01.07.2006 | Europäische Fahrerlaubnis
Anerkennung einer in einem anderen EU-Mitgliedsstaat erworbenen Fahrerlaubnis
Es ist einem Mitgliedsstaat, bei dem die Umschreibung eines in einem anderen Mitgliedsstaat erworbenen gültigen Führerscheins beantragt wird, verwehrt, diese Umschreibung davon abhängig zu machen, dass eine erneute Untersuchung der Fahreignung des Antragstellers vorgenommen wird, die nach dem Recht des umschreibenden Staates erforderlich ist (EuGH 6.4.06, C-227/05, Halbritter, Abruf-Nr. 061594). |
Sachverhalt
Dem Kläger war in Deutschland die Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist von 18 Monaten entzogen worden. Nach Ablauf der Sperrfrist verlegte er seinen Wohnsitz nach Österreich. Dort erhielt er nach einer medizinischen und einer psychologischen Begutachtung einen österreichischen Führerschein für die Klassen A und B. Nachdem der Kläger nach Deutschland zurückgekehrt war, beantragte er dort eine Umschreibung seiner österreichischen Fahrerlaubnis. Die deutsche Verwaltungsbehörde verlangte vom Kläger daraufhin gem. § 11 Abs. 2 und 3 Nr. 5b FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens über die Fahreignung, obwohl eine von österreichischen Behörden erstellte medizinisch-psychologische Stellungnahme vorgelegt werden konnte. Die Verwaltungsbehörde lehnte den Antrag des Klägers dennoch ab mit der Begründung, dass die auf Grund des Entzugs der deutschen Fahrerlaubnis bestehenden Zweifel an der Fahreignung fortbestehen und nur mit einem nach den in Deutschland geltenden Normen erstellten medizinisch-psychologischen Gutachten ausgeräumt werden können. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Das VG München hat das Verfahren ausgesetzt und den Fall zur Vorabentscheidung dem EuGH vorgelegt (vgl. NJW 05, 2800).
Entscheidungsgründe
Der EuGH hat zur Begründung seiner aus dem Leitsatz ersichtlichen Auffassung auf seine „Kapper-Entscheidung“ vom 29.4.04 (C-476/01, VA 04, 100, Abruf-Nr. 041215) verwiesen. Dort hat der EuGH bereits zu den Auswirkungen der Richtlinie 90/439 auf die deutsche FeV Stellung genommen. Nach dieser Rechtsprechung müssen die von den EU-Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine von den anderen Mitgliedsstaaten anerkannt werden. Die Gültigkeit und die Voraussetzungen einer Erteilung dürfen von den Mitgliedsstaaten nicht überprüft werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der von einem Mitgliedsstaat ausgestellte Führerschein erteilt wurde, nachdem eine in einem anderen Mitgliedsstaat ggf. verhängte Sperrfrist abgelaufen war. Der EuGH stellt nun klar, dass die Mitgliedsstaaten auch nicht das Recht haben, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis und Ausstellung eines Führerscheins zu überprüfen. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis vorgelegen haben, also ob der Fahrerlaubnisinhaber seinen Wohnsitz im anderen Mitgliedsstaat hatte. Das gilt vielmehr auch für die Frage, ob die inländischen medizinischen und psychologischen Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis vorliegen bzw. vorgelegen haben. Ein Mitgliedsstaat sei nicht befugt, die Nutzung eines ausländischen Führerscheins davon abhängig zu machen, dass sich der Inhaber einer nach deutschen Regeln erstellten medizinisch-psychologischen Untersuchung unterziehe.
Praxishinweis
Die Auswirkungen der Kapper-Entscheidung waren in der Vergangenheit umstritten (vgl. dazu VA 05, 142 Abruf-Nr. 051796). Dabei bestand Streit insbesondere in der Frage, inwieweit im Verwaltungsverfahren die im Ausland erworbene Fahrerlaubnis anzuerkennen ist und/oder, ob die deutschen Behörden für eine Anerkennung die Vorlage von für den Inhaber günstigen medizinisch-psychologischen Gutachten verlangen können (vgl. dazu einerseits bejahend VGH Mannheim (12.10.04, 10 S 1346/04, Abruf-Nr. 050955) und OVG Münster (VA 06, 34, Abruf-Nr. 053646) und andererseits verneinend OVG Koblenz (VA 05, 196, Abruf-Nr. 052451= NJW 05, 3228 sowie VG Frankfurt (VRR 05, 437; vgl. die weiteren Nachweise bei VA 05, 142). Diesen Streit hat der EuGH nun i.S.d. OVG Koblenz und des VG Frankfurt entschieden. Danach ist die in einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellte Fahrerlaubnis im Inland grundsätzlich ohne Einschränkung wirksam. Die inländischen Fahrerlaubnisbehörden dürfen nur dann Maßnahmen ergreifen, wenn nach Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis und Ausstellung der Fahrerlaubnis im anderen Mitgliedsstaat Umstände eingetreten sind, aufgrund deren die Fahreignung in Frage zu ziehen wäre. Gibt es solche Umstände nicht, können die inländischen Behörden die Wirksamkeit der in dem anderen Mitgliedsstaat erworbenen Fahrerlaubnis nicht in Frage ziehen. Sie müssen insbesondere ohne erneute Untersuchung der Fahreignung umschreiben.
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