09.08.2022 · IWW-Abrufnummer 230671
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 30.03.2022 – 16 K 2083/20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg
In dem Rechtsstreit
der Frau A...,
des Herrn B...,
Kläger,
bevollmächtigt:
gegen
das Finanzamt,
Beklagter,
den Richter am Finanzgericht ...,
den Richter ...,
den ehrenamtlichen Richter Herr ... sowie
die ehrenamtliche Richterin Frau ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte kürzte bei der Festsetzung der Einkommensteuer die in Höhe von 3.575 € geltend gemachten Fortbildungskosten der Klägerin um die seiner Meinung nach gemäß § 3 Nr. 44 Einkommensteuergesetz - EStG - steuerfreien Zahlungen des Landes Berlin in Höhe von 1.500 €. Im Einspruchsverfahren brachten die Kläger vor, dass die Werbungskosten der Klägerin nicht um die Stipendienzahlungen zu kürzen seien, da der Zweck des Stipendiums nicht die Abgeltung von Kosten für Arbeitsmittel, Fahrtkosten oder Ähnliches sei, sondern die ausschließliche oder teilweise Deckung des Lebensunterhaltes. In seiner Einspruchsentscheidung stellte der Beklagte darauf ab, dass zwischen einem nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei gewahrten Stipendium für Studienzwecke und den im Zusammenhang mit dem Stipendium entstehenden Mehraufwendungen regelmäßig ein unmittelbarer Zusammenhang i.S.d § 3 c EStG bestehe. Dies habe zur Folge, dass in Höhe der steuerfreien Einnahmen durch § 3 c Absatz 1 EStG die Nichtbelastung des Steuerpflichtigen durch seine entsprechenden Ausgaben ausgeglichen werde. Dementsprechend müsse die von der Klägerin ermittelten Fortbildungskosten um das steuerfrei gewährte Stipendium gekürzt werden.
Mit ihrer Klage bringen die Kläger vor, dass mit Schreiben vom 17. April 2020 das Finanzamt D... in Berlin bestätigt habe, dass es sich bei dem Stipendium um ein Stipendium zur Förderung der wissenschaftlichen Aus- und Fortbildung handele, welches die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 44 EStG erfülle. Die Zahlungen für das Stipendium seien nicht von den Werbungskosten abzuziehen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass Werbungskosten für eine Zweitausbildung durch ein Stipendium nicht automatisch gemindert würden. Vielmehr dürfe die Finanzverwaltung nur denjenigen Anteil anrechnen, der zur Deckung der laufenden Bildungskosten gedacht sei, nicht jedoch denjenigen Anteil, der für die Lebenshaltung bestimmt sei (vgl. FG Köln, Urteil vom 15. November 2018, Az. 1 K 1246/16). Hierbei sei danach zu entscheiden, welches Ziel das betreffende Stipendium verfolge. Soweit das Stipendium die laufenden Lebenshaltungskosten decke und somit den während des Studiums nötigen Verzicht auf das bisherige Einkommen ausgleichen solle, dürfe es nicht auf die Werbungskosten angerechnet werden. Anderes könne nur für solche in dem Stipendium enthaltenen Mittel gelten, die der Deckung laufender Bildungsausgaben dienten. Diese könnten auf die geltend gemachten Werbungskosten angerechnet werden. Der Beklagte habe unter Verstoß gegen den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 88 AO) nicht darlegt, dass die Zahlungen ausschließlich dazu hätten dienen sollen, die durch das Studium verursachten Bildungskosten (z.B. Kosten für Arbeitsmittel, Bücher u. ä.) abzudecken und dass somit der von der Beklagten zugrunde gelegte unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Werbungskosten und den steuerfreien Einnahmen in Gestalt des Stipendiums bestehe. Die Ausgestaltung des Stipendiums und seine Umstände wiesen vielmehr in die Richtung, dass die betreffenden Zahlungen dazu dienen sollen, den Lebensunterhalt der Stipendiaten zu decken. Das vorliegende Stipendium sei ein "Berliner Lehramt-Stipendium" (BerLeS) der Senatsverwaltung C.... Die Stipendien-Datenbank des Bundesministeriums für Bildung und Forschung weise zu diesem Stipendium lediglich die Förderungskategorie "Allgemeine Förderung (Lebenshaltungskosten)" aus. Danach solle das Stipendium ausschließlich der Deckung des Lebensunterhalts dienen. Die Kläger berufen sich insoweit auf einen Auszug aus der Stipendiendatenbank des BMBF. Ihr Stipendienvertrag gebe selbst keinen Verwendungszweck für die Geldleistungen vor. Gemäß der Präambel solle ganz allgemein eine "finanzielle Unterstützung während des lehramtsbezogenen Masterstudiums" gewährt werden (beachte: nicht "zum" Studium, sondern "während" des Studiums). Auch die einschlägige "Richtlinie zur Vergabe von Stipendien für Studierende eines für den Quereinstieg in den Beruf der Lehrkraft konzipierten Studiengangs" enthalte keine inhaltliche Vorgabe zu den Geldleistungen. In Ziff. 1 der Richtlinie ("Zielsetzung") gehe es in erster Linie darum, hoch qualifizierte Fachkräfte für einen bestimmten Berufszweig zu gewinnen und die Interessenten durch entsprechende Anreize an sich zu binden. Das Stipendium richte sich ausschließlich an Absolventen, die für bestimmte Aufbaustudiengänge gewonnen werden sollen (vgl. Präambel des Stipendienvertrages). Dies impliziere, dass die Bewerber bereits einen Studienabschluss besäßen und grundsätzlich bereits berufstätig sein könnten. In dieser Situation auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten und stattdessen ein weiteres Studium zu absolvieren, verlange von den Bewerbern in finanzieller Hinsicht vor allem den Verzicht auf ein mögliches eigenes Einkommen. Dies unterscheide das Stipendium von entsprechenden Zuwendungen an Studenten in Erststudiengängen. Damit bestehe der Charakter der hier gewährten Förderung weniger in der Deckung konkreter Bildungsaufwendungen als vielmehr in dem Ausgleich für den Verzicht auf eigenes Einkommen. Der Aspekt der allgemeinen Abdeckung der Lebenshaltungskosten stehe im Vordergrund. Im Ergebnis stellten die Zahlungen für das Stipendium auf ihrer Seite Zuschüsse zur Deckung des Lebensunterhalts dar. Damit waren die betreffenden Beträge nicht gemäß § 3 c Abs. EStG von den Werbungskosten abzuziehen.
Es komme für die Bewertung der Anrechenbarkeit von Stipendien gerade darauf an, welches Ziel das betreffende Stipendium verfolge. Soweit das Stipendium die laufenden Lebenshaltungskosten decken und somit den während des Studiums nötigen Verzicht auf das bisherige Einkommen ausgleichen solle, dürfe es nicht auf die Werbungskosten angerechnet werden. Etwas Anderes könne nur für solche in dem Stipendium enthaltenen Mittel gelten, die der Deckung laufender Bildungsausgaben dienten. Werbungskosten für eine Zweitausbildung würden damit durch ein Stipendium nicht automatisch gemindert. Sei hiernach die Entscheidung gefallen, welches Ziel das Stipendium im konkreten Fall habe, so sei es anschließend unerheblich, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe auch abzugsfähige Kosten für Bildungsaufwendungen anfielen. Dass vorliegend gewährte Stipendium hätte zur Deckung des Lebensunterhaltes dienen sollen. Damit habe das Stipendium die Werbungskosten von vornherein nicht mindern können.
Mit Schriftsatz vom 06.12.2021 bringen die Kläger erneut vor, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen im Sinne von § 3c Abs. 1 EStG, durch welchen die Abzugsfähigkeit von Werbungskosten begrenzt werde, nicht gegeben sei. Das Stipendium sei ein Ausgleich für einen sonst möglichen Verdienst.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 01.11.2019 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 10. März 2020 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von 1.500,00 € anerkannt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt schriftsätzlich vor, dass die Klägerin Fortbildungskosten in Höhe von insgesamt 3.575 € geltend gemacht habe. Davon seien 1.307 € direkte Aufwendung zu Deckung laufender Bildungsausgaben (Semesterticket, Studiengebühren, Arbeitsmaterial und Fachliteratur). Die in 2018 erhaltenen Stipendienzahlungen i.H.v. 1.500 € deckten damit die ansonsten von ihr nicht finanzierbaren und durch das Studium verursachten Ausgaben für die entsprechenden Aufwendungen ab, mithin verbleibe ein Anteil i.H.v. 193 €, der für ihre allgemeine Lebensführung zur Verfügung gestanden habe. Insofern sei im vorliegenden Falle, in dem der Stipendienvertrag der Klägerin selbst keinen Verwendungszweck für die Geldleistungen vorgebe, die allgemeine Absicht, den Lebensunterhalt der Stipendiaten zu decken, überdeckt durch die tatsächlich erforderliche Verwendung der Zahlung für die Bestreitung der Studienaufwendungen. Das von der Klägerseite gerügte Versäumnis darzulegen, dass die Zahlungen ausschließlich zur Deckung der Bildungskosten dienten, könne mangels anderer Erkenntnisse nur dadurch geheilt werden, dass die zur Abdeckung der durch das Studium unmittelbar verursachten Bildungskosten i.H.v. 1.307 € nunmehr anteilig die Werbungskosten minderten. Dementsprechend käme eine Erhöhung des Werbungskostenabzugs bei der Klägerin um 193 € in Betracht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
In Höhe von 1.307 € hat der Beklagte den Werbungskostenabzug zu Recht verneint, weil die Klägerin aufgrund des erhaltenen Stipendiums wirtschaftlich in dieser Höhe nicht belastet ist.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen sind Ausgaben, die in Geld oder Geldeswert bestehen und aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen abfließen. Da die Einkommensteuer an die persönliche Leistungsfähigkeit anknüpft, kann nach dem Kostenprinzip als Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips Werbungskosten grundsätzlich nur derjenige abziehen, der die Aufwendungen selbst wirtschaftlich getragen hat. Dies setzt voraus, dass der Steuerpflichtige mit den Aufwendungen wirtschaftlich belastet ist (vgl. FG München, Urteil vom 16. Juni 2020 - 5 K 1936/19 -, juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Vorliegend enthielt das Stipendium nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen keine Zweckrichtung dahingehend, für welche Ausgaben (Studienausgaben oder allgemeine Lebenshaltungskosten) es dienen sollte. Es wurde nach dem von den Klägern als Anl. K4 zu ihrem Klagebegründungsschriftsatz eingereichten Schreiben der Senatsverwaltung C... Berlin nur an Studentinnen und Studenten vergeben, die bereit waren, nach erfolgreichem Abschluss drei Jahre als Lehrkraft in Berlin tätig zu werden (Bl. 30 der Gerichtsakte). Es handelt sich damit nicht um eine freigebige Zuwendung.
Eines Rückgriffs auf die Regelung des § 3c Abs. 1 EStG für die Kürzung des Werbungskostenabzugs bedarf es nicht, soweit dem Steuerpflichtigen wegen der Kosten seines Studiums bereits kein Aufwand entstanden ist. Dem Abzug der Stipendienleistungen von den geltend gemachten Kosten steht auch nicht entgegen, dass in diesem Falle die Norm des § 3c Abs. 1 EStG obsolet wäre. Das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG bestätigt lediglich einen von der Rechtsprechung herausgearbeiteten allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach neben der Steuerbefreiung einer Einnahme nicht noch ein Abzug von in Zusammenhang mit dieser Einnahme stehenden Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten von anderen steuerpflichtigen Einkünften möglich sein soll (vgl. Bundesfinanzhof -BFH-Urteil vom 6.7.2005 XI R 61/04, BStBl II 2006, 163). Davon ist jedoch der Fall zu unterscheiden, dass eine Ausgabe den Steuerpflichtigen wirtschaftlich gar nicht belastet, weil die Ausgabe durch eine Stipendienleistung abgegolten wird (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 14.11.2000 VI R 128/00, BStBl II 2001, 495 unter 2 a) der Entscheidungsgründe). Abgesehen davon müsste der der Regelung des § 3c Abs. 1 EStG zugrundeliegende Rechtsgedanke letztlich auch Geltung für nicht steuerbare Einnahmen haben. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb ein Abzug von mit einer nicht steuerbaren Einnahme in Zusammenhang stehenden Werbungskosten von anderen steuerpflichtigen Einkünften möglich sein soll, nicht aber der Abzug von mit einer lediglich steuerfreien Einnahme in Zusammenhang stehenden Werbungskosten.
Darüber hinaus kann die Klage insgesamt keinen Erfolg haben, weil entgegen der Auffassung beider Beteiligten § 3 Nr. 44 EStG schon nicht einschlägig ist. Gemäß § 3 Nr. 44 S. 3 EStG ist Voraussetzung für die Steuerfreiheit unter anderem, dass der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist. Dies aber ist genau nach den vorgelegten Stipendienbedingungen der Fall, denn die Klägerin hat sich verpflichtet, nach erfolgreichem Abschluss zunächst das Referendariat in Berlin zu absolvieren und dann noch mindestens drei Jahre als Lehrkraft im Berliner Schuldienst tätig zu werden. Dies beruht letztlich auf der extremen Mangelsituation an ausgebildeten Lehrkräften im Land Berlin, was sogar schon zu der Einstellung letztlich pädagogisch nicht ausgebildeter und damit fachfremder Akademiker durch das Land Berlin geführt hat. Zudem ist auf politischer Ebene beschlossen worden, dass auch das Land Berlin wieder zur Lehrerverbeamtung zurückkehrt, um die Abwanderung in Berlin ausgebildeter Lehrer in andere Bundesländer zu verhindern. Gerade an der durch eine Rückzahlungsklausel gesicherten entsprechenden Bindungswirkung hatte das Land Berlin ein herausgehobenes wirtschaftliches Interesse. Dies wird bestätigt durch die in den Vergaberichtlinien unter "1. Zielsetzung" genannten Ziele.
Die im Streitjahr insgesamt geleisteten 1.500 € sind damit steuerpflichtiger Arbeitslohn für eine zukünftige Tätigkeit bzw. sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG, sodass die Einkommensteuer im Ergebnis jedenfalls nicht unzutreffend festgesetzt ist. Hierauf war der Bevollmächtigte vorsorglich vom Gericht mit Schriftsatz vom 04.11.2021 hingewiesen worden. Anders als im Fall des BFH XI R 33/18 handelt es sich vorliegend auch nicht um eine Einmalzahlung an einen zukünftigen Mediziner, der sich lediglich dazu verpflichtete für eine bestimmte Zeit seine Niederlassung in einer bestimmten Region zu nehmen, sondern für die Klägerin bestand die Verpflichtung zunächst das Referendariat und anschließend drei Jahre im Schuldienst des Landes Berlin tätig zu sein. Dies ist eine konkrete Verpflichtung und es handelt sich damit letztlich um einen gegenseitigen Vertrag.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Die Revision war im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache, aber auch in Abgrenzung zu dem Urteil des BFH IX R 33/18 zuzulassen.
Urteil vom 30.03.2022
In dem Rechtsstreit
der Frau A...,
des Herrn B...,
Kläger,
bevollmächtigt:
gegen
das Finanzamt,
Beklagter,
wegen Einkommensteuer 2018
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 16. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. März 2022 durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,den Richter am Finanzgericht ...,
den Richter ...,
den ehrenamtlichen Richter Herr ... sowie
die ehrenamtliche Richterin Frau ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die vom Beklagten vorgenommene Kürzung der Werbungskosten der Klägerin bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin erhielt während ihres Masterstudiums ab dem dritten Semester aufgrund einer Vereinbarung mit der Senatsverwaltung C... des Landes Berlin ein Lehramtsstipendium i.H.v. von 500 € monatlich und damit im Streitjahr 1.500 €. Nach den vorliegenden Stipendienbedingungen verpflichtete sich die Klägerin, nach erfolgreichem Abschluss drei Jahre als Lehrkraft in Berlin tätig zu werden, anderenfalls das Stipendium zurückgefordert werden kann. Wegen der Einzelheiten wird auf den Stipendienvertrag und die Vergaberichtlinien (FG-A Bl. 32 - 41) verwiesen.
Der Beklagte kürzte bei der Festsetzung der Einkommensteuer die in Höhe von 3.575 € geltend gemachten Fortbildungskosten der Klägerin um die seiner Meinung nach gemäß § 3 Nr. 44 Einkommensteuergesetz - EStG - steuerfreien Zahlungen des Landes Berlin in Höhe von 1.500 €. Im Einspruchsverfahren brachten die Kläger vor, dass die Werbungskosten der Klägerin nicht um die Stipendienzahlungen zu kürzen seien, da der Zweck des Stipendiums nicht die Abgeltung von Kosten für Arbeitsmittel, Fahrtkosten oder Ähnliches sei, sondern die ausschließliche oder teilweise Deckung des Lebensunterhaltes. In seiner Einspruchsentscheidung stellte der Beklagte darauf ab, dass zwischen einem nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei gewahrten Stipendium für Studienzwecke und den im Zusammenhang mit dem Stipendium entstehenden Mehraufwendungen regelmäßig ein unmittelbarer Zusammenhang i.S.d § 3 c EStG bestehe. Dies habe zur Folge, dass in Höhe der steuerfreien Einnahmen durch § 3 c Absatz 1 EStG die Nichtbelastung des Steuerpflichtigen durch seine entsprechenden Ausgaben ausgeglichen werde. Dementsprechend müsse die von der Klägerin ermittelten Fortbildungskosten um das steuerfrei gewährte Stipendium gekürzt werden.
Mit ihrer Klage bringen die Kläger vor, dass mit Schreiben vom 17. April 2020 das Finanzamt D... in Berlin bestätigt habe, dass es sich bei dem Stipendium um ein Stipendium zur Förderung der wissenschaftlichen Aus- und Fortbildung handele, welches die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 44 EStG erfülle. Die Zahlungen für das Stipendium seien nicht von den Werbungskosten abzuziehen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass Werbungskosten für eine Zweitausbildung durch ein Stipendium nicht automatisch gemindert würden. Vielmehr dürfe die Finanzverwaltung nur denjenigen Anteil anrechnen, der zur Deckung der laufenden Bildungskosten gedacht sei, nicht jedoch denjenigen Anteil, der für die Lebenshaltung bestimmt sei (vgl. FG Köln, Urteil vom 15. November 2018, Az. 1 K 1246/16). Hierbei sei danach zu entscheiden, welches Ziel das betreffende Stipendium verfolge. Soweit das Stipendium die laufenden Lebenshaltungskosten decke und somit den während des Studiums nötigen Verzicht auf das bisherige Einkommen ausgleichen solle, dürfe es nicht auf die Werbungskosten angerechnet werden. Anderes könne nur für solche in dem Stipendium enthaltenen Mittel gelten, die der Deckung laufender Bildungsausgaben dienten. Diese könnten auf die geltend gemachten Werbungskosten angerechnet werden. Der Beklagte habe unter Verstoß gegen den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 88 AO) nicht darlegt, dass die Zahlungen ausschließlich dazu hätten dienen sollen, die durch das Studium verursachten Bildungskosten (z.B. Kosten für Arbeitsmittel, Bücher u. ä.) abzudecken und dass somit der von der Beklagten zugrunde gelegte unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Werbungskosten und den steuerfreien Einnahmen in Gestalt des Stipendiums bestehe. Die Ausgestaltung des Stipendiums und seine Umstände wiesen vielmehr in die Richtung, dass die betreffenden Zahlungen dazu dienen sollen, den Lebensunterhalt der Stipendiaten zu decken. Das vorliegende Stipendium sei ein "Berliner Lehramt-Stipendium" (BerLeS) der Senatsverwaltung C.... Die Stipendien-Datenbank des Bundesministeriums für Bildung und Forschung weise zu diesem Stipendium lediglich die Förderungskategorie "Allgemeine Förderung (Lebenshaltungskosten)" aus. Danach solle das Stipendium ausschließlich der Deckung des Lebensunterhalts dienen. Die Kläger berufen sich insoweit auf einen Auszug aus der Stipendiendatenbank des BMBF. Ihr Stipendienvertrag gebe selbst keinen Verwendungszweck für die Geldleistungen vor. Gemäß der Präambel solle ganz allgemein eine "finanzielle Unterstützung während des lehramtsbezogenen Masterstudiums" gewährt werden (beachte: nicht "zum" Studium, sondern "während" des Studiums). Auch die einschlägige "Richtlinie zur Vergabe von Stipendien für Studierende eines für den Quereinstieg in den Beruf der Lehrkraft konzipierten Studiengangs" enthalte keine inhaltliche Vorgabe zu den Geldleistungen. In Ziff. 1 der Richtlinie ("Zielsetzung") gehe es in erster Linie darum, hoch qualifizierte Fachkräfte für einen bestimmten Berufszweig zu gewinnen und die Interessenten durch entsprechende Anreize an sich zu binden. Das Stipendium richte sich ausschließlich an Absolventen, die für bestimmte Aufbaustudiengänge gewonnen werden sollen (vgl. Präambel des Stipendienvertrages). Dies impliziere, dass die Bewerber bereits einen Studienabschluss besäßen und grundsätzlich bereits berufstätig sein könnten. In dieser Situation auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten und stattdessen ein weiteres Studium zu absolvieren, verlange von den Bewerbern in finanzieller Hinsicht vor allem den Verzicht auf ein mögliches eigenes Einkommen. Dies unterscheide das Stipendium von entsprechenden Zuwendungen an Studenten in Erststudiengängen. Damit bestehe der Charakter der hier gewährten Förderung weniger in der Deckung konkreter Bildungsaufwendungen als vielmehr in dem Ausgleich für den Verzicht auf eigenes Einkommen. Der Aspekt der allgemeinen Abdeckung der Lebenshaltungskosten stehe im Vordergrund. Im Ergebnis stellten die Zahlungen für das Stipendium auf ihrer Seite Zuschüsse zur Deckung des Lebensunterhalts dar. Damit waren die betreffenden Beträge nicht gemäß § 3 c Abs. EStG von den Werbungskosten abzuziehen.
Es komme für die Bewertung der Anrechenbarkeit von Stipendien gerade darauf an, welches Ziel das betreffende Stipendium verfolge. Soweit das Stipendium die laufenden Lebenshaltungskosten decken und somit den während des Studiums nötigen Verzicht auf das bisherige Einkommen ausgleichen solle, dürfe es nicht auf die Werbungskosten angerechnet werden. Etwas Anderes könne nur für solche in dem Stipendium enthaltenen Mittel gelten, die der Deckung laufender Bildungsausgaben dienten. Werbungskosten für eine Zweitausbildung würden damit durch ein Stipendium nicht automatisch gemindert. Sei hiernach die Entscheidung gefallen, welches Ziel das Stipendium im konkreten Fall habe, so sei es anschließend unerheblich, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe auch abzugsfähige Kosten für Bildungsaufwendungen anfielen. Dass vorliegend gewährte Stipendium hätte zur Deckung des Lebensunterhaltes dienen sollen. Damit habe das Stipendium die Werbungskosten von vornherein nicht mindern können.
Mit Schriftsatz vom 06.12.2021 bringen die Kläger erneut vor, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen im Sinne von § 3c Abs. 1 EStG, durch welchen die Abzugsfähigkeit von Werbungskosten begrenzt werde, nicht gegeben sei. Das Stipendium sei ein Ausgleich für einen sonst möglichen Verdienst.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 01.11.2019 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 10. März 2020 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von 1.500,00 € anerkannt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt schriftsätzlich vor, dass die Klägerin Fortbildungskosten in Höhe von insgesamt 3.575 € geltend gemacht habe. Davon seien 1.307 € direkte Aufwendung zu Deckung laufender Bildungsausgaben (Semesterticket, Studiengebühren, Arbeitsmaterial und Fachliteratur). Die in 2018 erhaltenen Stipendienzahlungen i.H.v. 1.500 € deckten damit die ansonsten von ihr nicht finanzierbaren und durch das Studium verursachten Ausgaben für die entsprechenden Aufwendungen ab, mithin verbleibe ein Anteil i.H.v. 193 €, der für ihre allgemeine Lebensführung zur Verfügung gestanden habe. Insofern sei im vorliegenden Falle, in dem der Stipendienvertrag der Klägerin selbst keinen Verwendungszweck für die Geldleistungen vorgebe, die allgemeine Absicht, den Lebensunterhalt der Stipendiaten zu decken, überdeckt durch die tatsächlich erforderliche Verwendung der Zahlung für die Bestreitung der Studienaufwendungen. Das von der Klägerseite gerügte Versäumnis darzulegen, dass die Zahlungen ausschließlich zur Deckung der Bildungskosten dienten, könne mangels anderer Erkenntnisse nur dadurch geheilt werden, dass die zur Abdeckung der durch das Studium unmittelbar verursachten Bildungskosten i.H.v. 1.307 € nunmehr anteilig die Werbungskosten minderten. Dementsprechend käme eine Erhöhung des Werbungskostenabzugs bei der Klägerin um 193 € in Betracht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig und die Kläger sind durch ihn nicht ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.
In Höhe von 1.307 € hat der Beklagte den Werbungskostenabzug zu Recht verneint, weil die Klägerin aufgrund des erhaltenen Stipendiums wirtschaftlich in dieser Höhe nicht belastet ist.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen sind Ausgaben, die in Geld oder Geldeswert bestehen und aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen abfließen. Da die Einkommensteuer an die persönliche Leistungsfähigkeit anknüpft, kann nach dem Kostenprinzip als Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips Werbungskosten grundsätzlich nur derjenige abziehen, der die Aufwendungen selbst wirtschaftlich getragen hat. Dies setzt voraus, dass der Steuerpflichtige mit den Aufwendungen wirtschaftlich belastet ist (vgl. FG München, Urteil vom 16. Juni 2020 - 5 K 1936/19 -, juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Vorliegend enthielt das Stipendium nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen keine Zweckrichtung dahingehend, für welche Ausgaben (Studienausgaben oder allgemeine Lebenshaltungskosten) es dienen sollte. Es wurde nach dem von den Klägern als Anl. K4 zu ihrem Klagebegründungsschriftsatz eingereichten Schreiben der Senatsverwaltung C... Berlin nur an Studentinnen und Studenten vergeben, die bereit waren, nach erfolgreichem Abschluss drei Jahre als Lehrkraft in Berlin tätig zu werden (Bl. 30 der Gerichtsakte). Es handelt sich damit nicht um eine freigebige Zuwendung.
Eines Rückgriffs auf die Regelung des § 3c Abs. 1 EStG für die Kürzung des Werbungskostenabzugs bedarf es nicht, soweit dem Steuerpflichtigen wegen der Kosten seines Studiums bereits kein Aufwand entstanden ist. Dem Abzug der Stipendienleistungen von den geltend gemachten Kosten steht auch nicht entgegen, dass in diesem Falle die Norm des § 3c Abs. 1 EStG obsolet wäre. Das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG bestätigt lediglich einen von der Rechtsprechung herausgearbeiteten allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach neben der Steuerbefreiung einer Einnahme nicht noch ein Abzug von in Zusammenhang mit dieser Einnahme stehenden Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten von anderen steuerpflichtigen Einkünften möglich sein soll (vgl. Bundesfinanzhof -BFH-Urteil vom 6.7.2005 XI R 61/04, BStBl II 2006, 163). Davon ist jedoch der Fall zu unterscheiden, dass eine Ausgabe den Steuerpflichtigen wirtschaftlich gar nicht belastet, weil die Ausgabe durch eine Stipendienleistung abgegolten wird (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 14.11.2000 VI R 128/00, BStBl II 2001, 495 unter 2 a) der Entscheidungsgründe). Abgesehen davon müsste der der Regelung des § 3c Abs. 1 EStG zugrundeliegende Rechtsgedanke letztlich auch Geltung für nicht steuerbare Einnahmen haben. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb ein Abzug von mit einer nicht steuerbaren Einnahme in Zusammenhang stehenden Werbungskosten von anderen steuerpflichtigen Einkünften möglich sein soll, nicht aber der Abzug von mit einer lediglich steuerfreien Einnahme in Zusammenhang stehenden Werbungskosten.
Darüber hinaus kann die Klage insgesamt keinen Erfolg haben, weil entgegen der Auffassung beider Beteiligten § 3 Nr. 44 EStG schon nicht einschlägig ist. Gemäß § 3 Nr. 44 S. 3 EStG ist Voraussetzung für die Steuerfreiheit unter anderem, dass der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist. Dies aber ist genau nach den vorgelegten Stipendienbedingungen der Fall, denn die Klägerin hat sich verpflichtet, nach erfolgreichem Abschluss zunächst das Referendariat in Berlin zu absolvieren und dann noch mindestens drei Jahre als Lehrkraft im Berliner Schuldienst tätig zu werden. Dies beruht letztlich auf der extremen Mangelsituation an ausgebildeten Lehrkräften im Land Berlin, was sogar schon zu der Einstellung letztlich pädagogisch nicht ausgebildeter und damit fachfremder Akademiker durch das Land Berlin geführt hat. Zudem ist auf politischer Ebene beschlossen worden, dass auch das Land Berlin wieder zur Lehrerverbeamtung zurückkehrt, um die Abwanderung in Berlin ausgebildeter Lehrer in andere Bundesländer zu verhindern. Gerade an der durch eine Rückzahlungsklausel gesicherten entsprechenden Bindungswirkung hatte das Land Berlin ein herausgehobenes wirtschaftliches Interesse. Dies wird bestätigt durch die in den Vergaberichtlinien unter "1. Zielsetzung" genannten Ziele.
Die im Streitjahr insgesamt geleisteten 1.500 € sind damit steuerpflichtiger Arbeitslohn für eine zukünftige Tätigkeit bzw. sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG, sodass die Einkommensteuer im Ergebnis jedenfalls nicht unzutreffend festgesetzt ist. Hierauf war der Bevollmächtigte vorsorglich vom Gericht mit Schriftsatz vom 04.11.2021 hingewiesen worden. Anders als im Fall des BFH XI R 33/18 handelt es sich vorliegend auch nicht um eine Einmalzahlung an einen zukünftigen Mediziner, der sich lediglich dazu verpflichtete für eine bestimmte Zeit seine Niederlassung in einer bestimmten Region zu nehmen, sondern für die Klägerin bestand die Verpflichtung zunächst das Referendariat und anschließend drei Jahre im Schuldienst des Landes Berlin tätig zu sein. Dies ist eine konkrete Verpflichtung und es handelt sich damit letztlich um einen gegenseitigen Vertrag.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Die Revision war im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache, aber auch in Abgrenzung zu dem Urteil des BFH IX R 33/18 zuzulassen.
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