· Fachbeitrag · Betreuungsrecht
Der eigene PKH-Antrag des Betreuten am Beispiel des Finanzgerichtsprozesses
von StA Dr. Markus Ebner, LL.M., München
| Der Beitrag befasst sich mit der Frage, ob der eigene Antrag eines Betreuten (§§ 1896 ff. BGB) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) - kurz: PKH - eine „lediglich einen rechtlichen Vorteil“ bringende Willenserklärung i. S. v. § 1903 Abs. 3 S. 1 BGB darstellt. |
1. Streit mit dem Finanzamt
Auch unter Betreuung stehende Personen unterliegen (weiterhin) der Steuerpflicht (z. B. Einkommen- oder Erbschaftsteuer). Kommt es hier zu Meinungsverschiedenheiten mit der Finanzverwaltung, stellt sich die Frage, ob - als solche erkannte (s. dazu BGH 21.4.15, XI R 234/14, SR 15, 163) - Betreute mit einschlägigem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 Abs. 1 S. 1 BGB; Aufgabenkreis z. B. „gerichtliche Verfahren gegenüber Behörden“ usf. oder „Vermögenssorge“) ohne Konsultation ihres Betreuers ein gerichtliches Verfahren über die Bewilligung von PKH initiieren können. Dies interessiert zum einen das Finanzgericht, weil es derartige Anträge autonom verbescheiden muss. Zum anderen könnte sich der Betreute durch eine seriöse „externe“, d. h. außerhalb des Betreuungsverhältnisses stehende, Erfolgsprognose zusätzliche Sicherheit verschaffen. Denn mit der Bewilligung von PKH ginge wegen § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO die (wenngleich nur auf summarischer Prüfung beruhende) Aussage des Gerichts einher, dass „die beabsichtigte Rechtsverfolgung ... hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint“ - ein u. U. entscheidendes Argument wenn es darum geht, die Zustimmung des Betreuers zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung erstmals bzw. „im zweiten Anlauf“ doch noch zu gewinnen.
2. Prozessualer Rahmen
Im vorliegend exemplarisch herangezogenen Finanzgerichtsverfahren setzt der Antrag auf Bewilligung von PKH (§ 142 FGO) - wie jede andere Verfahrenshandlung auch - zuerst voraus, dass der jeweilige Antragsteller i. S. v. § 58 Abs. 1 FGO prozessfähig ist (vgl. z. B. OLG Hamm 10.6.14, I-11 SchH 27/12, 11 SchH 27/12, MDR 14, 1044, unter II.2.). Andernfalls kann er ein PKH-Verfahren bei dem zur Entscheidung berufenen Gericht nicht wirksam in Gang setzen. Handelt es sich bei dem Antragsteller um eine unter Betreuung stehende Person, gegenüber der ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist, ist anerkannt, dass Verfahrenshandlungen, die ohne vorherige Einwilligung des Betreuers vorgenommen und von diesem auch nicht nachträglich genehmigt wurden, gem. § 58 Abs. 3 FGO mangels Prozessfähigkeit unwirksam sind, wenn der Einwilligungsvorbehalt den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens betrifft (st. Rspr., vgl. z. B. BFH 8.2.12, V B 3/12, BFH/NV 12, 770, unter II.1. und 2.; BFH 10.2.12, VI B 130/11, BFH/NV 12, 771, unter 1., jew. zum Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde; s. auch Levedag in: Gräber, FGO, 8. Aufl., § 58 Rn. 13, 36; Jaschinski in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 1903 Rn. 82 ff., jew. m.w.N.). Das wäre bei den unter 1. genannten Aufgabenkreisen der Fall (§ 79 Abs. 2 AO regelt inhaltsgleich die Handlungsfähigkeit des Betreuten im Besteuerungsverfahren des Finanzamts).
3. „Knackpunkt“: § 1903 Abs. 3 BGB
Allerdings könnte hinsichtlich eines solchen PKH-Antrags die Ausnahmeregelung des § 1903 Abs. 3 BGB eingreifen. Nach dieser Vorschrift bedarf der Betreute trotz Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts u. a. dann nicht der Einwilligung seines Betreuers - und wäre demnach insoweit auch verfahrens- bzw. prozessfähig -, wenn ihm die betreffende Willenserklärung „lediglich einen rechtlichen Vorteil“ bringt (§ 1903 Abs. 3 S. 1 BGB; eine „geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens“ i. S. v. S. 2 der Vorschrift liegt, wie Dumke in: Schwarz/Pahlke, FGO, § 58 Rn. 18c, zutr. ausführt, offenkundig nicht vor). Darunter sind, wie bei § 107 BGB, solche Geschäfte bzw. geschäftsähnlichen Handlungen zu verstehen, die dem Betreuten einen rechtlichen Vorteil verschaffen, ohne dass ihm daraus zugleich eine wie auch immer geartete rechtliche Verpflichtung erwächst; auf die wirtschaftlichen Auswirkungen bzw. die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit des jeweiligen Geschäfts bzw. der jeweiligen (Prozess-) Handlung kommt es nicht an (vgl. Jaschinski, a.a.O., § 1903 Rn. 73).
Wie die Frage nach der lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit von PKH-Anträgen zu beantworten ist, ist nicht abschließend geklärt. Gerichtliche Entscheidungen hierzu existieren, soweit erkennbar, bis dato nicht.
Nach hier vertretener Auffassung kann hinsichtlich eines PKH-Antrags wegen des damit unmittelbar begründeten Verfahrensrechtsverhältnisses nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft i. d. S. handelt (ebenso Dumke, a.a.O., § 58 Rn. 18c; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 62 Rn. 13; s. auch Rüsken in: Beermann/Gosch, AO/FGO, § 79 AO Rn. 47: „Für die Anwendung des § 1903 Abs. 3 BGB ist im steuerlichen Verfahrensrecht kein Raum“).
Das gilt zum einen mit Blick auf die bereits mit der Antragstellung verbundenen Erklärungs- und Belegpflichten des Betreuten bzw. die damit begründete Befugnis des Gerichts, eigene Erhebungen anzustellen und Auskünfte einzuholen (vgl. § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Defizite im zuerst genannten Bereich führen zur Unzulässigkeit des PKH-Antrags (vgl. z. B. § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO), der zuletzt genannte Aspekt tangiert das Recht des Betreuten auf informationelle Selbstbestimmung.
Dies korrespondiert mit den mit der Einleitung des PKH-Verfahrens eintretenden kostenrechtlichen Folgen. Zwar ist das PKH-Verfahren als solches in Ermangelung eines entsprechenden Gebührentatbestands im Kostenverzeichnis (Anlage 1) zum GKG gerichtsgebührenfrei (vgl. § 3 Abs. 2 GKG). Auch dem Gegner (Finanzamt) werden keine Kosten erstattet (§ 118 Abs. 1 S. 4 ZPO). Allerdings sind im Bewilligungsfall Zahlungsfestsetzungen gegen den Betreuten gem. §§ 115, 120 ZPO vorgeschrieben; wird PKH nicht bewilligt, trägt der Betreute jedenfalls seine eigenen außergerichtlichen Kosten (LSG Berlin-Brandenburg 4.9.12, L 18 AS 2141/12 B PKH, FamRZ 13, 234; a.A. Lappe in: FS f. Winter, 1982, S. 73, 82, zur „Verfahrensfähigkeit Minderjähriger“, allerdings unter Außerachtlassung von § 107 BGB; unklar BSG 20.6.06, B 9a SB 13/05 B, unter (1)). Ob bzw. inwieweit diese Positionen (Pflicht zum Einsatz des Einkommens, vgl. § 115 Abs. 1 S. 1 ZPO, bzw. zur Tragung der eigenen außergerichtlichen Kosten) im Einzelfall tatsächlich relevant werden ist ohne Belang, weil es allein auf die abstrakte rechtliche Vorteilhaftigkeit der betreffenden Willenserklärung ankommt.
Dementsprechend spielen auch eine im konkreten Einzelfall im Raum stehende Nullfestsetzung gem. § 120 ZPO oder das potenzielle Nichtanfallen eigener außergerichtlicher Kosten keine Rolle. Würde man dies anders sehen, wäre die mit der Norm bezweckte Rechtssicherheit nicht gewährleistet. Dieses Ergebnis steht zudem im Einklang mit der in § 1903 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zum Ausdruck kommenden vermögensschützenden Funktion des Einwilligungsvorbehalts.
4. Weitere gerichtliche Verfahren
Die identische Problemlage kann sich auch unmittelbar im Zivilprozess stellen (ein vorrangig zur Unzulässigkeit des PKH-Antrags führender Anwaltszwang besteht insoweit vor dem LG bzw. OLG nicht, vgl. § 78 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 117 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ZPO; ebenso für den Bundesfinanzhof z. B. BFH 16.9.10, XI S 18/10 (PKH), BFH/NV 2010, 2295, unter II.1.). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Verfahren vor den Arbeitsgerichten (§ 11a ArbGG), den Sozialgerichten (§ 73a SGG) und den Verwaltungsgerichten (§ 166 VwGO) sowie im strafprozessualen Privatklage-, Nebenklage- und Adhäsionsverfahren (§§ 379 Abs. 3, 397a Abs. 3 S. 2, 404 Abs. 5 S. 1 StPO).
Nur in Betreuungssachen selbst spielt die Anwendbarkeit von § 1903 Abs. 3 S. 1 BGB keine Rolle. Hier gilt gem. § 275 FamFG, dass der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig ist (s. auch dazu Jaschinski, a.a.O., § 1903 Rn. 82.1).
5. Fazit
Für einen unter einschlägigem Einwilligungsvorbehalt stehenden Betreuten stellt der Antrag auf Bewilligung von PKH keine „lediglich einen rechtlichen Vorteil“ bringende Willenserklärung i. S. v. § 1903 Abs. 3 S. 1 BGB dar. Entsprechende Anträge sind gem. § 58 Abs. 3 FGO mangels Prozessfähigkeit unwirksam und damit bereits unzulässig.