Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.12.2005 | Drogenfahrt

    Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG in der Praxis

    von Richter am OLG Detlef Burhoff, Münster

    Die Fahrten unter Drogeneinfluss nehmen zu und erlangen so immer mehr Bedeutung in der anwaltlichen Praxis. Deshalb muss sich der Verteidiger rechtzeitig mit den Besonderheiten des § 24a Abs. 2 StVG vertraut machen. Das gilt vor allem deshalb, weil gerade die Drogenfahrt häufig zu Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach der FeV führt. Wir zeigen Ihnen, worauf Sie achten müssen.  

     

    Checkliste 1: Tatbestandsvoraussetzungen

    Frage  

    Antwort  

    1.  

    Seit wann ist das Führen von Kfz unter Drogeneinfluss bußgeldbewehrt?  

    Die Vorschrift des § 24a Abs. 2 StVG ist 1998 in das StVG eingefügt worden.  

    2.  

    Ist die Vorschrift verfassungsmäßig?  

    Ja, das hat das BVerfG vor kurzem noch einmal ausdrücklich bestätigt (BVerfG VA 05, 48; Abruf-Nr. 050339 = NJW 05, 358; OLG Saarbrücken VRS 102, 458; OLG Zweibrücken NZV 02, 483).  

     

    Praxishinweis: Das BVerfG hat allerdings eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift angemahnt.  

    3.  

    Welche Tatbestandsvoraussetzungen hat § 24a Abs. 2 StVG?  

    § 24a Abs. 2 StVG setzt ebenso wie die Trunkenheitsfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG voraus, dass der Betroffene im öffentlichen Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug geführt hat, und zwar unter der Wirkung eines berauschenden Mittels.  

    4.  

    Gelten für die Tatbestandsmerkmale des „Führens eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr“ Besonderheiten?  

    Nein, für diese Tatbestandsmerkmale kann auf die allgemeinen Regeln verwiesen werden. Es handelt sich um so genannte straßenverkehrsrechtliche Grundbegriffe (vgl. dazu Burhoff VA 05, 107).  

     

    Praxishinweis: Der Begriff des Kraftfahrzeugs ist enger als der des Fahrzeugs in § 316 StGB. Zur Erfüllung des Tatbestandes des § 24a Abs. 2 StVG muss der Betroffene ein durch Motorkraft angetriebenes Fahrzeug geführt haben.  

    5.  

    In welchem Zustand muss der Betroffene das Kfz geführt haben?  

    Das Kfz muss unter der Wirkung „eines anderen berauschenden Mittels“ geführt worden sein.  

    6.  

    Reicht dafür jedes berauschende Mittel aus?  

    Nein. Es muss sich um ein in der Anlage zu § 24a StVG genanntes Mittel handeln. Aufgeführt sind dort nur: Cannabis (Tetrahydocannabinol [THC]), Heroin (Morphin) , Morphin (Morphin], Kokain (Benzoylecgonin), Amphetamin (Amphetamin), Designer-Amphetamin (Methylendioxyethylamphetamin [MDE]) und Designer-Amphetamin (Methylendioxyethylamphetamin [MDMA]).  

     

    Praxishinweis: Tatbestandsmäßig ist nur das Fahren unter Wirkung eines der in der Anlage zu § 24a Abs. 2 StVG genannten berauschenden Mittel (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 24a Rn. 19). Fahrten unter der Wirkung anderer berauschender Mittel erfüllen den Tatbestand nicht (BayObLG NZV 04, 267 = DAR 04, 457). Daran ändert auch nichts, dass Methamphetamin später im Körper zu Amphetamin umwandelt. Auch eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG wegen nachgewiesenem Konsum von „Speed“ scheidet aus (BayObLG, a.a.O.)  

    7.  

    Wie wird das Mittel nachgewiesen?  

    Nach § 24a Abs. 2 S. 2 StVG liegt die Wirkung (nur) vor, wenn eines der in der Anlage genannten Mittel im Blut nachgewiesen ist. Das bedeutet: Eine der Substanzen muss durch eine Blutprobe nachgewiesen werden (OLG Hamm NZV 01, 484).  

     

    Praxishinweis: Der Nachweis in einer Urinprobe reicht nicht (AG Saalfeld NStZ 04, 49). Auch das Geständnis des Betroffenen reicht für den Nachweis nicht aus (OLG Hamm, a.a.O.).  

    8.  

    Müssen bestimmte Mindestgrenzwerte erreicht bzw. überschritten sein?  

    Nein. Das Merkmal „unter der Wirkung“ ist bereits dann festgestellt wenn eine der Substanzen der Anlage im Blut nachgewiesen ist (OLG Saarbrücken VRS 102, 120; OLG Zweibrücken VRS 102, 300). Es muss keine Mindestgrenze überschritten sein (OLG Zweibrücken, a.a.O.).  

    9.  

    Ergeben sich insoweit Änderungen durch die Rspr. des BVerfG?  

    Nein. Das BVerfG hat allerdings eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift angemahnt (vgl. VA 05, 48, Abruf-Nr. 050339). Begründet hat es das damit, dass seit dem Inkrafttreten der Vorschriften sich die Nachweismöglichkeiten verbessert haben, was zur Annahme einer längeren Wirkungsdauer geführt habe. Deshalb reicht nicht (mehr) jede Menge des berauschenden Mittels, die im Blut nachgewiesen wird.  

    10.  

    Hat das BVerfG einen Grenzwert eingeführt?  

    Nein. Auch nach der Rspr. des BVerfG muss eine Konzentration festgestellt werden, die es als möglich erscheinen lässt, dass der Verkehrsteilnehmer in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war (BVerfG, a.a.O.; OLG Zweibrücken VA 05, 124, Abruf-Nr. 051661; zur Konzentration bereits BVerfG NJW 02, 2378; BayObLG NJW 03, 1681; s. auch OVG Lüneburg NVWZ-RR 03, 899; VGH Mannheim VRS 107, 234; zu allem auch Krause HRRS 05, 138; Nobis StV 05, 386 in der Anm. zu BVerfG, a.a.O.).  

     

    Praxishinweis: Das BVerfG hat lediglich festgestellt, dass der Wirkstoffnachweis ab bestimmten Werten den Rückschluss erlaubt, der Täter habe bei seiner Verkehrsteilnahme unter der tatbestandlich relevanten Wirkung des Rauschmittels gestanden. Darüber hinaus müssen die Feststellungen des Tatgerichts immer auch Vorsatz oder Fahrlässigkeit belegen (OLG Hamm und OLG Zweibrücken, a.a.O.)  

    11.  

    Gilt die BVerfG-Rspr. auch für andere „berauschende Mittel“?  

    Ja, die Rspr. des BVerfG (a.a.O.), die eine Fahrt unter THC-Einfluss betraf, ist inzwischen auf die anderen berauschenden Mittel ausgedehnt worden (OLG Zweibrücken VA 05, 124, Abruf-Nr. 051661).  

    12.  

    Welche „Grenzwerte“ sind bei den unterschiedlichen Substanzen (vgl. Frage 6) zu Grunde zu legen?  

    Als Anhaltspunkt für die zu berücksichtigenden „Grenzwerte“ der jeweiligen Substanzen können nach der Rspr. (vgl. OLG Zweibrücken VA 05, 124, Abruf-Nr. 051661, die Empfehlungen der sog. Grenzwertkommission dienen (zust. Lorenz in der Anm. zu OLG Zweibrücken VRR 05, 199; zust. auch Nobis StV 05, 386).  

     

    Praxishinweis: Folgende „Grenzwerte“ werden angenommen (vgl. dazu BA 05, 160; Nobis, a.a.O.):  

    • bei THC 1 ng/ml,
    • bei Morphin 10 ng/ml,
    • BZE 75 ng/ml,
    • bei XTC 25 ng/ml,
    • bei MDE 25 ng/ml und
    • bei Amphetamin 25 ng/ml.

    13.  

    Können die gemessenen Werte ohne weiteres im Verfahren verwendet werden?  

    Grds. ja. Allerdings bietet sich hier ein Verteidigungsansatz. Die Werte der Grenzwertkommission müssen nämlich sicher nachgewiesen sein, so dass sich im Verfahren die Frage einer möglichen Messtoleranz stellen kann. Diese Frage hat bisher sowohl das BVerfG als auch die Grenzwertkommission offen gelassen (vgl. den Hinweis von Bönke NZV 05, 273 in der Anm. zu BVerfG VA 05, 48, Abruf-Nr. 050339). Das gilt insbesondere für den niedrigen THC-Wert. Gerade hier kann es sich empfehlen, den gemessenen Wert kritisch zu hinterfragen.  

    14.  

    Welche Schuldform erfüllt den subjektiven Tatbestand einer Drogenfahrt?  

    Der Betroffene kann vorsätzlich oder fahrlässig handeln. Die Schuldform muss sich aus den Feststellungen ergeben (BayObLG DAR 00, 366; OLG Düsseldorf zfs 02, 500; OLG Koblenz VRS 78, 361; OLG Zweibrücken VRS 102, 300 = NZV 01, 483.)  

    15.  

    Worauf muss sich der Vorsatz des Betroffenen erstrecken?  

    Der Vorsatz des Betroffenen muss sich nur auf das Fahren unter der Wirkung eines der in der Anlage 2 genannten berauschenden Mittel erstrecken. Er muss nicht auch (noch) die Spürbarkeit und die Nachweisbarkeit im Blut umfassen (OLG Zweibrücken VRS 102, 300 = NZV 01, 483; zum Vorsatz bei der Trunkenheitsfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG s. Burhoff/Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rn. 1946 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff/Bearbeiter, OWi], Rn. 1992 ff.).  

    16.  

    Wann handelt der Betroffene fahrlässig?  

    Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Betroffene hätte erkennen können und müssen, dass er unter der Wirkung des berauschenden Mittels steht (vgl. dazu OLG Hamm VRR 05, 196; s. auch KG DAR 03, 82 zur Frage des unwissenden Konsums).  

     

    Praxishinweis: Die Vorstellung des Betroffenen, der längere Zeit vor Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat, die Droge sei inzwischen abgebaut, lässt den Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht entfallen (OLG Zweibrücken VRS 102, 300 = NZV 01, 483).  

    17.  

    Welche Feststellungen müssen bei einer Verurteilung wegen eines fahrlässigen Verstoßes hinsichtlich des Schuldvorwurfs getroffen werden?  

    Insbesondere nach der neuen Entscheidung des BVerfG muss sich der Verteidiger sorgfältig mit der Frage auseinandersetzen, ob die getroffenen Feststellungen für die Annahme der Fahrlässigkeit reichen. Denn das BVerfG hat nicht zu den Anforderungen der Fahrlässigkeit Stellung genommen, sondern allein zu den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen. Das AG muss daher die Vorstellung des Betroffenen unter Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel feststellen.  

     

    Praxishinweis: Von Bedeutung sind dabei:  

    • der Zeitablauf, also die Frage: Wie lange liegt der Konsum zurück, d.h., musste der Betroffene noch mit einer körperlichen Beeinträchtigung rechnen? Als Faustregel wird man darauf abstellen können: Je höher die festgestellte Konzentration, desto eher musste der Betroffene mit einer Beeinträchtigung rechnen.
    • die Höhe der festgestellten Wirkstoffkonzentration, also die Frage: Liegt sie ggf. in einer solchen Höhe vor, dass die Einlassung des Betroffenen zum Zeitablauf nur wenig glaubhaft ist (vgl. die Fallgestaltung bei OLG Hamm, a.a.O.).
     

     

     

     

    Checkliste 2: Sanktionen

    Frage  

    Antwort  

    1.  

    Welche Sanktionen sieht § 24a Abs. 2 StVG vor?  

    Gegen den Betroffenen können eine Geldbuße und ein Fahrverbot festgesetzt werden.  

    2.  

    Gelten bei der Festsetzung der Geldbuße Besonderheiten?  

    Für die Festsetzung der Geldbuße gelten grds. die allgemeinen Regeln (vgl. dazu Burhoff/Gübner, a.a.O., Rn. 1013 ff.).  

     

    Praxishinweis: Auf folgende Besonderheiten ist hinzuweisen:  

    Nach § 24a Abs. 4 StVG kann die Geldbuße im Höchstmaß 1.500 EUR betragen. Damit werden die für Verkehrsordnungswidrigkeiten normalerweise nach §§ 24 StVG i.V.m. § 17 OWiG geltenden Rahmen um 500 EUR überschritten.  

     

    Die BußgeldkatalogVO sieht folgende Regelsätze vor: für den ersten Verstoß eine Geldbuße von 250 EUR, für den zweiten Verstoß eine Geldbuße von 500 EUR und für den dritten Verstoß eine Geldbuße von 750 EUR.  

    3.  

    Welche Umstände haben Bedeutung für die Bemessung der Geldbuße?  

    Bei der Bemessung der Geldbuße sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dazu gehört vor allem auch die Höhe der Wirkstoffkonzentration (OLG Hamm VRS 48, 51; OLG Koblenz VRS 49, 444, jeweils für eine Trunkenheitsfahrt). Dabei muss sich das AG auch mit der Frage auseinandersetzen, ob es sich um einen Regelfall handelt (Hentschel, a.a.O., § 24a StVG Rn. 27).  

    4.  

    Mit welcher Dauer wird ein Fahrverbot bemessen?  

    Neben der Geldbuße ist nach § 25 Abs. 1 S. 2 StVG i.d.R. auch ein Fahrverbot anzuordnen (vgl. dazu eingehend Burhoff/Deutscher, a.a.O., OWi, Rn. 498). Nach lfd. 241 – 241.2 BKatV ist beim Ersttäter ein Fahrverbot von einem Monat vorgesehen, während ein zwei oder drei Monate dauerndes Fahrverbot je nachdem verhängt werden soll, ob eine oder mehrere verwertbare einschlägige Voreintragungen nach dieser Norm oder den nach den §§ 316, 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB im Verkehrszentralregister vorhanden sind.  

    5.  

    Gelten für das Fahrverbot Besonderheiten?  

    Nein. Es handelt sich auch beim Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 S. 2 StVG um ein gesetzliches Regelfahrverbot. Das Vorliegen einer Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG begründet die gesetzliche Indizwirkung auf der Tatbestandsebene (OLG Düsseldorf DAR 93, 479; 99, 224). Wie bei den Regelbeispielen in § 4 BKatV sind auch hier die Indizwirkungen sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite widerlegbar (dazu Burhoff/Deutscher, OWi, Rn. 788 ff.).  

    6.  

    Kann von einem Fahrverbot abgesehen werden?  

    Ja, grundsätzlich ist das möglich. Nach überwiegender Ansicht ist für Absehen auf der Rechtsfolgenseite aber erforderlich, dass das Fahrverbot beim Betroffenen zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde (BGHSt 38, 125; OLG Hamm DAR 02, 324; Burhoff/Deutscher, OWi, Rn. 768 ff.).  

     

    Praxishinweis: Deshalb ist es i.d.R. schwierig bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG das Absehen vom Fahrverbot zu erreichen. Außergewöhnliche Härten, welche die Angemessenheit des Fahrverbots ausschließen, können sich insbesondere aus den beruflich-wirtschaftlichen, aber auch aus immateriellen Folgen für den Betroffenen ergeben. Dazu muss der Verteidiger wegen der verschärften Anforderungen an das Absehen von einem Fahrverbot gerade bei einem Verstoß gegen § 24a Abs. 2 StVG eingehend und detailliert vortragen.