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  • 01.09.2005 | Halterhaftung

    „Höhere Gewalt“ i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG n.F.

    1. Die Definition der „höheren Gewalt“ i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG n.F. entspricht der, die die Rechtsprechung – bezogen auf diesen auch in anderen Vorschriften des deutschen Rechts verwendeten Begriff – entwickelt hat.  
    2. Wird ein Radfahrer, der einen an einer Bushaltestelle vorbeiführenden Radweg benutzt, von einem wartenden Schüler infolge Unachtsamkeit so angestoßen, dass er zu Fall kommt und von einem gerade wieder anfahrenden Bus überfahren wird, stellt dieses Ereignis für den Halter des Busses keine höhere Gewalt i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG n.F. dar.  
    (OLG Celle 12.5.05, 14 U 231/04, ZGS 05, 278, Abruf-Nr. 051658)

     

    Sachverhalt

    Aus abgetretenem Recht macht der Kläger den Schaden geltend, den seine Ehefrau als Radfahrerin bei einem Unfall der im Ls. geschilderten Art am 19.2.03 erlitten hat. Ein Verschulden des Busfahrers stand nicht in Rede. Mit dem Argument, es habe sich um einen Fall „höherer Gewalt“ gehandelt, hat der Beklagte jegliche Haftung abgelehnt. Das LG hat die Haftung im Verhältnis 1/3 : 2/3 zu Lasten des Beklagten verteilt. Dessen Berufung hat das OLG zurückgewiesen.  

     

    Entscheidungsgründe

    Ebenso wie das LG hat das OLG den Haftungsausschluss „höhere Gewalt“ verneint. Nach Maßgabe der Rechtsprechung zu anderen Haftungsnormen müsse es sich um eine Einwirkung von außen handeln, die außergewöhnlich und nicht abwendbar sei. Alle drei Voraussetzungen müssten kumulativ erfüllt sein, wenn „höhere Gewalt“ vorliegen soll. Hier seien jedenfalls die beiden ersten Merkmale nicht zu bejahen. Eine „von außen kommende Einwirkung“ müsse zwar nicht unbedingt ein Naturereignis sein, menschliches Verhalten könne genügen. Zu denken sei jedoch vor allem an vorsätzliche Akte, wozu auch ein absichtliches Stoßen eines Unbeteiligten vor ein Fahrzeug zählen könne. Anders sei es bei einem unbeabsichtigten Anstoß wie hier. Auch die Außergewöhnlichkeit der Einwirkung könne nicht bejaht werden. Unfälle durch Gedränge und Rempeleien an Haltestellen gehörten zum gewöhnlichen Erscheinungsbild des Busverkehrs. Die konkrete Unfallsituation sei „generell dem Betriebsrisiko des Busses“ zuzuordnen. Ohne Erfolg blieb schließlich der Einwand der Berufung, das Mitverschulden der Radfahrerin müsse mit mehr als einem Drittel zu veranschlagen sein. Das OLG hat nur einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO angenommen. Richtigerweise hätte sie vor der Haltstelle anhalten und absteigen müssen.  

     

    Praxishinweis

    Um nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer, vor allem Kinder, stärker zu schützen, hat der Gesetzgeber die Halterhaftung nach § 7 StVG verschärft. Davon profitieren auch Radfahrer. Die Anforderungen an die höhere Gewalt sind strenger als die an das „unabwendbare Ereignis“ in § 7 StVG a.F. Mit der „Drei-Elemente-Definition“ steht das OLG auf dem Boden der gefestigten BGH-Rspr. zu § 1 Abs. 2 S. 1 HPflG a.F., eine Parallele, die auch dem Gesetzgeber vor Augen stand (LG Itzehoe NZV 04, 364; AG Neuburg zfs 05, 233).