24.11.2010 | Geschwindigkeitsmessung
ProViDa-Messung vom Motorrad fehlerbehaftet
Derzeit ist bei Verkehrsüberwachungen mittels Messungen durch das ProViDa-System im Betrieb mit Motorrädern nur bei Geradeausfahrten mit aufrechter Position von einem standardisierten Messverfahren auszugehen (OLG Hamm 26.8.10, III - 3 RBs 226/10, Abruf-Nr. 103652). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der Betroffene ist vom AG wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Der Verurteilung hat das AG eine mit dem ProViDa-System 2000 von einem Motorrad aus durchgeführte Messung zugrunde gelegt. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.
Nach Mitteilung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vom 3.3.10 und entsprechender Verfügung des Landesamts für Polizeiliche Dienste NRW vom 25.3.10 darf das Videonachfahrsystem Provida 2000 im Betrieb mit Motorrädern zurzeit bei Messungen mit Schräglage nicht verwendet werden. Hintergrund ist, dass bei Kurvenfahrten in Situationen mit extremer Schräglage durch einen verringerten Reifenabrollumfang des messenden Fahrzeugs Messwerte für die Wegstrecke und die Geschwindigkeit systematisch zu groß berechnet werden. Noch ist unklar, ob die Verkehrsfehlergrenzen eingehalten werden. Nur bei Messfahrten mit aufrechter Position, bei denen im Video keine offensichtliche Schräglage erkennbar ist, würden die Fehlergrenzen eingehalten. Nur solche Messungen dürfen weiterhin durchgeführt bzw. ausgewertet werden. Ausgenommen hiervon sind lediglich Fahrten in Betriebsarten ohne Wegstreckenmessung durch das Motorrad (z.B. voreingestellte separat ausgemessene Wegstrecke ohne Schräglage). Aufgrund dessen ist zurzeit bei Verkehrsüberwachungen mittels Messungen durch das ProViDa-System im Betrieb mit Motorrädern nur bei Geradeausfahrten mit aufrechter Position von einem standardisierten Messverfahren auszugehen. Daher sind die Urteilsfeststellungen lückenhaft. Es bleibt unklar, ob die Messung ausschließlich in Geradeausfahrt erfolgt ist.
Praxishinweis
Die Frage „Schrägfahrt oder Geradeausfahrt“ muss der Verteidiger in der Hauptverhandlung durch die Befragung des Messbeamten klären. Davon hängt der erforderliche Umfang der tatrichterlichen Feststellungen ab. Ist (auch nur teilweise) in Schrägfahrt gemessen worden, muss der Amtsrichter die Messung im Einzelnen beschreiben, da sie nicht als standardisierte Messung i.S.d. obergerichtlichen Rechtsprechung angesehen werden kann. Zu klären ist zudem, ob eine permanente Videoaufzeichnung seit Fahrtbeginn des Messfahrzeugs oder eine anlassbezogene Aufzeichnung der streitgegenständlichen Fahrt vorlag. Das ist von Belang für die grundsätzliche Verwertbarkeit der Messung. Denn nur für eine anlassbezogene Fahrt steht die Rechtsprechung des BVerfG (VA 10, 154; VA 10, 172) zur Ermächtigungsgrundlage in diesen Fällen - § 100 h StPO - zur Verfügung. Anderenfalls liegt keine Ermächtigungsgrundlage vor. Dann muss in der Hauptverhandlung die Frage eines Beweisverwertungsverbots gestellt werden.
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