01.06.2007 | Haftpflichtprozess
Aktuelle Fragen des Sachverständigenbeweises: Teil 1: Unfallrekonstruktion
Es wird immer schwieriger aufzuklären, wer den Unfall verursacht hat: Mensch oder Maschine? In Teilbereichen ähnlich problematisch ist die Aufklärung von Unfallfolgen. Vor diesem Hintergrund ist der Beweis durch Sachverständigengutachten wichtiger denn je. Mit Hilfe eines Sachverständigen das eigene Prozessziel zu erreichen bzw. die gutachtengestützte Beweisführung der Gegenseite zu verhindern, gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben des Anwalts im Verkehrsunfallprozess. Welche Möglichkeiten, Rechte und Pflichten im Einzelnen bestehen, ist Gegenstand dieses Zweiteilers. Nachfolgend Teil 1 (Unfallrekonstruktion). Teil 2 (Unfallfolgen, speziell Personenschäden) folgt in der Juli-Ausgabe.
I. Gutachten im vorgerichtlichen Stadium |
1. Privatgutachten a)Anlass: Bereits im Vorfeld einen eigenen Sachverständigen mit der Klärung des Unfallhergangs oder von Einzelaspekten zu beauftragen, kann durchaus sinnvoll sein (Beweissicherung, Bestimmung des Schädigers bei potenzieller Schädigermehrheit, Mithaftung des Mandanten; Optimierung späteren Prozessvortrags).
b)Kostenerstattung: Für die Kostenübernahme durch die Rechtsschutzversicherung reicht die Erforderlichkeit der Unfallanalyse für die Schadenregulierung allein nicht aus (§ 5 Abs. 1 f ARB 2000). Die Kosten auf die Gegenseite abzuwälzen, ist problematisch. Anders als bei Gutachten zum Fahrzeugschaden ist die Rechtsprechung restriktiv, wenngleich Lockerungstendenzen unübersehbar sind. Grundlegend für Verkehrsunfallsachen: BGH NJW 03, 1398; NJW 06, 2415 – jeweils Kompatibilitätsgutachten im Auftrag des Versicherers; dazu auch OLG Koblenz VersR 07, 224; OLG Hamburg VA 06, 40, Abruf-Nr. 060438; s. auch OLG Düsseldorf DAR 05, 678 (Geschwindigkeits-änderung/HWS); OLG Saarbrücken zfs 98, 294 (kein Ersatz für Kosten einer Unfallanalyse).
2. Selbstständiges Beweisverfahren a) Anlass: Bei drohendem Beweis- oder Beweismittelverlust kann es ratsam sein, ein selbstständiges Beweisverfahren einzuleiten (§§ 485 ff. ZPO). Beispiele: bevorstehende Instandsetzung oder Veräußerung eines unfallbeteiligten Fahrzeugs, Veränderung der Unfallstelle durch Umbauten, neue Straßenführung, Wanderbaustelle, Änderung der Sichtverhältnisse.
b) Kosten: Die Rechtsschutzversicherung ist in der Regel eintrittspflichtig. Zur Verteilung der Gerichts- und Anwaltskosten liegt eine umfangreiche BGH-Rechtsprechung aus jüngster Zeit vor (zuletzt NJW 07, 1279, 1282 m.w.N.). |
II. Gutachten im Prozess |
1. PKH-Verfahren Mitunter wollen Richter entgegen § 118 Abs. 2 S. 3 ZPO schon im PKH-Verfahren einen Gutachter einschalten. Begründung: Ohne sachverständige Beratung könne die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage nicht beurteilt werden. Wenn der Anwalt mitteilt, eine solche Vorab-Aufklärung nicht zu wünschen (weil sein Mandant im Fall der PKH-Verweigerung mit den Gutachterkosten belastet wird), riskiert er eine Ablehnung des Gesuchs. Eine Beschwerde ist erfolgversprechend, zumal wenn das Gericht die komplizierte Darlegungs- und Beweislast im Unfallprozess verkannt hat (vgl. OLG Düsseldorf 20.3.06, I-1 W 9/06, Abruf-Nr. 071610).
2. Beweisantritt „Sachverständigenbeweis“ Ob und inwieweit der Unfallhergang strittig ist, hat sich meist in der vorprozessualen Korrespondenz und durch Auswertung der Ermittlungsakte herauskristallisiert. Tipp: Die ungeschminkte Unfallversion des Gegners kann vielfach über die eigene Haftpflichtversicherung des Mandanten in Erfahrung gebracht werden. Strittig sind typischerweise nicht diejenigen Tatsachen, die die Haftung nach §§ 7, 18 StVG begründen, sondern sie nach §§ 7 Abs. 2, 18 Abs. 1 S. 2, 17 Abs. 3 StVG ausschließen. Bei strittigem Unfallhergang die volle Haftung des Gegners durchzusetzen bedeutet zugleich, eine Mithaftung des Mandanten auszuschalten. Angesichts dieser beweisrechtlichen Gemengelage kann es nur eine Konsequenz geben: Die eigene Unfallversion samt Gegnerverschulden (wichtig zumindest für die Quote) so präzise wie möglich vortragen und die einzelnen Behauptungen und Schlussfolgerungen rechtzeitig unter Sachverständigenbeweis stellen. Darauf, dass das Gericht v.A.w. einen Sachverständigen beauftragt (wozu es ggf. verpflichtet sein kann), sollte man nicht vertrauen.
3. Beweisbeschluss des Gerichts a)Was ist Thema des Sachverständigengutachtens? Üblicherweise wird dem Sachverständigen ein pauschaler Auftrag mit der Fragestellung erteilt: Wie hat sich der Unfall vom ... in ... ereignet? Nur selten werden im Ursprungsbeschluss gezielte Fragen formuliert oder konkrete Anknüpfungstatsachen genannt. Der Pauschalauftrag ist zwar nicht unbedenklich (siehe § 404a Abs. 3 ZPO), sich dagegen zur Wehr zu setzen, bringt aber erfahrungsgemäß nichts.
b)Wer wird zum Gutachter bestellt? Nach § 404 Abs. 2 ZPO ist das Gericht gehalten, einen öffentlich bestellten Sachverständigen zu beauftragen. Damit sind Gutachter von Prüforganisationen wie DEKRA und TÜV ausgeschlossen, es sei denn, sie verfügen ausnahmsweise über diese Qualifikation. Eine Pflicht des Gerichts zur Anhörung der Parteien vor der Bestellung besteht nicht.
c)Wann soll der Sachverständige tätig werden? Mit der Rekonstruktion des Unfallgeschehens sollte der Sachverständige erst beauftragt werden, wenn anderweitig kein Klärungsbedarf mehr herrscht, insbesondere sämtliche benannten Unfallzeugen richterlich vernommen sind. Wird diese Reihenfolge nicht eingehalten, besteht die Gefahr von Fehlbeurteilungen durch den Sachverständigen.
d)Wie soll der Sachverständige tätig werden? Erfahrungsgemäß wird in den meisten Fällen ein schriftliches Gutachten in Auftrag gegeben. Den Sachverständigen nur ein mündliches Gutachten erstatten zu lassen, kann zwar einen Zeitgewinn bringen, bedeutet aber regelmäßig einen Verlust an Qualität und Kontrollmöglichkeit. Widerspruch ist angesagt. Bleibt es bei der mündlichen Erstattung, sollte um Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gebeten werden (Frist ab Vorlage des Protokolls/BE-Vermerks).
e)Bis wann soll das Gutachten erstattet werden? Wegen ständiger Verzögerungen bei der Ablieferung schriftlicher Gutachten muss jetzt eine Frist gesetzt werden (§ 411 Abs. 1 ZPO).
f) Gutachten aus anderen Verfahren Urkundenbeweis: Gutachten aus einem Strafverfahren oder einem anderen Zivilprozess im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten, ist grundsätzlich zulässig (BGH NJW 98, 311; 02, 2324). Sich damit und nur damit einverstanden zu erklären, kann jedoch ein Anwaltsfehler sein (s. VA 07, 39). Ein immer wiederkehrender richterlicher Fehler ist es, die gebotene eigene Aufklärung durch urkundlich belegte Resultate aus anderen Verfahren zu ersetzen (vgl. BGH NJW 02, 2324 m.w.N.).
Ersetzung nach § 411a ZPO: In Verfahren, die nach dem 1.9.04 anhängig geworden sind (s. § 29 Nr. 3 EGZPO), ist § 411a ZPO zu beachten. Hiernach kann die schriftliche Begutachtung durch die Verwertung eines gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden. Seit 1.1.07 ist diese Regelung – auch für bereits laufende, nach dem 1.9.04 anhängig gewordene Verfahren – auf staatsanwaltschaftlich eingeholte Gutachten ausgedehnt worden (2. JuMoG). Zu den damit zusammenhängenden Fragen s. VA 07, 39.
g)Was tun, wenn das Gericht eine SV-Aufklärung ablehnt? „Unerheblich“, „keine bzw. keine genügenden Anknüpfungstatsachen“, „Ausforschungsbeweis“, „eigene Sachkunde“ – so oder ähnlich lauten die Begründungen, mit denen Anträge auf Einholung unfallanalytischer Gutachten abgelehnt werden. Oft ist das verfahrensfehlerhaft. Unterschätzt werden die heutigen Möglichkeiten der Unfallanalyse selbst in „spurenlosen“ Fällen (instruktiv Schimmelpfennig zfs 02, 510). Überschätzt wird nicht selten die eigene Sachkunde. Argumentationshilfe liefert das OLG Celle (20.12.05, 14 U 54/05, Abruf-Nr. 071611): „Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens in Straßenverkehrsunfallprozessen darf nur abgesehen werden, wenn das Gericht aus eigener Sachkunde zu beurteilen vermag, dass dafür keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen vorliegen. Diese Kenntnis, die im Urteil verlautbart werden muss, haben Richter in der Regel nicht.“ Die eigene Sachkunde, die die Einholung eines Gutachtens entbehrlich macht, muss den Parteien durch vorherigen Hinweis bekannt gemacht und im Urteil dargelegt werden (BGH 16.1.07, VI ZR 166/06, Abruf-Nr. 071612). |
III. Anwaltliches Vorgehen nach Eingang des schriftlichen Gutachtens |
1. Stellungnahme zum Gutachten Zunächst ist zu klären, ob das Gericht eine Frist nach § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO gesetzt hat. Sofern keine Einzelrichter-Sache muss ein Beschluss mit drei Unterschriften vorliegen. Andernfalls ist die Fristsetzung nicht „scharf“ (vom BGH noch nicht eindeutig geklärt, aber Neigung, s. NJW-RR 06, 428). Entschieden hat der BGH (a.a.O. und NJW-RR 01, 1431), dass bei der Fristsetzung auf die Folgen der Versäumung unmissverständlich hingewiesen werden muss, um Präklusionswirkung zu erzeugen. Ein solcher Hinweis wird von den Gerichten (wegen mangelhafter Vordrucke) nur selten erteilt. Ohne (korrekte) Fristsetzung läuft für den Anwalt eine angemessene Frist zur Stellungnahme (§ 411 Abs. 4 S. 1 ZPO). Wenn die Zeit bis zum nächsten Verhandlungstermin zu knapp ist, muss rechtzeitig um Verlegung gebeten werden. Zur Begründung reicht, es müsse noch sachverständiger Rat eingeholt, ggf. ein Privatgutachten in Auftrag gegeben werden. Notfalls Hinweis auf Art. 103 GG.
2. Inhaltliche Prüfung Welche Anforderungen an eine(n) Partei/Anwalt nach Vorlage eines schriftlichen Gutachtens zu stellen sind, wird vor allem unter dem Blickwinkel der allgemeinen Prozessförderungspflicht bzw. Nachlässigkeit i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO diskutiert (s. Pkt. 3). Bei der Inhaltskontrolle wird der Anwalt sein Hauptaugenmerk darauf richten, ob dem Sachverständigen Fehler unterlaufen sind.
Häufige Fehler in unfallanalytischen Gutachten sind: Berücksichtigung von bestrittenem Parteivortrag als wahr, Zugrundelegung nicht gesicherter Zeugenaussagen, z.B. aus der Bußgeld- oder Strafakte, eigene Beweiswürdigung durch den Sachverständigen, Festlegungen in Rechtsfragen (z.B. kritische Verkehrssituation, Gefahrerkennungspunkt, Reaktionsaufforderung), Berechnung der Vermeidbarkeitsgeschwindigkeit auf der Basis der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, obgleich Besonderheiten (Dunkelheit, Nässe, Kinder am Fahrbahnrand u.a.) eine Temporeduzierung erforderten (Rechtsfrage), Verzögerungswerte/Geschwindigkeitsabbau, Prüfung der Vermeidbarkeit nur räumlich, nicht auch zeitlich.
Als besonders fehleranfällig haben sich Analysen von Kfz/Fußgängerunfällen herausgestellt, vor allem Dunkelheitsunfälle. Problempunkte: Kollisionsort, Berechnung der Kollisions- und Ausgangsgeschwindigkeit, Vermeidbarkeitsbetrachtungen, wobei vor allem das Gehverhalten/Gehrichtung und die Geschwindigkeit des Fußgängers problematisch sein können; Ermittlung der Vermeidbarkeit/Kausalität bei Geschwindigkeitsüberschreitungen nach Maßgabe von BGH NJW 03, 1929; 05, 1940; Erkennbarkeit des Fußgängers. Schwierig aufzuklären sind häufig auch Unfälle mit Beteiligung von Motorrädern (s. Priester zfs 07, 74, 137; s. auch VA 06, 170).
3. Hinzuziehung eines Privatgutachters Die Frage, ob eine Partei nach Eingang eines ihr ungünstigen Gerichtsgutachtens verpflichtet ist, einen eigenen Sachverständigen zu konsultieren, stellt sich unter zwei Aspekten: Substanziierungslast und allgemeine Prozessförderungspflicht bzw. Nachlässigkeit i.S.d. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Grundsätzlich ist eine Partei nicht verpflichtet, Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten bereits in erster Instanz auf ein Privatgutachten oder auf sachverständigen Rat zu stützen (BGH – IV. ZS - NJW 03, 1400), einschränkend der VI. ZS (NJW 06, 152) ... „wenn ihr Vortrag fachspezifische Fragen betrifft und eine besondere Sachkunde erfordert“, was bei Unfallanalysen zu bejahen ist (BGH NJW 06, 152).
4. Einwendungen gegen das Gerichtsgutachten Grundsätzlich sind sämtliche Einwendungen innerhalb der (wirksam) gesetzten Frist vorzubringen. Dies sicherheitshalber auch dann, wenn schon in früheren Schriftsätzen Sachvortrag enthalten ist, der als (vorweggenommene) Kritik am später eingeholten Gutachten aufzufassen ist. Formal und inhaltlich erstmalige Beanstandungen eines Gutachtens im Berufungsverfahren sind neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel (KG 6.6.06, 12 U 138/05, Abruf-Nr. 071613 = MDR 07, 48); ebenso zusätzliche, d.h. weitere Beanstandungen nach erstinstanzlicher Anfangskritik (KG a.a.O.). Wird ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weiteren Tatsachenvortrag, etwa unter Vorlage eines Privatgutachtens, zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert, stellt dies kein neues Vorbringen i.S.d. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO dar (BGH NJW 06, 152). Angesichts der typischen Komplexität von Unfallgeschehen und der damit einhergehenden „Gesamtdarstellung“ der Parteien wird es oft möglich sein, mit dem Argument „nur Konkretisierung“ durchzudringen. So kann auch ein Parteigutachten als Konkretisierung/Verdeutlichung bisherigen Sachvortrags erfolgreich in zweiter Instanz platziert werden (BGH NJW 06, 152).
5. Soll der Sachverständige angehört werden? a) Anhörung auf Antrag: Unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO hat die Partei zur Gewährleistung rechtlichen Gehörs einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann (§§ 397, 402 ZPO). Ob das Gericht Erläuterungsbedarf hat, ist irrelevant. Hinweis: Zumal bei nicht spezialisierten Richtern sollte von der Anhörungsmöglichkeit stärker Gebrauch gemacht werden.
aa) Keine Begründungspflicht: Der Antrag auf Ladung des Sachverständigen muss nicht näher begründet werden, insbesondere kann kein Fragenkatalog o.Ä. verlangt werden (BGH DAR 05, 507; NJW 06, 3054). Es genügt, wenn allgemein angegeben wird, in welche Richtung durch eine Befragung eine weitere Aufklärung gewünscht wird (BGH a.a.O.). Um sich unnötige Schwierigkeiten zu ersparen, sollte der Anwalt, der die Anhörung wünscht, die zu erörternde Thematik zumindest kurz umreißen. Eine Bezugnahme auf frühere Ausführungen kann – als vorweggenommene Gutachtenkritik – hilfreich sein (vgl. BGH NZV 97, 72). Eine Formulierung wie „der Sachverständige mag ... Stellung nehmen“ muss das Gericht nicht als förmlichen Antrag verstehen. bb) Beschränkungen des Antragsrechts: Sie ergeben sich nur unter den Gesichtspunkten des Rechtsmissbrauchs und der Prozessverschleppung (BGH DAR 05, 507).
cc)Anhörungsantrag überholt oder fallengelassen? Häufig reagieren die Gerichte auf einen (rechtzeitigen) Anhörungsantrag, indem sie den Sachverständigen um eine schriftliche Stellungnahme bitten. Das ist nicht unzulässig, erledigt den Anhörungsantrag aber nur, wenn die Partei nach Kenntnis der schriftlichen Stellungnahme auf die Anhörung verzichtet. Das kann auch konkludent geschehen. Der Anwalt, der auch mit der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen nicht einverstanden ist, sollte den ursprünglichen Anhörungsantrag ausdrücklich rechtzeitig wiederholen.
dd)Anhörungsantrag in zweiter Instanz: Einem in zweiter Instanz erstmals gestellten Anhörungsantrag muss das Gericht (ausnahmsweise) in folgenden Fällen stattgeben:
b) Anhörung des Sachverständigen v.A.w.: Wenn der Richter Zweifel an den Ausführungen des Sachverständigen hat oder wenn Unklarheiten bzw. Widersprüche vorhanden sind, muss der Sachverständige v.A.w. angehört (§ 411 Abs. 3 ZPO) oder ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben werden (Pkt. 6), selbst wenn die Partei ihr Antragsrecht wegen Verspätung verloren hat (BGH NJW 92, 1459). Eine schriftliche Ergänzung des Gutachtens kann eine – nicht beantragte – Anhörung entbehrlich machen. Grund für eine Anhörung v.A.w. kann auch ein abweichendes Gutachten eines anderen Sachverständigen sein, auch eines Privatgutachters (BGH NJW 92, 1459; 01, 3269; 04, 1871). Tipp: Wer die Frist nach § 411 Abs. 4 ZPO versäumt hat, kann durch Vorlage eines Parteigutachtens eventuell erreichen, dass das Gericht von sich aus eine Anhörung anordnet. Den Antrag (nur Anregung) sollte man protokollieren lassen.
6. Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens („Obergutachten“) Anstelle eines Anhörungsantrags oder zusätzlich kann die Partei, auch hilfsweise, einen Antrag auf Einholung eines „Obergutachtens“ stellen. Anders als bei der Befragung nach §§ 397, 402 ZPO besteht insoweit kein Anspruch. Die Anordnung einer Neubegutachtung steht im Ermessen des Gerichts (§ 412 Abs. 1 ZPO). Im Einzelfall kann es auf Null reduziert sein. Gründe für ein „Obergutachten“: Erstgutachter ist nicht öffentlich bestellt und vereidigt; Mängel/Unvollständigkeiten des Gutachtens (BGH NJW 96, 730); Zweitgutachter verfügt über überlegene Sachkunde, z.B. aufgrund eigener Crashversuche; Streit zwischen Privat- und Gerichtsgutachter (BGH VersR 81, 576).
7. Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit Keine Ablehnungsgründe sind: Ortsbesichtigung ohne Benachrichtigung der Parteien/Anwälte (OLG Stuttgart NZV 96, 323; OLG Nürnberg 4.7.06, 4 U 535/05, Abruf-Nr. 071619 = MDR 07, 237); eigenmächtige Befragung von Personen, z.B. Anwohnern (OLG Nürnberg a.a.O.); inhaltliche Mängel; Ansprechen bisher nicht thematisierter Fragen; nur indirekte Verbindung des Sachverständigen bzw. seiner Organisation zur Versicherungswirtschaft (OLG Düsseldorf 27.10.06, I-1 W 68/06, Abruf-Nr. 071614 – Dekra);
Frist: Ergibt sich der Grund für die Ablehnung erst aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens, läuft die Frist zur Ablehnung erst mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme ab (BGH NJW 05, 1869). |
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