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  • 01.11.2006 | Drogenfahrt

    Umfang der tatsächlichen Feststellungen zum Merkmal „unter der Wirkung“ (§ 24a Abs. 2 StVG)

    Es sind Ausnahmefälle möglich, in denen ein Kraftfahrer nach einem bestimmten Zeitraum nicht mehr damit rechnen muss, noch unter der Wirkung einer konsumierten illegalen Droge zu stehen. Deshalb muss der Tatrichter neben dem Erreichen oder Überschreiten eines bestimmten BtM-Grenzwerts weitere Feststellungen zur Fahrlässigkeit hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „unter der Wirkung“, ggf. unter Heranziehung weiterer Beweisanzeichen, treffen (OLG Zweibrücken 29.6.06, 1 Ss 88/06, Abruf-Nr. 062939).

     

    Sachverhalt

    Der Betroffene rauchte auf einem Fest einen Joint. Drei Tage später führte er einen Pkw. Bei einer Verkehrskontrolle stellten Polizeibeamte bei ihm starkes Lidflattern, zittrige Hände, einen ausgeprägten Rededrang und gerötete Augen fest. Die Blutprobe ergab eine Konzentration von 2,1 ng/ml THC und 19 ng/ml THC-COOH im Blut. Das AG hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kfz unter der Wirkung von Cannabis nach § 24a Abs. 2 S. 1, Abs. 3 StVG eine Geldbuße sowie ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Beweiswürdigung ist lückenhaft. Die Feststellung, der Betroffene habe drei Tage vor Fahrtantritt einen Joint geraucht, erlaubt auch i.V.m. den durch die Blutanalyse ermittelten THC- und THC-COOH-Werten nicht ohne weiteres den sicheren Rückschluss auf die festgestellte Fahrlässigkeit des Betroffenen. Im Rahmen der Beweiswürdigung hätte es einer näheren Darlegung bedurft, dass der Betroffene die Möglichkeit fortdauernder Wirkung auch erkannte oder zumindest hätte erkennen können und müssen. Die Fahrlässigkeit bei § 24a Abs.2 StVG bezieht sich nicht allein auf den Konsumvorgang, sondern auch auf die Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt. Zwar ist die Annahme, die Droge sei zwischenzeitlich abgebaut, als Fehlvorstellung über die Dauer der Wirkung grundsätzlich unerheblich. Es sind aber Ausnahmefälle denkbar, in denen ein Kraftfahrer nach einer bestimmten Zeit nicht mehr damit rechnen muss, noch unter Drogenwirkung zu stehen. Für den Fall eines unkontrollierten Drogenkonsums, bei dem der Betroffene weder Dosis noch Qualität des konsumierten Rauschgifts kannte, durfte der Betroffene jedenfalls am Nachmittag des darauf folgenden Tages nicht zweifelsfrei annehmen, wieder ein Kfz führen zu dürfen. Muss aber der Täter ausnahmsweise wegen des längeren Zeitablaufes zwischen Jointkonsum und Fahrtantritt, wie hier z.B. drei Tage, nicht ohne weiteres erkennen, dass er noch unter Drogenwirkung steht, so bedarf es weiterer Feststellungen zur Fahrlässigkeit  

     

    Praxishinweis

    Ähnlich hat bereits das OLG Hamm entschieden (3.5.05, 4 Ss OWi 215/04, Abruf-Nr. 051647). Etwas anderes folgt auch nicht aus der neueren Rspr. des BVerfG (VA 05, 48, Abruf-Nr. 050339). Dieses hat nicht einen „Grenzwert“ eingeführt, sondern fordert nur die Feststellung einer Konzentration, die es als möglich erscheinen lässt, dass der Verkehrsteilnehmer in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war (dazu auch Burhoff VA 05, 217). Das OLG Zweibrücken hat für die neue Hauptverhandlung darauf hingewiesen, dass in Anbetracht der Überschreitung des Grenzwertes von 0,1 ng/ml um das Doppelte, sowie angesichts der festgestellten weiteren Beweisanzeichen (Lidflattern, zittrige Hände, Rededrang) die Annahme nahe liegen könne, dass der Betroffene entweder zeitnäher oder in deutlich größerer Menge als angegeben Cannabis konsumiert hat. Diese Frage müsse in einer erneuten Hauptverhandlung ggf. unter Hinzuziehung eines Sachverständigen beantwortet werden.