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  • 24.11.2009 | Abstandsmessung

    Standardisierte Abstandsmessung: Urteilsgründe müssen Betroffeneneinlassung wiedergeben

    1. Auch in Bußgeldsachen muss den Urteilsgründen regelmäßig zu entnehmen sein, ob und wie sich der Betroffene in der Hauptverhandlung eingelassen und ob der Tatrichter der Einlassung gefolgt ist oder ob und inwieweit er sie für widerlegt angesehen hat.  
    2. Dies gilt auch, wenn die Feststellung eines Abstandsverstoßes auf einem standardisierten Messverfahren beruht. Denn auch dann besteht die Möglichkeit, dass sich der Betroffene z.B. bezüglich der Fahrereigenschaft, der Abstandsmessung oder der näheren Umstände der Verkehrsordnungswidrigkeit in eine bestimmte Richtung substanziiert verteidigt hat und nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter die Bedeutung dieser Einlassung verkannt oder rechtlich unzutreffend gewürdigt hat.  
    (OLG Bamberg 9.7.09, 3 Ss OWi 290/09, Abruf-Nr. 093685)

     

    Praxishinweis

    Zwar sind im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen. Die Urteilsgründe müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Das gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen, wie für den Rechtsfolgenausspruch (OLG Bamberg VRS 114, 456; OLG Jena VRS 114, 458; OLG Karlsruhe VA 07, 12). Insoweit bringt die Entscheidung nichts wesentlich Neues.  

     

    Interessant ist sie aber wegen eines anderen Aspekts. Das AG hatte die Fahrereigenschaft des Betroffenen durch einen Vergleich des Betroffenen mit dem auf dem von dem Verkehrsverstoß gefertigten Videoband sowie den Videoprints ersichtlichen Fahrer des Tatfahrzeugs festgestellt. Es sei daher davon auszugehen, zumindest aber nicht auszuschließen, dass das AG die Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen nicht schon allein aufgrund des Vergleichs mit den Videoprints gewonnen hat, sondern (erst) durch die Inaugenscheinnahme der Videoprints und des Videobands. Auch wenn das AG - noch - hinreichend deutlich gemäß § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das Videoband Bezug genommen hat, ist diese Bezugnahme unwirksam, da das Videoband der Akte nicht beigefügt sei. Das Rechtsbeschwerdegericht konnte daher die Beweiswürdigung nicht auf materiell-rechtliche Fehler nachprüfen. Für vergleichbare Fälle (zur Bezugnahme OLG Dresden VA 09, 160) bietet sich folgender Verteidigungsansatz an: Der Verteidiger muss immer darauf achten, ob die Videokassette, die das entsprechende Band enthält, (noch) bei der Akte ist (dazu schon OLG Zweibrücken VRS 102, 102). In den Fällen sollte also Akteneinsicht genommen und - wenn die Kassette fehlt - entsprechend vorgetragen werden.  

    Quelle: Ausgabe 12 / 2009 | Seite 212 | ID 131702