01.02.2005 | Fahrverbot
Begriff des Augenblicksversagens
Unter einem „Augenblicksversagen“ kann nur ein sehr kurzfristiges Fehlverhalten bzw. Außerachtlassen der unter den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verstanden werden (OLG Hamm 4.11.04, 3 Ss OWi 518/04, Abruf-Nr. 043296). |
Sachverhalt
Das AG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. An der Messstelle war durch Zeichen 274.1 eine Tempo-30-Zone eingerichtet. Das Zeichen 274.1 war 70 m vor der Messstelle aufgestellt. Das rechtsseitig aufgestellte Schild war aus einer Entfernung von etwa 80 m gut zu erkennen. Das AG hat ein Augenblicksversagen abgelehnt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte beim OLG keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Das AG hat zu Recht ein Augenblicksversagen abgelehnt. Unter einem Augenblick ist im allgemeinen Sprachgebrauch eine sehr kurze Zeitspanne zu verstehen. Unter einem Augenblicksversagen kann daher auch nur ein sehr kurzfristiges Fehlverhalten bzw. Außerachtlassen der unter den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verstanden werden. Von einem nur kurzfristigen Versagen des Betroffenen (= momentane Unaufmerksamkeit) kann vorliegend jedoch nicht die Rede sein. Das die Geschwindigkeit herabsetzende Verkehrszeichen tauchte für den Betroffenen nicht etwa überraschend auf, sondern war bereits aus einer Entfernung von etwa 80 Metern gut zu erkennen. Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h hätte er dieses Verkehrszeichen fast 6 Sekunden und selbst bei einer Geschwindigkeit von 55 km/h (15,28 m/s) noch etwas mehr als 5 Sekunden in seinem Blickfeld gehabt. Eine solche Zeitspanne kann jedenfalls im Straßenverkehr, in dem sich sowohl die Beschilderung als auch das Verkehrsgeschehen ständig ändern können, nicht mehr als bloßer Augenblick angesehen werden. Die Unaufmerksamkeit eines Kraftfahrers während eines Zeitraumes von 5 bis 6 Sekunden kann daher nicht mehr nur als leichte Fahrlässigkeit angesehen werden, sondern rechtfertigt den Vorwurf grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit.
Praxishinweis
Es erscheint fraglich, ob der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm mit dieser Entscheidung die Anforderungen an das Augenblicksversagen nicht überspannt. Denn legt man seine Auffassung zu Grunde, ist ein Augenblicksversagen bereits immer dann ausgeschlossen, wenn der Betroffene das die Geschwindigkeit begrenzende Schild hätte erkennen können. Da dies in der Praxis in der Regel der Fall sein dürfte, wäre damit in diesen Fällen ein Augenblicksversagen praktisch ausgeschlossen.
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