01.06.2005 | Geschwindigkeitsüberschreitung
Hohe Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit = Vorsatz?
Überschreitet ein Betroffener die gem. Zeichen 274 angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 100 km/h und die gem. § 3 Abs. 3 Nr. 2c StVO allgemein geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 70 km/h liegt jedenfalls im Umfang der die allgemein zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschreitenden Höchstgeschwindigkeit Vorsatz vor (OLG Hamm 30.3.05, 4 Ss OWi 173/05, Abruf-Nr. 051361). |
Sachverhalt
Der Betroffene befuhr mit seinem Porsche eine Bundesstraße. An der Messstelle vor einer Kreuzung war durch beidseitig aufgestelltes Zeichen 274 eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h angeordnet. Der Betroffene fuhr mit einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 170 km/h. Er ist wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Seine dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Das OLG hat jedoch den Schuldspruch abgeändert.
Entscheidungsgründe
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der erhobenen Sachrüge führt zur Abänderung der Schuldform im Schuldspruch. Das AG hat zu Unrecht nur Fahrlässigkeit angenommen. Der BGH (VRS 94, 227, BGHSt 43, 214) hat wiederholt entschieden, dass sich bei grober Überschreitung der außerorts gem. § 3 Abs. 3 Nr. 2c StVO einzuhaltenden Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h die Annahme vorsätzlicher Begehung aufdrängt. Aufgrund der mit einer Geschwindigkeit von 170 km/h verbundenen Geräuschentwicklung des Motors, der Annäherung an einen Einmündungsbereich und vor allem des Bewegungseindrucks angesichts einer pro Sekunde zurückgelegten Strecke von mehr als 47 Metern ist hier die Annahme von Fahrlässigkeit von Rechts wegen nicht mehr zu vertreten. Der Vorsatz des Betroffenen bezog sich jedenfalls auf die Überschreitung der gem. § 3 Abs. 3 Nr. 2c StVO zu beachtenden außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Damit liegt insgesamt ein vorsätzlicher Geschwindigkeitsverstoß vor.
Praxishinweis
Das OLG war an der Änderung der Schuldform des Schuldspruchs nicht durch das Verschlechterungsverbot gehindert, da dieses nur die Art und Höhe der Rechtsfolgen betrifft (§§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 358 Abs. 2 StPO). Die Änderung konnte das OLG auch ohne einen rechtlichen Hinweis vornehmen: Denn es war schon im Bußgeldbescheid von vorsätzlicher Begehungsweise ausgegangen worden. Zudem war für das OLG nicht erkennbar, wie sich der schweigende Betroffene anders hätte verteidigen können.
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