Umstände des Einzelfalls | Rechtsfolge | Fundstelle |
Geschwindigkeitsüberschreitung in einer Fahrradstraße. | Eine Geschwindigkeit ist als mäßig anzusehen, die derjenigen des Fahrradverkehrs angepasst ist, schneller als 30 km/h darf nicht gefahren werden. | OLG Karlsruhe VA 07, 34 = NJW 07, 1299, Abruf-Nr. 063635 |
Wirksamkeit des Bußgeldbescheids wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. | Ein wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung erlassener Bußgeldbescheid kann auch genügend bestimmt sein, wenn als Tatort ein signifikanter Streckenabschnitt eindeutig bezeichnet und die Tatzeit mit einem Zeitintervall von wenigen Minuten eingegrenzt ist. Praxishinweis: Das OLG Bamberg lässt zur Überprüfung der genügenden Bestimmtheit den Rückgriff auf die Akten zu (so auch schon BayObLG NZV 94, 448). | OLG Bamberg VA 09, 49, Abruf-Nr. 090110 |
Entbindung von der Pflicht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung, wenn der Betroffene bei einer Messung durch Nachfahren lediglich die Richtigkeit des beim Nachfahren abgelesenen Tachometerwerts bestreitet. | Die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung ist nicht erforderlich (§§ 73, 74 OWiG), weil die gebotene ergänzende Aufklärung auch ohne die Präsenz des Betroffenen durch Vernehmung von Polizeibeamten und/oder Sachverständigengutachten durchgeführt werden kann. | OLG Bamberg zfs 08, 413 |
Der Betroffene behauptet, sein Fahrzeug habe die ihm vorgeworfene Geschwindigkeit von 120,9 km/h nicht erreichen können. Wegen des defekten Katalysators sei ein so erheblicher Leistungsverlust aufgetreten, dass er nicht schneller als 80 km/h habe fahren können. | Es ist rechtsfehlerhaft und widerspricht technischen Erfahrungssätzen, wenn der Tatrichter dieser Einlassung jegliche Relevanz abspricht, denn durch die unrichtige Annahme, ein defekter Katalysator beeinträchtige die Motorleistung nicht, begibt sich der Tatrichter der Möglichkeit, der Einlassung des Betroffenen nachzugehen. | KG NZV 07, 323 = VRS 112, 293 |
In der Hauptverhandlung wird die Kopie des Eichscheins verlesen. | Das ist grds. zulässig, da ein Erfahrungssatz des Inhalts besteht, dass die von einer Polizeibehörde gefertigte Fotokopie des Eichscheins des Geschwindigkeitsmessgeräts den Schluss zulässt, dass diese mit dem Original übereinstimmt. Praxishinweis: Der Verteidiger muss also entgegenstehende Anhaltspunkte geltend machen. | OLG Jena VRS 114, 453 |
Nur Inaugenscheinnahme und kein Verlesen von Eichschein und Messbild. | Keine ordnungsgemäße Einführung des Inhalts von Urkunden in die Hauptverhandlung. | OLG Jena VRS 114, 37 |
Augenblicksversagen | Kein Augenblicksversagen, wenn der Betroffene vor Erreichen der Messstelle bereits drei beidseitig an einer BAB aufgestellte Zeichen 274, durch die die zulässige Höchstgeschwindigkeit zunächst auf 100 km/h und sodann auf 80 km/h mit dem Zusatzschild „Straßenschäden“ beschränkt worden war, passiert hat. Praxishinweis: Der Tatrichter muss bereits ein mögliches Augenblicksversagen prüfen, wenn der Betroffene sich dahin einlässt, er habe das geschwindigkeitsbeschränkende Schild nicht wahrgenommen (OLG Hamm VA 07, 165, Abruf-Nr. 072595). | OLG Hamm VA 08, 194, Abruf-Nr. 082619 |
Der Betroffene lässt sich bei einer innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ein, er habe das Ortseingangsschild übersehen, und es habe sich ihm auf Grund der äußeren Umgebung der Bundesstraße auch nicht aufdrängen müssen, dass er sich innerorts befand. | Eine Bezugnahme auf die von der Fahrtstrecke aufgenommenen Lichtbilder der Ermittlungsakte reicht allein nicht aus, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung zu ermöglichen, ob sich das Tatgericht ausreichend mit der Einlassung des Betroffenen auseinandergesetzt hat. Insbesondere wenn die Lichtbilder verschiedene Rückschlüsse zulassen, bedarf es zumindest einer knappen Beschreibung der einzelnen Lichtbilder, die die Innerörtlichkeit ausreichend belegen. | OLG Dresden 18.12.07, Ss (OWi) 779/07, Abruf-Nr. 082358 |
Rechtfertigungsgrund: Stuhldrang | Im Einzelfall kann eine Geschwindigkeitsüberschreitung durch einen Notstand (§ 16 OWiG) gerechtfertigt sein, wenn der Betroffene sie begangen hat, um einem plötzlich aufgetretenen und „unabweisbaren“ Stuhldrang (Durchfall) nachzukommen Praxishinweis: Zum rechtfertigenden Notstand bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung s. Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl. 2009, Rn. 1561. | OLG Düsseldorf VA 08, 53 = NZV 08, 470, Abruf-Nr. 080340 |
Gleichzeitige Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und wegen Verstoßes gegen ein Überholverbot. | Unzulässig, das stellt eine Doppelsanktionierung des selben Verhaltensunwerts dar. | OLG Hamm VRR 07, 473 |
Mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen auf einer Fahrt. | Bei mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen im Verlaufe ein und derselben Fahrt handelt es sich regelmäßig um mehrere Taten im materiellen und prozessualen Sinne. Praxishinweis: Handlungseinheit ist lediglich anzunehmen, wenn sich die Verstöße bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als einheitliches zusammengehörendes Tun darstellen. | OLG Brandenburg 18.2.08, 1 Ss (OWi) 266 B/07, Abruf-Nr. 090577; OLG Hamm VA 07, 221, Abruf-Nr. 073342 |
Verhältnis von Nichtanlegen des vorgeschriebenen Sicherheitsgurts und Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. | Es besteht Tateinheit. | OLG Stuttgart VRS 112, 59 |
Verhältnis von Geschwindigkeitsüberschreitung und verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons. | Es handelt sich um einen einheitlichen Lebensvorgang. Praxishinweis: Wird zunächst nur wegen eines der beiden Verstöße ein Bußgeldbescheid erlassen, der rechtskräftig wird, steht dem Erlass eines Bußgeldbescheids wegen des anderen Verstoßes ein Verfahrenshindernis entgegen. | AG Homburg NStZ-RR 08, 122 |
Auswertung des Schaublatts eines Fahrtenschreibers im Sinne von § 57a Abs. 1 StVZO oder eines EG-Kontrollgeräts gem. Art. 3 Abs. 1VO EWG Nr. 3821/85 zum Zwecke der Feststellung von Geschwindigkeitsverstößen durch das Tatgericht. | Kann im Regelfall ohne Hinzuziehen eines Sachverständigen vorgenommen werden, zum Ausgleich von Fehlerquellen ist aber ein Toleranzwert von 6 km/h von der festgestellten Geschwindigkeit in Abzug zu bringen. Praxishinweis: Dieser Toleranzwert wird aus Anhang I Nr. 3 Buchst. f Nr. 3 Buchst. b zur Verordnung EWG Nr. 3821/85 hergeleitet. | OLG Bamberg NZV 08, 45 = zfs 08, 295 |