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  • · Fachbeitrag · EU-Deregulierung der Steuerberatertätigkeiten

    Nun ade, du mein lieb Vorbehalt?

    von Alexandra Buba, M.A., www.medientext.com, Nürnberg

    | Die Sache klingt ernst: Die EU-Kommission ( KP 18, 198 ) zweifelt daran, „dass alle vorbehaltenen Tätigkeiten derart komplex sind, dass sie unbedingt eine Vollqualifikation als Steuerberater erfordern.“ Das bringt ins Grübeln, denn im Grunde sind alle Tätigkeiten, die der Berater in seiner Kanzlei nicht zwingend höchstpersönlich ausführen muss, davon erfasst. Und das ist eine ganze Menge. Laut STAX-Umfrage erwirtschaftete die Durchschnittskanzlei zumindest im Jahr 2014 noch 27 % ihres Umsatzes mit dem Rechnungswesen ‒ und dieser Anteil ist zuletzt sogar gestiegen. |

    Da gehen sie hin, die Vorbehaltsaufgaben, oder?

    Insbesondere die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung dürfte künftig schwerlich als hochkomplexes Unterfangen zu rechtfertigen sein ‒ und damit den Bilanzbuchhaltern nicht weiterhin verwehrt werden können. Es ist unwahrscheinlich, dass die EU Kommission ganz allgemein von der Generalität einer hoch qualifizierten Wissensdienstleistung zu überzeugen sein wird, wenngleich genau dies ja notwendig wäre, um dauerhaft das deutsche Steuerberatungsgesetz in seiner jetzigen Form gegen die möglicherweise berechtigten Bedenken der Staatengemeinschaft zu verteidigen.

     

    • Was will die EU-Kommission eigentlich?

    Die EU-Kommission verweist auf ein Urteil des EuGH (17.10.02, C-79/01 ‒ Payroll-services), wonach es nicht erforderlich ist, dass die Tätigkeiten der Dienstleister nur von Personen mit einer spezifischen Berufsqualifikation ausgeübt werden dürfen, soweit derartige Tätigkeiten im Wesentlichen administrativer Natur sind.

     

    Die EU-Kommission stellt mit den Worten des EuGH klar, dass „eine nationale Regelung, welche ein Gemeinwohlziel nicht in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen bemüht ist, nicht dafür geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten.“ Kohärent ist das deutsche Steuerberatungsgesetz deshalb nicht, weil es zu vielen nicht adäquat ausgebildeten und überwachten Gruppen genau jene Aufgaben gestattet zu erledigen, die sich die berufsrechtliche Regelung als Vorbehalt ausbedingt. Zu viele unterschiedliche ‒ und möglicherweise unberufene ‒ Berufsgruppen dürfen Hilfeleistungen in Steuersachen anbieten (vgl. § 4 StBerG). „Unter diesen Umständen kann die deutsche Regierung nach dem Dafürhalten des Generalanwalts schwerlich behaupten, dass die deutsche Regelung durch die Anforderungen an die Berufsqualifikation der für die Leitung von Steuerberatungsgesellschaften Verantwortlichen die Empfänger von geschäftsmäßigen Hilfsleistungen in Steuersachen in systematischer und kohärenter Weise schützt“, zitiert die EU-Kommission aus den Schlussanträgen des Generalanwalts im Verfahren EuGH (17.12.15, C-342/14).

     

    Die Stellungnahme Deutschlands ist bei der EU am 19.10.18 eingegangen. Über den Inhalt lässt sich gegenwärtig leider nur spekulieren. Das Bundeswirtschaftsministerium, auf das das Auswärtige Amt in dieser Sache zuständigkeitshalber verweist, lässt auf Anfrage lediglich mitteilen: „Es handelt sich hier um ein laufendes Verfahren zwischen Deutschland und der Europäischen Kommission. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen während des laufenden Verfahrens keine inhaltlichen Auskünfte geben können.“ Den genaueren Inhalt der Antwort dürfte die BStBK kennen, die indes auch nichts weiter verlauten lässt.

    Rettungsanker: „Organ der Steuerrechtspflege“

    Mehr als nur in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang dürfte freilich die Initiative der BStBK stehen, den Steuerberater gesetzlich zum „Organ der Steuerrechtspflege“ zu machen, so wie dies bereits schon in der Satzung der BStBK (§ 1 Abs. 1 BOStB) der Fall ist. Dieses Ansinnen, das das Gremium seit einer Weile verfolgt, sei nunmehr mit dem BMF abgestimmt, und auch die Bundesländer hätten das Vorhaben positiv beschieden, heißt es aus der Kammer. Erwartet wird, dass der neue ‒ nun auch formal so fixierte ‒ Status des Steuerberaters mit der nächsten Änderung des Steuerberatungsgesetzes beschlossen werden wird.

     

    • Organ der Rechtspflege ‒ Organ der Steuerrechtspflege?

    Entlehnt ist die Formulierung vom „unabhängigen Organ der Rechtspflege“ den Rechtsanwälten und ihrem Berufsrecht (§ 1 BRAO). Doch der Kontext ist ein anderer, denn der Anwalt ist als funktionale Einheit im deutschen Rechtswesen in bestimmten Kontexten unabdingbar, man denke an den Anwaltszwang. Das gilt für den Steuerberater nun genau nicht ‒ er ist letztlich ein Dienstleister, dessen Hinzuziehung freiwillig geschieht. Als Beginn des Versuchs, den Steuerberater als verpflichtende Institution für den Steuerbürger zu installieren, darf man die Initiative freilich nicht werten ‒ wenngleich dies vielleicht mancher wünschte.

     

    Die Kammer selbst argumentiert mit der Erhöhung der Augenachse, die es dem Steuerberater ermöglichen soll, selbstbewusster gegenüber der Finanzverwaltung aufzutreten. Zurecht darf aber bezweifelt werden, dass ein solcher Passus allein die Stellung eines Beraters gegenüber dem Prüfer oder den Gerichten stärkt. Aber mit Blick auf die Anzeigepflicht für Gestaltungen macht es dann doch wieder Sinn. Der Steuerberater als „Organ der Steuerrechtspflege“ ist sowohl Interessenvertreter seiner Mandanten als auch dem Allgemeinwohl verpflichtet. Damit kann er erstens gar nicht anders, als nur legale Gestaltungsmodelle empfehlen und ist über jede Mitteilungspflicht erhaben und ist zweitens als Einheit unabdingb‒ und mit ihm seine Kammer.

     

    Ob dieser Kunstgriff freilich genügen wird, um die EU-Kommission versöhnlich zu stimmen, ist fraglich. Denn die EU-Kommission hat nicht allein die deutschen Steuerberater und ihre obersten Hüter im Visier. Sie moniert vielmehr, dass die deutschen Behörden bislang bei 25 % der in der EU-Datenbank von reglementierten Berufen eingetragenen Professionen noch keine Bewertung zur Verhältnismäßigkeit der Zugangsbeschränkung vorgenommen hätten ‒ eine Zurückhaltung, die die EU-Kommission vor dem Hintergrund des EU-Dienstleistungspakts nicht freuen dürfte.

    EU-Dienstleistungspaket ‒ Schreckgespenst für Freiberufler

    Ziel der EU-Kommission ist es, mit dem Dienstleistungspaket die Mitgliedstaaten u. a. dazu zu verpflichten, Berufsreglementierungen auf Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfen und dies auch nachzuweisen.

     

    Die BStBK und die Wirtschaftsprüferkammer gehen in einem gemeinsamen offenen Brief zum Dienstleistungspaket (8.2.18) davon aus, dass die Mitgliedstaaten selbst bestimmen können müssen, welche Berufe sie mit welchen Zugangsvoraussetzungen belegen, solange diese in der EU nicht harmonisiert sind. Darüber hinaus fordern sie:

     

    • Die Qualität der (frei)beruflichen Leistung muss als Ziel des Allgemeininteresses verankert werden.

     

    • Die vollständige Darlegungs- und Beweislast im Falle von Beanstandungen des nationalen Berufsrechts muss immer bei der EU-Kommission liegen.

     

    • Der Schutz der obligatorischen Kammermitgliedschaft und der Beschränkung der Beteiligungsverhältnisse in den Berufsgesellschaften als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips müssen in den Richtlinientext selbst und nicht nur in die Gesetzesbegründung aufgenommen werden.

    Was lehrt die Vergangenheit?

    Im Juni 2015 hatte die EU-Kommission unter anderem wegen verbindlicher Mindestpreise in der Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) ein Verfahren eingeleitet und nach der schnellen Neuordnung, die am 23.7.18 in Kraft trat, nicht weiter verfolgt. Zuvor hatte sie im Februar 2016 noch einmal Druck gemacht, zügig nationale Reformen einzuleiten. Mit der Neuordnung gelang die Abwendung der Klage. Der Deal lautete damals: Der Anwendungsbereich der StBVV wird auf Steuerberatertätigkeiten im Inland für Steuerberater mit Sitz im Inland beschränkt. Außerdem wurde ein Passus aufgenommen, der besagt, dass die StBVV nicht nur über-, sondern in außergerichtlichen Angelegenheiten auch unterschritten werden kann.

     

    FAZIT | Wenn sich die Kommission seinerzeit mit so wenig zufriedengegeben hat, dann wird es doch diesmal mit einem „Organ der Steuerrechtspflege“ auch gelingen, möchte man meinen. Auch drängt sich der Verdacht auf, dass das Thema in der Beraterschaft selbst, entweder noch gar nicht angekommen ist oder zumindest keine unmittelbare Besorgnis auszulösen scheint.

     

    Vielleicht kommen die deutschen Steuerberater ja auch diesmal mit einer moderaten Anpassung um eine echte Auseinandersetzung um ihr Berufsrecht herum. Ob sie sich das wirklich wünschen sollten, ist eine andere Frage. Denn möglicherweise täten Reformen gar wohler als mancher ahnt (KP 19, 45 und KP 19, 49).

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2019 | Seite 100 | ID 45757210