23.04.2009 | Blutentnahme
Nochmals: Beweisverwertungsverbot bei Blutentnahme ohne richterliche Anordnung?
Zur Frage des Beweisverwertungsverbots bei einer Blutentnahme, die nicht von einem Richter angeordnet worden ist (KG 28.12.08, 2 Ss 300/08 - 3 Ws (B) 467/0, Abruf-Nr. 090778; OLG Brandenburg 16.12.08, 2 Ss 69/08, Abruf-Nr. 090784; OLG Hamm 2.12.08, 4 Ss 466/08, Abruf-Nr. 090788; LG Hagen 31.10.08, 42 Ns/63 Js 993/07 (73/08), Abruf-Nr. 091230; LG Verden 19.1.09, 1 Qs 255/08, Abruf-Nr. 090779; AG Altena 22.7.08, 4 Cs 763 Js 993/07 (150/07), Abruf-Nr. 091231). |
Sachverhalte
Alle Gerichte hatten sich mit der Frage zu befassen, ob bei einer nur durch einen Polizeibeamten angeordneten Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO) ggf. ein Beweisverwertungsverbot besteht. Dies war von den Betroffenen bzw. Angeklagten im Verfahren geltend gemacht worden. Die Obergerichte haben jedoch jeweils ein Beweisverwertungsverbot verneint, nur das LG Verden hat die Frage offen gelassen, allerdings „Gefahr im Verzug“ verneint.
Entscheidungsgründe
Seit der Entscheidung des BVerfG vom 12.2.07 (VA 07, 109 = NJW 07, 1345) ist die Diskussion darüber entbrannt, welche Folgerungen aus dieser Entscheidung zu ziehen sind. Wir stellen Ihnen für Ihre Argumentation die aktuellsten Entscheidungen vor.
Rechtsprechungsübersicht: Beweisverbot bei Blutentnahme ohne richterliche Anordnung |
Das KG hat in seiner Entscheidung das Bestehen von „Gefahr im Verzug“ und damit die Eilzuständigkeit der einschreitenden Polizeibeamten bejaht. „Gefahr im Verzug“ liege vor, wenn innerhalb von eineinhalb Stunden nach Gestellung eines des Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung von Cannabis Verdächtigen (§ 24a Abs. 2 StVG) der für die Anordnung einer Blutentnahme nach § 81a Abs. 2 StPO zuständige Bereitschaftsrichter nicht erreicht werde.
Das OLG Brandenburg und das OLG Hamm haben die Frage, ob „Gefahr im Verzug“ vorgelegen hat, offen gelassen. Sie haben aber auf jeden Fall ein Beweisverwertungsverbot verneint. Insoweit haben sie sich der h.M. in der Rspr. (der Obergerichte) angeschlossen. Diese hat für den Fall der - möglicherweise - fehlerhaften Inanspruchnahme der Eilkompetenz für die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe durch einen Polizeibeamten ein Beweisverwertungsverbot bisher nahezu einhellig abgelehnt. Vorausgesetzt wird jeweils, dass der Richtervorbehalt nicht bewusst umgangen wurde und kein anderer, ebenso schwerwiegender Verfahrensverstoß vorliegt. Das OLG Brandenburg hat zusätzlich noch darauf hingewiesen, dass es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots unerheblich ist, wenn der die Anordnung treffende Polizeibeamte nicht versucht habe, eine Eilanordnung durch die Staatsanwaltschaft zu erlangen. § 81a Abs. 2 StPO gebe für den Fall der Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Verzögerung sowohl der Staatsanwaltschaft als auch ihren Ermittlungspersonen eine Eilkompetenz für die Anordnung der Entnahme von Blutproben. Dies bedeute, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Eilanordnung diese sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von deren Ermittlungspersonen getroffen werden könne. Auch aus der Entscheidung des BVerfG vom 12.2.07 (VA 07, 109 = NJW 07, 1345) könne keine andere Rangfolge entnommen werden.
Das LG Verden hat hingegen „Gefahr im Verzug“ verneint. Während bei der Feststellung des Blutalkoholgehalts wegen des rasch fortschreitenden Abbaus des Blutalkohols jede zeitliche Verzögerung bei der Blutentnahme evidentermaßen zu größeren Ungenauigkeiten bei oder gar zu einer Unmöglichkeit der Rückrechnung des Blutalkoholgehaltes im Tatzeitpunkt führt, bestehe bei Betäubungsmitteln keine vergleichbare Gefahrenlage. Ein Zuwarten um wenige Stunden hätte daher den Untersuchungserfolg nicht gefährdet. Dies gelte umso mehr, als die Anordnung der Blutprobenentnahme durch den Polizeibeamten an einem Montag gegen 15.30 Uhr und mithin zu einer Uhrzeit erfolgte, zu der eine richterliche Entscheidung - jedenfalls durch den im LG-Bezirk Verden bestehenden zentralen richterlichen Eildienst - noch zeitnah hätte erfolgen können. Die Sachlage stelle sich hier mithin nicht anders dar als jener Sachverhalt, der dem Beschluss des BVerfG vom 12.2.07 (a.a.O.) zugrunde lag. Die Frage des Beweisverwertungsverbots hat das LG Verden indes offen lassen können, da es sich lediglich um ein Verfahren nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO gehandelt hat.
Das LG Hagen hat die Entscheidung des AG Altena aufgehoben. Dieses hatte bei einer Blutentnahme an einem Sonntag um 17.10 Uhr Gefahr im Verzug verneint, da das zuständige AG täglich bis 21.00 Uhr über das Eildienst-Handy erreichbar sei. Es hatte zudem ein Beweisverwertungsverbot angenommen und dies damit begründet, dass der einschreitenden Polizeibeamtin noch nicht einmal die Gesetzeslage bekannt gewesen sei. Sie habe also gar nicht gewusst, dass ein Richtervorbehalt bestehe. Das LG Hagen hat demgegenüber darauf abgestellt, dass bei der festgestellten Alkoholisierung von 1,1 Promille eine möglichst zeitnahe Blutprobe erforderlich gewesen sei und hat deshalb Gefahr im Verzug bejaht. Selbst wenn das nicht der Fall wäre, so wäre ein Beweisverwertungsverbot zu verneinen, weil die einschreitende Polizeibeamtin den Richtervorbehalt nicht bewusst umgangen habe. |
Praxishinweis
Aus der bisherigen Rechtsprechung kann man folgende Tendenzen ableiten:
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