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  • · Fachbeitrag · Krankheitskosten

    Einsprüche gegen zumutbare Belastung: Finanzverwaltung verwehrt Verfahrensruhe

    | Viele Leser haben unser Interview mit Rechtsanwalt Lars Petrak in der Mai-Ausgabe, Seite 7 zum Anlass genommen und Einspruch gegen den Ansatz der zumutbaren Belastung bei der steuerlichen Geltendmachung von Krankheitskosten eingelegt. Sie teilen uns nun mit, dass die Finanzämter trotz des Hinweises auf das beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz anhängige Verfahren kein Ruhen des Verfahrens gewähren wollen. |

     

    Die Argumentation der Finanzämter

    Die Finanzämter berufen sich auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 1997, in dem das BVerfG einen ähnlichen Fall zum Nachteil des Steuerbürgers entschieden hatte. Unser Interviewpartner Lars Petrak ist aber der Meinung, dass das BVerfG daran nicht mehr festhält. Im Gegenteil, die neue Rechtsprechung des BVerfG fordere, dass existenznotwendiger Aufwand - unabhängig von der jeweiligen Höhe des Einkommens - von der Einkommensteuer freigestellt werden müsse (zum Beispiel BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998, Az: 2 BvL 42/93 - Kinderexistenzminimum; BVerfG, Beschluss vom 13.2.2008, Az: 2 BvL 1/06; Abruf-Nr. 080848 - Sonderausgabenabzug für Krankenversicherungsbeträge).

     

    Was als existenznotwendiger Aufwand anzusehen ist, wird regelmäßig im Sozialrecht konkretisiert. Folglich müssten alle Aufwendungen, die der Staat für Mittellose übernimmt (zum Beispiel Zahnersatz, Zuzahlungen für ärztlich verordnete Medikamente, Praxisgebühr), vollständig bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigt werden.

     

    Die rechtliche Lage

    Nach § 363 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) kann die Finanzbehörde mit Zustimmung des Einspruchsführers das Einspruchsverfahren ruhen lassen, wenn dies aus wichtigem Grund zweckmäßig erscheint. Diese Vorschrift dient der Prozessökonomie und soll widersprüchliche Entscheidungen verschiedener Finanzämter vermeiden. Ob die Finanzverwaltung ein Ruhen des Verfahrens anordnet, ist jedoch in diesem Stadium eine Ermessensentscheidung.

     

    Praxishinweis |

    Unseres Erachtens ist für die Frage, ob bei der steuerlichen Berücksichtigung von Krankheitskosten die Anrechnung einer zumutbaren Belastung vorgenommen werden kann, ein Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO geboten. Dies ermöglicht für die Finanzverwaltung und die Steuerbürger ein ökonomisches Verfahren, weil dadurch eine Vielzahl gleichgelagerter Klagen vermieden wird. Wir empfehlen deshalb, das Finanzamt weiter unter Hinweis auf das beim FG Rheinland-Pfalz anhängige Verfahren (Az: 4 K 1970/10) zu bitten, Ruhen des Verfahrens zu gewähren. Ein Musterschreiben finden Sie in „myIWW“. Kommt das Finanzamt dem nicht nach, bleibt derzeit in der Tat nur, fristwahrend Klage einzulegen.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2011 | Seite 7 | ID 27629360