12.08.2011
Finanzgericht Baden-Württemberg: Beschluss vom 08.06.2011 – 12 V 1468/11
1. Der Antrag auf einstweilige Anordnung, der auf die Änderung der bestehenden Eintragung der Lohnsteuerklasse in der Lohnsteuerkarte gerichtet ist, ist unzulässig, da es sich in der Hauptsache um ein Anfechtungsbegehren handelt.
2. Das Finanzamt kann erforderliche Verwaltungsakte hinsichtlich der Eintragung der Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte, für die die Gemeinde sachlich zuständig ist, selbst erlassen.
3. Wird weder vorgetragen noch ist nach Aktenlage ersichtlich, dass durch die Verweigerung der Änderung der Lohnsteuerklasse eine Existenzgefährdung oder eine ähnlich schwerwiegende Beeinträchtigung der Interessen der Antragsteller ausgelöst wird, fehlt es an einem Anordnungsgrund.
4. Lediglich der drohende Zinsverlust rechtfertigt keinen Erlass einer einstweiligen Anordnung.
5. Durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Änderung der Lohnsteuerklasse würde die Hauptsache in unzulässiger Weise vorweggenommen.
6. Die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung zur Änderung der Lohnsteuerklasse bei gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern liegen nicht vor (Anschluss FG München v. 5.8.2010, 8 V 1107/10)
Beschluss
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 12. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … und … am 8. Juni 2011 beschlossen:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist, ob der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes in Form einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung zu verpflichten ist, die Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten der Antragstellerinnen antragsgemäß zu ändern.
Die Antragstellerinnen leben seit dem … 2007 als eingetragene Lebenspartnerinnen zusammen. Nach Aktenlage erzielen beide Antragstellerinnen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Die als … tätige Antragstellerin Ziff. 1.) erklärte im Jahre 2009 u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 99.293,– EUR, die Antragstellerin Ziff. 2.) in Höhe von 20.660,– EUR. Beide Antragstellerinnen sind im Inland unbeschränkt steuerpflichtig.
Mit Antrag vom 4. Februar 2011 (Bl. 64 der Einkommensteuerakten der Antragstellerin Ziff. 1.) Bd. I) beantragten die Antragstellerinnen unter Hinweis auf einen Zusammenveranlagungsantrag aus dem Jahr 2008 die Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten der Antragstellerinnen für das Jahr 2011 dahingehend zu ändern, dass für die Antragstellerin Ziff. 1.) die Lohnsteuerklasse III, für die Antragstellerin Ziff. 2.) die Lohnsteuerklasse V eingetragen wird.
Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Schreiben vom 10. März 2011 (Bl. 70 der Einkommensteuerakten der Antragstellerin Ziff. 1.) Bd. I) ab.
Hierauf stellten die Antragstellerinnen mit Schreiben vom 15. April 2011 beim Finanzgericht den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Sie tragen vor, die Eintragung der bisherigen Lohnsteuerklassen I sei unrichtig, da sie nicht ledig, sondern „verpartnert” seien.
§ 39 Abs. 3b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei insoweit lückenhaft, als der Familienstand der „Lebenspartnerschaft” nicht geregelt sei. Die so vorhandene Lücke müsse in verfassungskonformer Weise dahingehend geschlossen werden, dass die für Verheiratete geltenden Regelungen Anwendung finden, weil die Lebenspartnerschaft in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht einer Ehe entspreche. Zur weiteren Begründung verweisen die Antragstellerinnen zudem auf die Entscheidungen des FG Niedersachsen vom 9. November 2010 (10 V 309/10), 1. Dezember 2010 (13 V 239/10) und vom 6. Januar 2011 (7 V 66/10).
Ein wesentlicher Nachteil liege auch dann vor, wenn ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer streitentscheidenden Norm überzeugt sei und deshalb diese Norm gem. § 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt habe.
Hinzu komme, dass die Antragstellerinnen durch die Verweigerung der Lohnsteuerklassenänderung an einer erfolgreichen Berufsausübung gehindert würden, da die Mehrsteuern für die Beschäftigung einer Teilzeit-Kinderfrau benötigt würden.
Die Antragstellerinnen beantragen,
im Wege der Einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO anzuordnen, dass in die Lohnsteuerkarten 2011 der Antragstellerin Ziff. 1.) die Lohnsteuerklasse III und in die Lohnsteuerklasse 2011 der Antragstellerin Ziff. 2.) die Steuerklasse V einzutragen ist,
hilfsweise,
die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht vorlägen. Insbesondere sei kein Anordnungsgrund erkennbar. Außerdem werde durch eine bewilligende Entscheidung die Hauptsache vorweg genommen. Die Antragstellerinnen könnten aber effektiven Rechtsschutz durch das Rechtsmittel des Einspruchs gegen den Ablehnungsbescheid und des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO erhalten.
Der Beschluss des FG Niedersachsen vom 1. Dezember 2010 (13 V 239/10) führe nicht zu einer anderen Beurteilung, da dieser von unzutreffenden Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung ausgehe. Gegen diesen sei zudem inzwischen Beschwerde beim BFH eingelegt worden, die dort unter dem Aktenzeichen III B 210/10 geführt werde.
Der Sach- und Streitstand beruht auf der Gerichtsakte und den von dem Antragsgegner vorgelegten Behördenakten (§ 71 Abs. 2 FGO). Auf diese wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die beantragte Regelungsanordnung kann nicht ausgesprochen werden.
1. Der Antrag ist bereits unzulässig.
Nach § 114 FGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, ergeht, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
§ 114 FGO ist allerdings gem. Abs. 5 der Vorschrift subsidiär zum Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung. Die Abgrenzung zwischen § 114 und § 69 FGO korrespondiert mit der Klageart in der Hauptsache. In Anfechtungssachen kann die Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO ausgesetzt werden. Folglich ist eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nur zulässig, wenn in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage, sonstige Leistungsklage oder Feststellungsklage (§ 41 FGO) erhoben werden soll oder bereits erhoben ist (Loose in Tipke/Kruse, § 114 FGO Rz. 8).
Die Eintragung der Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte ist ein Verwaltungsakt und eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 179 AO), die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (§ 39 Abs. 3b Satz 4 EStG; Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach EStG/KStG, § 38b EStG Rz. 9). Gegen die Eintragung oder die Ablehnung der Eintragung ist demnach der Einspruch gegeben.
Lehnt das Finanzamt die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte (§ 39 a EStG) ganz oder teilweise ab, so handelt es sich dabei um einen vollziehbaren Verwaltungsakt, gegen den nach allgemeiner Meinung vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung gem. § 361 AO in Betracht kommt (z.B. BFH-Beschluss vom 29. April 1992 VI B 152/91, BStBl II 1992, 752; vom 23. August 2007 VI B 42/07, BStBl II 2007, 799; Thürmer in Blümich, § 39 Rn. 46; Drenseck in Schmidt, § 39 EStG Rz. 8). Nichts anderes kann nach Auffassung des Senats im Fall einer beantragten Lohnsteuerklassenkorrektur gelten. Früher ging der BFH zwar davon aus, dass in einem solchen Fall ein Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung zulässig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Januar 1983 VI B 98/82, NV – „Juris”; Beschluss vom 3. August 1990 VI B 136/88, BFH/NV 1991, 242; ebenso allerdings – ohne Begründung – Niedersächsisches FG – Beschluss vom 1. Dezember 2010 13 V 239/10, „Juris”). Im Streitfall haben die Antragstellerinnen jedoch die Änderung der bestehenden Eintragungen beantragt, da diese aus deren Sicht unrichtig seien. Demnach handelt es sich nicht um einen – isolierten – Änderungsantrag auf Grundlage des § 39 Abs. 5 EStG, sondern um ein echtes Anfechtungsbegehren. Aus diesem Grund ist der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig.
2. Der Antrag ist aber – jedenfalls – auch unbegründet.
aa) Für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs werden gem. § 38 b Satz 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer in Steuerklassen eingereiht. Nach Satz 2 Nr. 1 der Vorschrift gehören in Lohnsteuerklasse I Arbeitnehmer, die ledig sind oder die verheiratet, verwitwet oder geschieden sind und bei denen die Voraussetzungen für die Steuerklasse III oder IV nicht erfüllt sind.
Dagegen gehören nach § 38 b Satz 2 Nr. 3 EStG in die Steuerklasse III u.a. Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte des Arbeitnehmers keinen Arbeitslohn bezieht oder der Ehegatte des Arbeitnehmers auf Antrag beider Ehegatten in die Steuerklasse V eingereiht wird.
Für die Eintragung der Steuerklassen sind nach § 39 Abs. 3 Nr. 1 EStG grundsätzlich die Gemeinden zuständig. Gem. § 39 Abs. 4 Satz 2 EStG sind Änderungen von Eintragungen im Sinne des Absatzes 3 bei der Gemeinde zu beantragen. Allerdings kann das Finanzamt nach § 39 Abs. 6 Satz 3 EStG erforderlichenfalls Verwaltungsakte, für die eine Gemeinde sachlich zuständig ist, selbst erlassen. Die Vorschrift erlaubt es dem Finanzamt somit, das Verfahren, auch soweit die Gemeinde sachlich zuständig wäre, an sich zu ziehen und den Verwaltungsakt selbst zu erlassen.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage, nach der die Voraussetzungen für die von den Antragstellerinnen begehrte Lohnsteuerklasseneinteilung einerseits – unstreitig – offensichtlich nicht vorliegen (vgl. auch FG München – Beschluss vom 5. August 2010 8 V 1107/10, EFG 2011, 67), andererseits hiergegen jedoch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden, kann im Streitfall allerdings offen bleiben, ob sich aus einer möglichen verfassungskonformen Auslegung des § 38 b EStG ein Anordnungsanspruch für die Antragstellerinnen ergibt. Es fehlt nämlich jedenfalls an einem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund.
Ein solcher Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die einstweilige Regelung nötig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens als „nötig” erscheint. Notwendig ist die Anordnung hierbei nur, wenn das private Interesse des Antragstellers an der einstweiligen Regelung das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustands überwiegt und die vorläufige Maßnahme unumgänglich ist, um wesentliche Beeinträchtigungen der Rechtsposition des Antragstellers zu verhindern (Koch in Schmidt, § 114 FGO, Rz. 48). Die Gründe müssen hierbei so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabweisbar machen (vgl. Koch in Schmidt, § 114 FGO, Rz. 48).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. So haben die Antragstellerinnen weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass ein Hauptsacheverfahren bezüglich der Eintragung anderer Lohnsteuerklassen überhaupt anhängig ist.
Weiter ist nicht erkennbar, dass durch die Weigerung des Antragsgegners, die beantragte Lohnsteuerklassenänderung vorzunehmen, der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwehr schwerwiegender Nachteile unumgänglich wäre. Insbesondere ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich, dass durch die Verweigerung der Änderung der Lohnsteuerklassen eine Existenzgefährdung oder eine ähnlich schwerwiegende Beeinträchtigung der Interessen der Antragstellerinnen ausgelöst würde. Eine solche ist angesichts der Einkommensverhältnisse der Antragstellerinnen nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der behaupteten Hinderung der Antragstellerinnen an einer erfolgreichen Berufsausübung durch die Versagung der Lohnsteuerklassenänderung. Es ist weder glaubhaft noch nach Aktenlage nachvollziehbar, dass die Antragstellerinnen angesichts von schon in 2009 erklärten Einkünften in Höhe von ca. 120.000,– EUR über keine finanziellen Mittel zur Beschäftigung einer „Teilzeit-Kinderfrau” verfügen sollen. Für 2010 und 2011 haben die Antragstellerinnen zudem bislang davon abgesehen, ihre konkrete finanzielle Situation darzulegen. Allerdings geht der Senat angesichts der Ausführungen der Antragstellerinnen, nach denen beide in vollem Umfang berufstätig seien, davon aus, dass sich deren finanzielle Situation im Vergleich zu 2009 noch deutlich verbessert haben dürfte.
Die Antragstellerinnen können ihr Begehren zudem im Rahmen des noch durchzuführenden Veranlagungsverfahrens weiter verfolgen und auf diesem Wege ihren möglichen Anspruch verfolgen. Durch das Belassen der für die Antragstellerinnen ungünstigeren Lohnsteuerklassen mit der Folge einer – möglicherweise – nach Durchführung des Veranlagungsverfahrens sich ergebenden höheren Erstattung droht den Antragstellerinnen im Ergebnis allenfalls ein Zinsverlust durch den – zunächst – erfolgenden höheren Steuereinbehalt. Ein lediglich drohender Zinsverlust rechtfertigt aber im allgemeinen keinen Erlass einer Einstweiligen Anordnung (vgl. BFH-Beschluss vom 22. April 1991 III B 537/90, BFH/NV 1992, 118).
Zwar kann ein „wesentlicher Nachteil” darüber hinaus auch angenommen werden, wenn die Rechtslage klar und eindeutig für die begehrte Regelung spricht und eine abweichende Beurteilung in einem etwa durchzuführenden Hauptverfahren zweifelsfrei auszuschließen ist oder wenn bei Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit einer Norm die Dringlichkeit, ihren Vollzug einstweilen auszusetzen, besonders deutlich wird (BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BStBl II 2004, 367). Demnach kann sich ein wesentlicher Nachteil im Sinne des § 114 FGO ergeben, wenn das zuständige Gericht eine streitentscheidende Norm gem. § 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt hat. Dies ist im Streitfall durch den Senat als zuständiges Gericht eines – bislang allerdings nicht anhängigen – Hauptsacheverfahrens indes nicht geschehen. Zudem ist – jedenfalls im Streitfall – nicht erkennbar, dass nach den Umständen des vorliegenden Falles dem Interesse der Antragstellerinnen an der Gewährung vorläufigen Rechtschutzes Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des derzeit – jedenfalls noch – geltenden Gesetzes zukäme (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2010 II B 168/09 m. umfangr. w. Nachw.). Entsprechende Anhaltspunkte vermag der Senat für den vorliegenden Streitfall auch nicht den von den Antragstellerinnen in Bezug genommenen Beschlüssen des FG Niedersachsen vom 1. Dezember 2010 (Az.: 13 V 239/10) und des FG Baden-Württemberg vom 16. Mai 2011 (Az.: 9 V 1339/11) zu entnehmen.
bb) Hinzu kommt, dass durch den Erlass der beantragten Einstweiligen Anordnung die Hauptsache in unzulässiger Weise vorweggenommen würde.
Durch die einstweilige Anordnung darf nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen werden, also insbesondere der angestrebte Zustand schon hergestellt werden (Koch in Gräber, § 114 FGO Rz. 66). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn Rechtsschutz auf andere Weise nicht zu erlangen ist und die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes zu unerträglichen Folgen für den Antragsteller führen würde (Koch in Gräber, § 114 FGO Rz. 68 m. umfangr. w. Nachw.). Dies ist z.B. dann gegeben, wenn eine besondere Intensität des Anordnungsgrundes vorliegt und ein Misserfolg des Antragstellers in der Hauptsache so gut wie ausgeschlossen ist (Koch in Gräber, § 114 FGO Rz. 69 m. umfangr. w. Nachw.). Eine einstweilige Anordnung, durch die die Behörde z.B. verpflichtet wird, einen Verwaltungsakt zu erlassen, ist unzulässig, wenn der Antragsteller in der Hauptsache dasselbe Rechtsschutzziel verfolgt. Nur im Einzelfall kann die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlich sein, um unzumutbare Nachteile für den Antragsteller zu vermeiden und effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Dabei sind an das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund strenge Anforderungen zu stellen. Der Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren muss überwiegend wahrscheinlich sein. Hinzukommen muss eine besondere Intensität des Anordnungsgrundes, d.h. die sofortige Regelung muss notwendig sein, weil die Entscheidung in der Hauptsache zu spät kommen würde (vgl. Tipke/Kruse § 114 FGO Tz. 38ff).
Im Streitfall ist allerdings zu berücksichtigen, dass aufgrund des ggf. noch durchzuführenden Veranlagungsverfahrens ein endgültiger Rechtsnachteil nicht zu befürchten ist. Bei Fortbestand des bisherigen Zustands erschöpft sich die Beeinträchtigung der Antragstellerinnen – wie dargestellt – in einer geringfügigen Minderung ihrer Liquidität mit dem sich daraus ergebenden Zinsverlust.
3. Auch eine Umdeutung des – allerdings ausdrücklich als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung formulierten – Antrags in einen Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung vermag den Antragstellerinnen nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Zum einen fehlt es im Streitfall an einer vorhergehenden ablehnenden Entscheidung des Antragsgegners ebenso wie an einem derzeit durchzuführenden Hauptsachverfahren. Ein Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 10. März 2011 wurde nach Aktenlage nicht eingelegt. Ein gerichtlicher Antrag auf vorläufige Eintragung der erstrebten Steuerklassen im Wege einer gerichtlichen Vollziehungsaussetzung wäre daher unzulässig, weil dieser zunächst beim Finanzamt (§ 69 Abs. 4 FGO) und nach Ablehnung durch das Finanzamt beim Finanzgericht als zuständigem Gericht der Hauptsache (§ 69 Abs. 3 FGO) gestellt werden müsste. Mangels Anfechtung des Ablehnungsbescheids vom 10. März 2011 könnte somit auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht zum Erfolg führen.
Darüber hinaus liegen die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung einer gerichtlichen Vollziehungsaussetzung im Streitfall nicht vor. Der Senat macht sich insoweit die Ausführungen des FG München im Beschluss vom 5. August 2010 8 V 1107/10, EFG 2011, 67 zu eigen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
5. Die Beschwerde war zuzulassen, weil die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung hat (§ 128 Abs. 3 FGO).