerk der Rechtsanwälte NRW)
1.775,39 €
0 €
Betriebsrente
1.097,03 €
182,05 €
Summe
2.872,42 €
1.297,86 €
Wertunterschied
1.574,56 €
Hälfte des Wertunterschieds
787,28 €
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Für die weiteren Einzelheiten der Scheidungsfolgevereinbarung wird auf die in den Akten des Beklagten befindlichen Kopien der Notarurkunde vom ....7.2006 sowie das Sachverständigenschreiben vom ....6.2006 Bezug genommen.
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Die Genehmigung der Vereinbarung durch das Familiengericht ist inzwischen erfolgt.
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Das Versorgungswerk der Rechtsanwälte sowie die Träger der betrieblichen Altersversorgung der Ex-Eheleute lassen im Falle eines Versorgungsausgleichs die Realteilung nicht zu.
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Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2006 hatte der Kläger die Ausgleichszahlung an seine Ex-Frau von 98.394 € als Werbungskosten im Zusammenhang mit Leibrenten bei den sonstigen Einkünften geltend gemacht.
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In dem Bescheid vom 27.12.2007, mit dem das Finanzamt die Einkommensteuer 2006 des Klägers auf 27.836 € festgesetzt hatte, war die Ausgleichszahlung unberücksichtigt geblieben.
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Gegen diesen Bescheid wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 23.1.2008, mit dem er unter anderem die Berücksichtigung der Ausgleichszahlung von 98.394 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit begehrte.
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Nachdem das Einspruchsverfahren zunächst im Hinblick auf das vor dem BVerfG anhängige Verfahren 2 BvR 325/07 sowie die vor dem BFH anhängigen Verfahren VI R 33/08 und X R 54/03 geruht hatte, setzte das Finanzamt das Verfahren fort und änderte die Einkommensteuerfestsetzung 2006 aus anderen Gründen mit Bescheid vom 8.11.2011 auf 27.479 €.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 15.3.2012 setzte der Beklagte die Einkommensteuer abermals aus unstreitigen Gründen auf 27.474 € herab und lehnte die steuermindernde Berücksichtigung der Ausgleichszahlung an die Ex-Ehefrau weiterhin ab.
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Dies begründete er damit, dass die Zahlung, soweit sie im Zusammenhang mit der Anwartschaft aus der betrieblichen Altersversorgung steht, nicht durch die spätere Erzielung von Einkünften veranlasst sei.
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Soweit die Ausgleichszahlung die Ansprüche gegenüber dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte betreffe, komme weder ein Abzug als vorab entstandene Werbungskosten noch als Sonderausgaben in Betracht. Vor allem sei die Zahlung nicht beruflich, sondern privat durch die Ehescheidung veranlasst, und es bestehe keine Verpflichtung des Klägers gegenüber dem Versorgungswerk, sondern eine schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber der Ex-Ehefrau.
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Mit seiner Klage vom 3.4.2012 verfolgt der Kläger sein Begehren in eingeschränktem Umfang weiter. Die Abfindungszahlung sei vergleichbar mit Ausgleichszahlungen zur Erhaltung beamtenrechtlicher Pensionsansprüche, die als Werbungskosten abziehbar seien. Da alle Einkunftsarten gleich zu behandeln seien, müsse der Werbungskostenabzug auch im Streitfall vorgenommen werden. Die Zahlung diene dazu, eine bereits bestehende, dingliche Berechtigung zu erhalten i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG; der Anspruch des Klägers gegenüber dem Versorgungswerk stehe aufgrund der Kapitaldeckung der Versorgung bereits fest, was bei einem gesetzlich Versicherten aufgrund des Generationenvertrages nicht der Fall sei. Der Kläger sei und bleibe Berechtigter, ein Rechtsträgerwechsel habe nicht stattgefunden.
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Er verweist auf die BFH-Urteile VI R 33/08 vom 17.6.2010, BFH/NV 2010, 2051, X R 23/08 vom 15.6.2010, BFH/NV 2010, 1807, sowie IX R 107/00 vom 8.3.2006, BStBl 2006, 446, und legt eine fiktive Berechnung des gesetzlich durchzuf ührenden Versorgungsausgleichs vor. Die Berechnung gelangt zu einer Ausgleichspflicht des Klägers i.H.v. ebenfalls 787,28 €, die durch analoges Quasi-Splitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG zu erfüllen sei, jedoch begrenzt auf den Höchstausgleich von 86,17 €, der vollständig zu Lasten der Anwartschaft bei dem Versorgungswerk gehe.
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Damit sei - so der Kläger - die Ausgleichzahlung von 98.394,25 € in Höhe eines Bruchteils von 86,17/787,28 = 10.769,53 € geleistet worden, um die nach § 25 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte NRW vorzunehmende Kürzung der dortigen Anwartschaft zu unterbinden.
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Der Kläger beantragt,
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die Einkommensteuerfestsetzung vom 27.12.2007 in der letzten Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15.3.2012 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften i.H.v. 10.770 € berücksichtigt werden,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
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Entscheidungsgründe
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Die angefochtene Steuerfestsetzung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
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Eine Berücksichtigung der Ausgleichszahlung als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften kommt nicht in Betracht.
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Auch einen anderweitigen steuermindernden Abzug, etwa als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder als Sonderausgaben, hat der Beklagte zutreffend abgelehnt.
44
I.
45
Bei der von dem Kläger geleisteten Zahlung handelt es sich nicht – auch nicht anteilig – um sofort abziehbare, vorweggenommene Werbungskosten im Zusammenhang mit den sonstigen Einkünften i.S.d. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, sondern um Anschaffungskosten des Rechts auf Altersversorgung.
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1.
47
Für den beantragten Werbungskostenabzug müsste es sich bei der Ausgleichszahlung entsprechend § 9 Abs. 1 S. 1 EStG um Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen handeln. Unter diesen gesetzlichen Werbungskostenbegriff fallen alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie sind auch bereits vor dem Anfall von Einnahmen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird.
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Keine - sofort abziehbaren - Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG sind hingegen bei den sog. Überschusseinkünften i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG solche Aufwendungen, die geleistet werden zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern, die der Einnahmeerzielung dienen (so in ständiger Rechtsprechung BFH-Urteile vom 29.11.1983 VIII R 160/82, BStBl II 1984, 307; vom 21.12.1982 VIII R 215/78, BStBl II 1983, 410; vom 14.2.1978 VIII R 9/76, BStBl II 1978, 455). Derartige Aufwendungen können nur in Form von Absetzungen für Abnutzung nach Maßgabe der speziell hierfür geschaffenen § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 i.V.m. §§ 7 ff. EStG als Werbungskosten berücksichtigt werden und dies auch nur, sofern sie sich auf die Anschaffung oder Herstellung abnutzbarer Wirtschaftsgüter beziehen. Ansonsten wirken sie sich steuerlich nicht aus, weil sie die Vermögensebene und nicht die Einkunftsebene betreffen.
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In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist auch nach der Rechtsprechung des BFH ‑ welcher der erkennende Senat folgt - allgemein zu unterscheiden zwischen dem Anschaffungsvorgang auf Vermögensebene und der Ebene der Einkunftserzielung, so beispielsweise bei Einkünften aus Kapitalvermögen zwischen dem Ansparen des Kapitalvermögens, das sich als rechtsbegründender Anschaffungsvorgang einkommensteuerrechtlich nicht auswirkt, und den steuerbaren Einkünften aus diesem Kapitalvermögen (ausführlich BFH-Urteil vom 27.6.989 VIII R 30/88, BStBl II 1989, 934). Sparbeiträge zur Ansammlung des Geldkapitals oder andere Aufwendungen zum Erwerb einer Kapitalanlage bleiben als Anschaffungskosten ebenso wie eine Wertveränderung der Kapitalanlage bei der Einkommensbesteuerung außen vor. Vergleichbares gilt im Bereich der Alterseinkünfte im Hinblick auf die Einkunftsquelle „Anwartschaftsrecht“.
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Dementsprechend sind auch Arbeitnehmerbeiträge zu einer Rentenversicherung keine nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG abziehbaren, vorab entstandenen Werbungskosten zur Erlangung späterer sonstiger Einkünfte nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a EStG. Denn Leibrenten, darunter auch Renten der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der kapitalgedeckten Altersversorgung, setzen sich aus einem Kapitalanteil und einem Zinsanteil zusammen. Der gesetzlich Versicherte etwa erwirbt einen Anspruch gegen die Versichertengemeinschaft, nach Erreichen der Altersgrenze versorgt zu werden. Dieser Anspruch stellt bei ihm einen Vermögenswert dar.
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Der Erwerb einer Rentenanwartschaft durch Aufwendung und Ansammlung von Vermögen ist in steuerrechtlicher Hinsicht dem vorgenannten Ansparvorgang im Bereich des Kapitalvermögens gleichzusetzen, weil der gemäß § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a EStG steuerbare Ertragsanteil nach seiner Rechtsnatur den (pauschalierten) Kapitalertrag eines Vermögensanspruchs darstellt. Der Vorgang des Kapitalansparens erlangt einkommensteuerliche Bedeutung nicht dadurch, dass die zusammenhängenden Zahlungen im weitesten Sinne durch die späteren Kapital- oder Renteneinkünfte „veranlasst“ sind. Die Anschaffung einer Rentenanwartschaft führt nicht zu Werbungskosten. Die in den Rentenbezügen enthaltene Rückzahlung von Kapital ist jedenfalls noch im Streitjahr auch keine steuerbare Einnahme, so dass alle Beiträge und anderen Zahlungen eines Versicherten, die wirtschaftlich auf den Erwerb oder die Erhaltung eines Rentenrechts gerichtet sind, erstmalige oder nachträgliche Anschaffungskosten zur Begründung seiner Versorgungsanwartschaft darstellen (so BFH, Urteile vom 7.2.1990 X R 204/87, BFH/NV 1990, 62; vom 29.7.1986 IX R 206/84, BStBl II 1986, 747; vgl. auch Stuhrmann in: Blümich, EStG § 22 Rz. 153).
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2.
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Im Streitfall handelt es sich bei dem geltend gemachten Betrag um solche (nachträglichen) Anschaffungskosten für die Versorgungsanwartschaft, die weder als sofort abziehbare, vorweggenommene Werbungskosten noch - mangels Abnutzbarkeit des erhaltenen Rentenanrechts - im Wege der Absetzung für Abnutzung steuermindernde Berücksichtigung finden können.
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Während man im Hinblick auf die Abfindungszahlung den nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG erforderlichen „ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang“ mit späteren Renteneinnahmen des Klägers noch annehmen könnte, scheitert der sofortige Werbungskostenabzug jedenfalls daran, dass es sich bei der Abfindung für den Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs um einen Erwerbsvorgang handelt. Dieser spielt sich auf der privaten Vermögensebene und nicht auf der Einkunftsebene ab.
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Aus der Versicherung bei dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte NRW werden dem Kläger im Versorgungsfall sonstige Einkünfte i.S.v. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a EStG zufließen. Es handelt sich nach eigenen Angaben des Klägers um eine kapitalgedeckte Altersversorgung, aus der ihm bereits während der Erwerbsphase ein der Höhe nach feststehender, jederzeit bewertbarer Anspruch unmittelbar zuzurechnen ist.
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Für die Durchführung des Versorgungsausgleichs zwischen geschiedenen Eheleuten galten im Streitjahr, vor der gesetzlichen Neuregelung des Versorgungsausgleichs im VersAusglG (BGBl I 2009, 700, mit Wirkung ab dem 01.09.2009), noch die Regelungen des VAHRG und der §§ 1587 ff. BGB a.F. Ohne die vorliegend getroffene notarielle Vereinbarung, also bei Durchführung des Versorgungsausgleiches entsprechend der gesetzlichen Vorgabe, wäre im Hinblick auf die gegenüber der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründeten Rentenanwartschaften des Klägers nach § 1587a Abs. 2 Nr. 4, § 1587b BGB a.F. i.V.m. § 1 Abs. 1, 3 VAHRG das sog. Quasi-Splitting durchzuführen gewesen (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 21.11.1991 6 UF 144/90 VA, FamRZ 1992, 449). Zugunsten der berechtigten Ex-Ehefrau des Klägers hätten Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zulasten des versorgungsausgleichsverpflichteten Klägers aus Mitteln seines Versorgungsträgers begründet werden müssen (vgl. Weber-Grellet in: Schmidt EStG 2007, 26. Aufl., § 22 Rz. 117).
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Damit hätte die Durchführung des Versorgungsausgleichs im Streitfall zu einer Kürzung der Anwartschaft des Klägers gegenüber dem Versorgungswerk geführt. Insoweit diente die Vereinbarung der Ausgleichszahlung nach § 1587o BGB a.F. dazu, den teilweisen Entzug des dem Kläger zustehenden Anwartschaftsrechtes (86,17 € bezogen auf die monatliche Anwartschaft) zu verhindern und ihm den bereits erworbenen Vermögensgegenstand „Rentenrecht“ ungekürzt zu erhalten. Sie erfolgte damit als (nachträglicher) Erwerbsvorgang in der der Einkunftsebene vorgelagerten Sphäre des Privatvermögens.
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Die Zahlung an die geschiedene Ehefrau war zwar nicht auf eine erstmalige Begründung der Anwartschaft gerichtet, sondern auf deren „Behaltendürfen“; damit diente sie aber im Ergebnis dem Zweck, die der ausgleichsberechtigten Ehefrau zustehende Beteiligung an dem Rentenrecht zu unterbinden und damit einen noch nicht dinglich, aber zumindest wirtschaftlich dem anderen Ehegatten zustehenden Anteil an der Anwartschaft zu erlangen (vgl. BFH, Urteil vom 5.5.1993 X R 128/90 BStBl II 1993, 867). Dieser Erwerbsvorgang durch Hingabe von Vermögen ist vergleichbar einem erstmaligen Erwerb eines Rentenstammrechtes oder einem Ansparvorgang bei der Ansammlung von Kapitalvermögen, da in den späteren Rentenzahlungen zugleich auch eine Rückzahlung des hingegebenen Kapitals zu sehen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 6.3.2006 X B 5/05, BFH/NV 2006, 1091, Urteil vom 7.2.1990 X R 204/87, BFH/NV 1990, 762; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2002, 10 K 288/96, EFG 2003, 1611; Steger/Venturelli, INF 2006, 938, 941).
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Aus den BFH-Urteilen VI R 33/08 vom 17.6.2010 sowie IX R 107/00 vom 8.3.2006, auf die der Kläger sich beruft, kann er nichts anderes zu seinen Gunsten ableiten. In diesen Entscheidungen hat der BFH den sofortigen Werbungskostenabzug für Ausgleichszahlungen an den geschiedenen Ehegatten zur Erhaltung ungekürzter beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge zugelassen. Zu diesem Ergebnis konnte der BFH jedoch nur gelangen aufgrund der Besonderheiten der Beamtenversorgung, die er unter Hinweis auf die systematischen Unterschiede zu der gesetzlichen Altersvorsorge in der Entscheidung IX R 107/00 auch herausgestellt hat: Der Beamte wendet für seine Altersversorgung aus seinem Vermögen nichts auf, und für ihn werden keine Versicherungsbeiträge abgeführt, sondern der Dienstherr zahlt entsprechend geringere Bezüge an ihn aus. Ein rechtlich geschütztes Anwartschaftsrecht des Beamten auf Versorgung entsteht außerhalb der einkommensteuerrechtlichen Zurechnungssphäre und vermittelt somit anders als bei der kapitalgedeckten Altersversorgung nicht schon während der Erwerbsphase, sondern erst nach deren Abschluss eine geldwerte Rechtsposition. Eine Umschichtung von (gedachten) Beiträgen des Beamten während der aktiven Tätigkeit in spätere Versorgungsbezüge als Pensionär findet daher faktisch nicht, sondern allenfalls theoretisch innerhalb des öffentlichen Haushalts des Dienstherren statt (vgl. Steger/Venturelli, INF 2006, 938, 940). Das hat zur Folge, dass auch mit den späteren Pensionszahlungen kein eigenes, zunächst als Beitrag eingezahltes Kapital an den Beamten zurückgezahlt wird. Es kommt weder während der Erwerbsphase noch in der Auszahlungsphase der Pension zu einem bloßen Vermögenstausch i.S.v. „Kapital gegen Anwartschaftsrecht“. Selbst wenn der Beamte also im Rahmen einer Ehescheidung Aufwendungen tätigt, um sich die volle Pension zu sichern - etwa durch Auffüllungszahlungen an den Dienstherren nach Durchführung eines Versorgungsausgleichs oder durch Abfindungszahlungen an den Ex-Partner zur Abwendung einer solchen -, erwirbt er keinen ihm zurechenbaren Vermögensgegenstand i.S. einer Kapitalforderung, die auch bereits seiner Verfügung unterliegen würde. Darin unterscheidet sich die Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen maßgeblich von der durch eigene Beitragsleistungen erworbenen und dem Versicherten bereits während der Ansparphase direkt zuzurechnenden Rentenanwartschaft.
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Anschaffungskosten für ein Rentenanwartschaftsrecht können folglich bei dem Beamten nicht entstehen, so dass sich bei diesem eine Zahlung zur Abwendung einer erst im Alter spürbaren Bezügekürzung unmittelbar auf der Einkünfteebene und nicht auf der steuerlich unbeachtlichen privaten Vermögensebene abspielt.
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3.
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In dieser unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Aufwendungen zur Erhaltung ungekürzter Altersrenten einerseits und Zahlungen zur Abwendung von Pensionskürzungen andererseits liegt auch kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Dieses Gebot ist nur dann verletzt, wenn eine Ungleichbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Vorliegend ist diese Ungleichbehandlung jedoch der Ausgestaltung der verschiedenen Versorgungssysteme geschuldet, die nur vordergründig und insoweit vergleichbar sind, als sie Bezüge im Alter nach Ende der Erwerbstätigkeit gewähren. Die Differenzierung zwischen Beitrags- und Ausgleichszahlungen zum Erhalt ungekürzter Renteneinnahmen i.S.d. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a EStG und Aufwendungen zur Sicherung einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen trägt den oben unter 2. dargestellten rechtlichen und wirtschaftlichen Hintergründen der verschiedenen Versorgungsarten Rechnung. Es ist sachlich gerechtfertigt, Aufwendungen, die zur Ansparung von Kapital oder zum Erwerb eines Rentenanwartschaftsrechtes, also zum Erwerb einer geldwerten Rechtsposition gemacht werden, anders zu behandeln als Aufwendungen, die ebenfalls im Hinblick auf spätere Einkünfte getätigt werden, jedoch nicht Gegenleistung für den Erhalt eines privaten Vermögensgegenstandes sind. Die steuermindernde Berücksichtigung von im Rahmen eines Vermögenstauschs hingegebenen Werten ist auch nach dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht geboten.
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Auch vor dem Hintergrund der durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) mit Wirkung ab 2005 überarbeiteten steuerlichen Behandlung der Alterseinkünfte ist eine Gleichbehandlung mit Ausgleichszahlungen zur Erhaltung beamtenrechtlicher Pensionsansprüche nicht geboten. Zwar sollte durch das AltEinkG die Besteuerung aller bestehenden Altersversorgungssysteme nach dem Konzept der nachgelagerten Besteuerung aufeinander abgestimmt und eine gleichheitsgerechte Besteuerung der Altersbezüge erreicht werden (BFH-Urteil vom 04.02.2010 X R 52/08, BFH/NV 2010, 1253).
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Die Angleichung der steuerlichen Folgen von Alterseinkünften in der Nacherwerbsphase berührt aber nicht die grundsätzlichen Unterschiede in den Wesensmerkmalen und der rechtlichen und wirtschaftlichen Ausgestaltung der vorhandenen Versorgungsmethoden. Diese systemimmanenten Ungleichheiten - Erwerb Rentenstammrecht gegenüber erst bei Pensionierung entstehender geldwerter Rechtsposition - sind bei der Subsumtion unter steuerliche Vorschriften zu beachten und führen unter anderem dazu, dass Rentenversicherungsbeiträge auch im zeitlichen Geltungsbereich des AltEinkG keine vorweggenommenen, sofort abziehbaren Werbungskosten sind (vgl. nur BFH, Beschluss vom 1.2.2006 X B 166/05, BStBl II 2006, 420, m.w.N.; Steger/Venturelli, INF 2006, 938, 941).
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II.
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Eine Berücksichtigung der Ausgleichszahlung als vorweggenommene Werbungskosten im Zusammenhang mit den Einkünften i.S.v. § 19 EStG scheidet ebenfalls aus.
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Eine solche könnte man in Betracht ziehen, soweit die Ausgleichszahlung zumindest abstrakt im Zusammenhang steht mit der Betriebsrente des Klägers, weil dem Kläger hieraus im Alter Versorgungsbezüge i.S.v § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG zufließen werden.
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Allerdings diente vorliegend die Abfindungszahlung nicht der Erhaltung der späteren Einnahmen, nämlich dazu, eine Verringerung der dem Kläger zufließenden Versorgungsbezüge zu verhindern. Denn dem Kläger würde ohne die notarielle Verzichtsvereinbarung, also bei Durchführung des Versorgungsausgleichs nach der gesetzlichen Vorgabe, die Betriebsrente in ungekürzter Höhe ausgezahlt werden, da der Träger der betrieblichen Altersversorgung des Klägers eine Realteilung seiner Versorgungsanrechte nicht zulässt. Folglich wäre im Hinblick auf die Betriebsrente des Klägers der Versorgungsausgleich schuldrechtlich gem. § 1587a Abs. 2 Nr. 3, § 1587b Abs. 3 BGB a.F. i.V.m. § 1 Abs. 2, § 2 VAHRG durchzuführen gewesen. Dies wäre nicht wie bei der Realteilung (sog. Rentensplitting oder dinglicher Versorgungsausgleich) durch Begründung von Anwartschaften für die Ehefrau zu Lasten des Klägers, also durch Kürzung der Versorgungsanrechte, erfolgt. Vielmehr hätte der Kläger nach Eintritt des Versorgungsfalles die ihm zunächst in voller Höhe zustehenden Bezüge mit seiner geschiedenen Ehefrau zu teilen gehabt, beispielsweise durch Weiterleitung oder Abtretung. Allein ihm wären die Versorgungsbezüge steuerlich zuzurechnen, nur er würde Einkünfte i.S.v. § 19 Abs. 2 EStG erzielen, so dass sich die gebotene Weiterleitung eines Teils der Bezüge an die Ex-Ehefrau als ein Vorgang der Einkommensverwendung darstellen würde. Folglich betrifft auch die Abfindungszahlung für den Verzicht auf einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht die Ebene der Einkunftserzielung, weil sie nicht dazu dient, eine Verlagerung der eigenen Einkünfte auf eine andere Person zu verhindern, sondern eine spätere, steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung vorwegzunehmen. (Vgl. nur BFH-Urteile vom 22.8.2012 X R 36/09, BStBl II 2014, 109, und vom 15.6.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807.)
69
III.
70
Schließlich scheidet auch ein – ggf. teilweiser – Abzug der Ausgleichszahlung als Sonderausgaben schon dem Grunde nach aus.
71
§ 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG ist bereits wegen seiner Anwendbarkeit erst ab 2008 im Streitfall nicht einschlägig.
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Insbesondere handelt es sich bei der Zahlung zum Erhalt der Anwartschaft des Klägers gegenüber dem Versorgungswerk auch nicht um Vorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG, die im Rahmen der Höchstbeträge nach § 10 Abs. 3, 4 EStG zu berücksichtigen wären. Denn diese Vorschriften enthalten eine abschließende Aufzählung der abziehbaren Aufwendungen und lassen nur Beiträge an Versorgungsträger zum Sonderausgabenabzug zu. Um solche handelt es sich bei der Abfindungszahlung jedoch nicht. Der Kläger leistet keine – weder freiwillig noch aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung – Beitragszahlungen oder Auffüllungszahlungen an einen Versorgungsträger.
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Für eine Abzugsfähigkeit der Abfindungszahlung als Sonderausgaben ist keine spezielle gesetzliche Regelungsgrundlage ersichtlich (vgl. auch Söhn in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 10 Rz. D382).
74
IV.
75
Die Revision wird zugelassen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen,
76
- ob steuerlich eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung mit Beamten eintritt angesichts der sich aus den unterschiedlichen Versorgungssystemen ergebenden steuerlichen Folgen, und
77
- ob vor dem Hintergrund des AltEinkG die Einordnung von Altersbezügen i.S.v. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a EStG als teilweise Kapitalrückzahlung noch gerechtfertigt ist.
78
V.
79
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.