25.07.2011 | Autokauf
BGH zum Ausschluss des Rücktrittsrechts wegen Unerheblichkeit
1. Auch bei einem „Luxusfahrzeug“ (hier: Wohnmobil) sind Sachmängel, deren Beseitigung Aufwendungen von nur knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordert, unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. |
2. Auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung kommt es nur dann entscheidend an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt ist. |
(BGH 29.6.11, VIII ZR 202/10 (LS der Red.), Abruf-Nr. 112319) |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der Rechtsvorgänger der Klägerinnen erwarb Mitte 2006 von der beklagten Händlerin ein Wohnmobil zum Preis von 134.437 EUR. Nach dem letzten der vier Nachbesserungstermine erklärte der Käufer den Rücktritt. Das LG hat der Rückabwicklungsklage überwiegend stattgegeben. Die Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin (Hersteller) blieb im Wesentlichen erfolglos. Das OLG hat die Annahme „erheblicher“ Mangelhaftigkeit u.a. mit den viermaligen Nachbesserungsversuchen begründet. Dem stehe nicht entgegen, dass die Kosten der Beseitigung der noch offenen Mängel lediglich knapp ein Prozent des Kaufpreises betrügen.
Die hiergegen gerichtete Revision der Streithelferin hatte Erfolg. Der BGH bemängelt die Ausführungen des OLG zur Erheblichkeit i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Worauf es ankommt und worauf nicht, ergibt sich aus den obigen redaktionellen Leitsätzen auf der Basis der BGH-Pressemitteilung.
Praxishinweis
Zehn Jahre Schuldrechtsreform waren nicht ausreichend, um in einem der praxisrelevantesten Punkte sicheren Boden unter die Füße zu bekommen. Das ist für Käufer-Anwälte um so beklagenswerter, als die Erheblichkeitsfrage ein zentrales Beratungsthema mit entsprechend hoher Regressgefahr ist (Anwaltsfehler bejaht von OLG Frankfurt VA 09, 163). Sämtliche Versuche, durch bestimmte Prozentsätze (3, 5, 10?) oder ähnliche Faustregeln Rechtssicherheit zu erlangen, sind angesichts der Vielgestaltigkeit der Fälle und Interessenlagen zum Scheitern verurteilt. Die vom BGH bereits in NJW 05, 3490 gezogene und nunmehr bekräftigte Ein-Prozent-Grenze steht allerdings fest im Raum. Kosten der Beseitigung der im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (noch) vorhandenen Mängel unter ein Prozent des Brutto-Kaufpreises indizieren Unerheblichkeit. Dies gilt auch bei hochpreisigen Neufahrzeugen. Ein weiterer Regelsatz des BGH lautet: Wenn eine (ausdrückliche) Beschaffenheitsvereinbarung gebrochen ist, bedeutet das i.d.R. „Erheblichkeit“ (BGH VA 10, 92 Tz. 23 - falsche Farbe). Deshalb ist es für Käufer-Anwälte wichtig, die Soll-Beschaffenheit aus einer Beschaffenheitsvereinbarung (besser noch: Beschaffenheitsgarantie) und nicht aus den objektiven Standards des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB abzuleiten. Der Einwand der Unerheblichkeit, für den der Verkäufer die Darlegungs- und Beweislast trägt, greift ferner i.d.R. nicht ein, wenn die Ursache der Mangelhaftigkeit trotz mehrfacher Nachbesserungsversuche im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung im Dunkeln liegt (so BGH NJW 11, 1664 Tz. 18).
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