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  • 01.09.2006 | Ausländische Fahrerlaubnis

    Missbräuchlicher Führerscheintourismus

    Dem Erwerber einer im Ausland erworbenen EU-Fahrerlaubnis ist es, wenn objektive Anhaltspunkte für einen rechtsmissbräuchlichen Erwerb vorliegen, verwehrt, sich im Inland gegenüber den Behörden auf die Gültigkeit dieser ausländischen EU-Fahrerlaubnis zu berufen (VG Münster 30.6.06, 10 L 361/06, Abruf-Nr. 062280).

     

    Sachverhalt

    Der Antragstellerin ist mehrfach wegen Trunkenheit im Verkehr der Führerschein entzogen worden. Obwohl das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die polnischen Behörden informiert hatte, dass die Antragstellerin in Deutschland wegen Verkehrsauffälligkeiten eine neue Fahrerlaubnis nur auf Grund eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erhalten könne, erteilte die Stadt Stettin nach Ablauf der Sperrfrist eine polnische Fahrerlaubnis. Daraufhin ordnete die deutsche Verwaltungsbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachtens an. Als dieses nicht einging, verfügte sie, dass die Antragstellerin von der ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik keinen Gebrauch machen dürfe. Dagegen wandte sich die Antragstellerin erfolglos mit einem Eilantrag.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Antragstellerin kann sich nicht auf die sog. Halbritter-Entscheidung des EuGH berufen (dazu VA 06, 120, Abruf-Nr. 061594). Es bestehen nämlich objektive Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch. Die missbräuchliche Berufung auf das Europarecht gestattet aber auch der EuGH nicht. Die Ziele der EG-Richtlinie (91/439/EWG) zur gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen umfassen auch die Sicherheit im Straßenverkehr, die mit der unbedingten Anerkennung der polnischen Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde nicht erreicht werden. Der Antragstellerin ist in Deutschland bislang fünfmal wegen Trunkenheit im Straßenverkehr die Fahrerlaubnis entzogen worden. Im Laufe der verschiedenen Neubeantragungen hatten Gutachter der Antragstellerin immer wieder eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für alkoholbedingte Verkehrsauffälligkeiten attestiert. Es ist kaum wahrscheinlich, dass die Antragstellerin ohne nachgewiesene Alkoholabstinenz sowie ohne einen nachgewiesenen dauerhaften und regelmäßigen Besuch einer Selbsthilfegruppe in Deutschland eine positive Eignungsbeurteilung erhalten hätte. Dass die polnischen Behörden trotz der Mitteilung des KBA eine neue Fahrerlaubnis erteilt haben, deutet auf eine missbräuchliche Umgehung der europarechtlichen Vorschriften hin. Ferner besteht der Verdacht, dass sich die Antragstellerin nicht in Polen niedergelassen habe, um dort die polnische Fahrerlaubnis zu nutzen. Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, sich in Polen mindestens an 185 Kalendertagen aufgehalten zu haben.  

     

    Praxishinweis

    Es handelt sich um die erste nach Bekanntwerden der Halbritter-Entscheidung des EuGH (VA 06, 120) erlassene verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sie bezieht sich zur Stützung auf frühere EuGH-Rspr. Gegen die VG-Entscheidung wurde Beschwerde beim OVG Münster eingelegt (Az. 16 B 1363/06). Ggf. werden die anstehenden Fragen das dritte Mal den EuGH beschäftigen.