23.09.2010 | Beweiswürdigung
Kein Vertrauensvorschuss für den Messbeamten als Zeugen
Die bloße Behauptung, ein/e Zeuge/in (hier der eine Geschwindigkeitsmessung durchführende Polizeibeamte) sei dem Gericht als besonders zuverlässig bekannt, lässt - zumindest in dieser pauschalen Form - keinen Rückschluss auf die Zuverlässigkeit der Angaben oder der Vorgehensweise des Zeugen im betreffenden Fall zu (OLG Stuttgart 12.4.10, 4 Ss 62/10, Abruf-Nr. 102718). |
Sachverhalt
Das AG hat den B. wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. In den Urteilsgründen heißt es: „Der Zeuge X, der dem Gericht aus anderen Verfahren als äußerst erfahrener und gewissenhafter Messbeamter der Verkehrspolizei bekannt ist, bezeugte glaubhaft, dass B. in einer Entfernung von 366,1 m mit 140 km/h gemessen wurde. Der Zielerfassungsbereich sei dabei frei gewesen, B. habe sich alleine auf der Straße befunden.“ Das OLG hat die Rechtsbeschwerde des B. als unbegründet verworfen.
Entscheidungsgründe
Soweit das AG seine Beweiswürdigung u.a. damit begründet hat, dass ihm der Zeuge als „äußerst erfahren und gewissenhaft“ bekannt gewesen sei, begegnet dies ernst zu nehmenden und grundsätzlich zu einer Aufhebung führenden Bedenken. Die bloße Behauptung, ein Zeuge sei als besonders zuverlässig bekannt, ist zumindest in dieser pauschalen Form nicht zulässig. Um die Zuverlässigkeit tatsächlich beurteilen zu können, hätte sich das Gericht vielmehr zuvor mehrfach, z.B. in unangekündigten Stichproben, tatsächlich von seiner Vorgehensweise und seinem Verhalten bei Messungen in Kenntnis setzen müssen. Diese „Überprüfungen“ müssten dann im Urteil zumindest kurz dargelegt werden, um den daraus gezogenen Schluss für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar bzw. überprüfbar werden zu lassen. Vermutlich beruht diese Formulierung aber allein darauf, dass das Gericht den betreffenden Zeugen (den Messbeamten) in mehreren Hauptverhandlungen gehört und seinen Angaben jeweils Glauben geschenkt habe. Dies kann richtig oder auch unrichtig gewesen sein. Ein weiter gehender Schluss auf eine personale Eigenschaft des betreffenden Zeugen, seine allgemeine Zuverlässigkeit, kann daraus nicht gezogen werden.
Dieses Fehlen von Ausführungen in den Urteilsgründen führt jedoch nicht zur Aufhebung des Urteils, weil das AG nachfolgend noch ausreichende - weitere - Feststellungen zur Frage der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen gemacht hat. Dabei hat das AG erkennen lassen, dass es dem Zeugen keinen „Vertrauensvorschuss“ eingeräumt hat, sondern seine Angaben anhand von Realitätskriterien (z.B. Plausibilität der Erinnerung, ausgefallene Details, Komplikationen, Einräumen eigener „Fehler“ bzw. Irrtümer) auf die Glaubhaftigkeit überprüft hat (vgl. OLG Stuttgart NJW 06, 3506).
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