· Fachbeitrag · Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
Begriff des „Unfall im Straßenverkehr“
Ein „Unfall im Straßenverkehr” liegt auch vor, wenn der Führer eines auf öffentlicher Straße geparkten Lkw beim Ladevorgang ein Blech statt auf die Ladefläche versehentlich gegen die Seitenwand des Lkw wirft und ein anderes Fahrzeug durch das abprallende Metallteil beschädigt wird (OLG Köln 19.7.11, III-1 RVs 138/11, Abruf-Nr. 112916). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Beim Beladen des Lkw prallte ein Blech von der Seitenwand ab und beschädigte ein anderes Fahrzeug. Der Angeklagte entfernte sich ohne seine Personalien zu hinterlassen. AG und LG haben ihn vom Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) frei gesprochen. Die Revision der StA hatte Erfolg.
Das Be- und Entladen von haltenden oder parkenden Fahrzeugen ist verkehrsbezogener Teil des ruhenden Verkehrs, wenn ein innerer Zusammenhang mit der Funktion eines Kfz als Verkehrs- und Transportmittel besteht. Das Be- und Entladen umfasst auch Nebenverrichtungen, die aufgrund ihrer notwendigen Zugehörigkeit als deren Bestandteil erscheinen. Ein solcher Zusammenhang liegt nicht nur vor, wenn der Schaden an dem Pkw durch ein vom Lkw herabgefallenes Ladungsteil verursacht worden ist. Bezogen auf das Tatbestandsmerkmal „Unfall im Straßenverkehr“ macht es keinen Unterschied, ob ein bereits geladener Gegenstand vom geparkten Fahrzeug herunterfällt oder der Schaden bereits beim Beladen oder später beim Entladen entsteht. Dem Schutzbereich des § 142 StGB unterfallen gerade solche Geschehensabläufe im öffentlichen Straßenverkehr, die mit einem erhöhten Unfall- und Schadensrisiko sowie - wegen der Beteiligung eines Fahrzeugs - mit dem Risiko eines schnellen Entfernen des Verursachers vom Unfallort und damit einem gesteigerten Aufklärungsinteresse anderer Verkehrsteilnehmer einhergehen. Dazu gehören aber insbesondere auch Ladevorgänge, und zwar gerade fehlerhafte.
Praxishinweis
Die Entscheidung klärt obergerichtlich eine Frage, die sich in der Rechtsprechung auf der Grundlage der BGH-Rechtsprechung zum Unfallbegriff in § 142 StGB gestellt hatte. Der BGH geht davon aus, dass die Annahme eines „Verkehrsunfalls” nach dem Schutzzweck der Norm des § 142 StGB einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrenzusammenhang voraussetzt. In dem „Verkehrsunfall” müssen sich nach Auffassung des BGH gerade sog. typische Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben (BGH VA 02, 47). Nicht als Unfälle sieht der BGH Abläufe an, bei denen der öffentliche Verkehrsraum eher zufälliger Art und der eingetretene Schaden weniger die unmittelbare Folge eines Verkehrsvorganges als vielmehr das Ergebnis ausschließlich verkehrsfremden Verhaltens ist, wie z.B. bei einer „deliktischen Planung“. Dazu war dann in der Rechtsprechung vertreten worden, dass Schäden, die beim Be- und Entladen von haltenden oder parkenden Fahrzeugen entstehen, nur dann „Unfall“ i.S. des § 142 StGB seien, wenn der Schaden an dem anderen Fahrzeug durch ein herabgefallenes Ladungsteil verursacht worden ist. Dem ist das OLG Köln mit zutreffenden Erwägungen entgegengetreten.