25.10.2010 | Geschwindigkeitsmessung
Geschwindigkeitsmessung mit Leivtec
Zur Verneinung eines Anfangsverdachts bei einer mit Leivtec XV2 durchgeführten Geschwindigkeitsmessung (AG Prenzlau 31.5.10, 21 OWi 383 Js-OWi 41493/09 (504/09), Abruf-Nr. 102705). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Das AG hat den Betroffenen vom Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen, weil der für die Anwendung der nach der StPO in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlagen (u.a. § 100h StPO) erforderliche Anfangsverdacht nicht vorgelegen hat. Die Messanlage Leivtec XV2 löst nicht automatisch bei Erreichen eines bestimmten Messwerts eine Aufzeichnung aus. Vielmehr wird entweder sämtlicher Verkehr aufgenommen oder der Messbeamte startet den Aufzeichnungsvorgang bei ständig laufender Videokamera manuell, wobei jeweils die Messdaten auf der Tonspur des Videobands aufgezeichnet werden. Der Messbeamte hatte bei seiner Vernehmung ausgesagt, den Verkehrsvorgang individuell nur dann aufgezeichnet zu haben, wenn er aufgrund seiner fünfjährigen Berufserfahrung für Geschwindigkeitsmessungen von einer Geschwindigkeitsüberschreitung ausgegangen ist.
Das sah das AG nach Einsicht in die Videoaufzeichnung anders. Vielmehr seien die Aufzeichnungen zu großen Teilen nur wegen eines bloßen Verdachts ohne erforderliche Anhaltspunkte angefertigt worden. Auffällig sei, dass bei lebhaftem Verkehr geschätzt nicht einmal jedes 10. gefilmte Fahrzeug mindestens mit dem eingestellten Geschwindigkeitsgrenzwert von 79 km/h gefahren sei. Die Anzahl der Fahrzeuge, die zwischen zwei Überschreitungen lagen, differierte dabei erheblich. Regelmäßig wären Kolonnen von 5, 6 Fahrzeugen ohne eine Überschreitung aufgezeichnet worden. Da sich die Überschreitungen bei den gefilmten Fahrzeugen entsprechend in einer sehr kleinen Minderheit befinden, ließ dies nach Auffassung des AG nur den Schluss zu, dass die von dem Messbeamten allein herangezogene Einschätzung der Geschwindigkeit aufgrund seiner Erfahrung für jedenfalls die konkrete Messstelle nicht tauglich sei, die für einen Anfangsverdacht erforderlichen Anhaltspunkte zu geben bzw. der Messbeamte falsche visuelle Vorstellungen von gefahrenen Geschwindigkeiten hatte.
Praxishinweis
Von Bedeutung ist an der Entscheidung, die vor dem BVerfG-Beschluss vom 5.7.10 (VA 10, 154) ergangen ist, der Umstand, dass sie deutlich macht, dass es jetzt gerade auf die Frage des Anfangsverdachts ankommt, ob also tatsächlich „verdachtsabhängig“ gemessen worden ist. Dazu muss der Verteidiger (Beweis-)Anträge auf Augenscheinseinnahme von vorhandenem Bildmaterial und auf Vernehmung der die Messung durchführenden Messbeamten stellen (vgl. dazu auch die Anmerkung zu BVerfG, a.a.O., und OLG Dresden VRR 10, 33 = DAR 10, 32).
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