· Fachbeitrag · Drogenfahrt
Drogenfahrt und Medikamentenklausel
| Wird dem Betroffenen der Vorwurf einer Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG gemacht, kann die sog. Medikamentenklausel aus § 24a Abs. 2 S. 3 StVG eine Rolle spielen. Danach wird nicht ordnungswidrig gehandelt, wenn die festgestellte Substanz („Droge“) ausschließlich durch die bestimmungsgemäße Einnahme eines Arzneimittels in das Blut gelangt ist. Dazu muss sie aber für einen konkreten Krankheitsfall ärztlich verordnet worden sein. Zu der Medikamentenklausel hat sich das OLG Koblenz geäußert. |
Sachverhalt
Nach den Feststellungen des AG war der Betroffene nachts gegen 2:17 Uhr mit einem PKW gefahren, obwohl eine um 2:45 Uhr entnommene Blutprobe Werte von 13 ng/ml THC und 5 ng/ml Benzoylecgonin ‒ ein Abbauprodukt von Kokain ‒ aufwies. Der Betroffene hatte sich beim AG dahingehend eingelassen, dass ihm bewusst gewesen sei, dass er das Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis geführt habe, da ihm ‒ wie vom AG festgestellt ‒ von seinem behandelnden Arzt die Einnahme von bis zu 2g THC haltigen Produkten (Cannabisblüten) verordnet worden ist. Auf der Grundlage dieser Beweisergebnisse hat das AG wegen des festgestellten Abbauprodukts Benzoylecgonin auf einen Beikonsum von Kokain geschlossen und daraus eine nicht bestimmungsgemäße Einnahme i. S. v. § 24a Abs. 2 S. 3 des verordneten Medizinalcannabis hergeleitet. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass hierdurch das Privileg der Medikamentenklausel insgesamt entfalle. Der Betroffene habe damit durch den nachgewiesenen Wert von 13 ng/ml THC ordnungswidrig gehandelt.
Entscheidungsgründe
Das hatte beim OLG Koblenz keinen Bestand (13.4.22, 3 OWi 31 SsBs 49/22, Abruf-Nr. 229133). Das OLG geht von einem Darstellungsmangel aus. Während ein Drogenkonsument eine Substanz zu sich nimmt, um berauscht zu sein, nimmt ein Patient eine Substanz zu sich, um seine Leiden zu lindern (BT-Drucks 17/9868). Bei bestimmungsgemäßer Einnahme fährt der ein Medikament einnehmende Patient gerade nicht in einem berauschten Zustand.
- Hält sich ein Kraftfahrer an die ärztlichen Vorgaben, begeht er nach § 24a Abs. 2 S. 2 StVG keine Ordnungswidrigkeit, da die Substanz dann aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.
- Eine bestimmungsgemäße Anwendung liegt aber nur vor, wenn sie auf einer eindeutigen Verschreibung für eine symptombezogene Indikation beruht und das Arzneimittel nicht missbräuchlich oder überdosiert verwendet wird (OLG Bamberg VA 19, 68).
- Dazu muss zunächst festgestellt werden, ob und wann das Medikament durch einen Arzt verordnet, zur Behandlung einer konkreten Krankheit eingenommen und die Dosierungsanweisung beachtet worden sei (KG 30.7.15, 3 Ws [B] 368/15). Die Feststellungen fehlten in der amtsgerichtlichen Entscheidung.
Relevanz für die Praxis
Interessant ist die sog. „Segelanweisung“ des OLG. Es hat für die neue Hauptverhandlung nämlich auf Folgendes hingewiesen: Liegen die Voraussetzungen des § 24a Abs. 2 S. 3 StVG vor, lässt sich nach der Rechtsprechung des KG die Einnahme von Medikamenten vom Konsum illegaler Drogen ‒ etwa bei gleichem Wirkstoff im Blut ‒ mit sachverständiger Hilfe unterscheiden (vgl. KG, a. a. O.). Im Umkehrschluss bedeutet dies für das OLG, dass der Konsum von illegalen Drogen neben Medizinalcannabis die Anwendung der Medikamentenklausel grundsätzlich nicht entfallen lässt. Deshalb sind Feststellungen zu den Einnahme- und Dosierungsanweisungen auch bei einem Mischkonsum nicht entbehrlich. Diese Darstellung sei auch dann nicht entbehrlich, wenn weitere Substanzen, die selbst nicht in einer die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen Konzentration vorliegen, im Blut des Betroffenen festgestellt worden seien. So weit ersichtlich ist das neben dem Beschluss des KG (a. a. O.), der die Frage auch anspricht, eine der wenigen Entscheidungen, die sich überhaupt mit dieser Frage befassen musste.