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  • 25.08.2008 | Haftpflichtprozess

    Ohne medizinisches Gutachten geht es nicht

    Die beantragte Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens zum Beweis des Ursachenzusammenhangs zwischen einem Unfall und vorhandenen Beschwerden ist nur dann nicht erforderlich, wenn auszuschließen ist, dass die Partei damit den Beweis der Unfallursächlichkeit führen kann (BGH 3.6.08, VI ZR 235/07, Abruf-Nr. 082301).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Die Klägerin hielt mit ihrem VW Golf vor einer Ampel, als der Beklagten-Pkw von hinten auffuhr. Sie behauptet, ein HWS-Schleudertrauma und eine schwere Kniegelenksdistorsion rechts erlitten zu haben. Die Vorinstanzen haben ihre Klage nach Einholung eines biomechanischen Gutachtens abgewiesen. Das Berufungsgericht (LG München I) hat es ausdrücklich abgelehnt, ein fachmedizinisches Gutachten einzuholen. Das sei nicht erforderlich, weil der eingeschaltete Biomechaniker (Dipl.-Ing. Dr. Christian Auer, siehe auch NZV 07, 273) Unfallkausalität für nicht nachweisbar, wenn nicht gar für ausgeschlossen gehalten habe. Zu hören seien auch nicht die behandelnden Ärzte, auch nicht der Ehemann der Klägerin, deren Arbeitskollegen und Freunde.  

     

    Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Urteil aufgehoben. Er legt dem LG eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung zur Last. Nur wenn auszuschließen sei, dass mit einem fachmedizinischen Gutachten der Beweis der Unfallkausalität geführt werden könne, dürfe ein Antrag auf Einholung eines solchen Gutachtens abgelehnt werden. Ein biomechanisches Gutachten könne ein fachmedizinisches Gutachten nicht ersetzen, zumal es ohne medizinische Untersuchung der Klägerin erstattet worden sei.  

     

    Praxishinweis

    Die beiden Urteile zur Problematik von HWS-Verletzungen sind über das leidige HWS-Thema hinaus von hoher praktischer Bedeutung, auch wenn nicht alles neu ist. Die Lektüre beider Urteile im Kontext mit BGH NJW 03, 1116 (HWS-Verletzung bei Auffahrunfall) wird dringend empfohlen. Zur Sache: Zentrales Thema ist in beiden Fällen der Nachweis der Unfallbedingtheit von Primärverletzungen nach dem strengen Beweismaß des § 286 ZPO. Mal geht es ohne (Polizistin L.), mal nur mit einem Arzt als Gutachter, wie im Fall 2. Das ist kein Widerspruch, wie man auf den ersten Blick meinen könnte, sondern erklärt sich aus den beweis- und revisionsrechtlich unterschiedlichen Konstellationen.