01.12.2006 | Handyverbot im Straßenverkehr
Handy-Nutzung vor Ampel bei ausgeschaltetem Motor
Die Auslegung, wonach ein Kraftfahrzeugführer den Tatbestand der unerlaubten Nutzung eines Mobiltelefons gem. §§ 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO erfüllt, wenn er während der Handynutzung bei ausgeschaltetem Motor vor einer Rotlicht anzeigenden Lichtzeichenanlage steht, stellt eine mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbare Ausdehnung der Bußgeldbewehrung zu Lasten des Betroffenen dar (OLG Bamberg 27.9.06, 3 Ss OWi 1050/06, Abruf-Nr. 063206). |
Entscheidungsgründe
Gem. § 23 Abs. 1a S. 2 StVO gilt das Verbot des Satzes 1 nicht, „wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.“ Zu Unrecht hat das AG diese für Kfz ausdrücklich angeordnete Tatbestandseinschränkung unter Berufung auf eine am Schutzzweck der Norm gebotene Auslegung nicht angewandt und damit die Bußgeldbewehrung in einer mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht mehr vereinbaren Weise zu Lasten des Betroffenen ausgedehnt. Die Auffassung des AG, die Nutzung des Mobiltelefons bei stehendem Fahrzeug und ausgeschaltetem Motor erfülle in der konkreten Verkehrssituation den objektiven Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVG, sprengt die vom möglichen Wortsinn der Bußgeldbewehrung markierte, äußerste Grenze zulässiger Auslegung. Diese durch Art. 103 Abs. 2 GG bestimmte absolute Grenze durfte auch nicht durch eine Auslegung nach dem Schutzzweck der Norm, wie er in der amtlichen Gesetzesbegründung zur Neuregelung des § 23 Abs. 1a StVO durch die 33. VO zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 11.12.00 (BGBl I 2000, 1690) umschrieben wird, überschritten werden, weil diese Begründung im Wortlaut des § 23 Abs. 1a StVO gerade keinen (hinreichenden) Niederschlag gefunden hat. Die in § 23 Abs. 1 a S. 2 StVO verwandten Begriffe „steht“ und „ausgeschaltet“ bezeichnen ihrer Wortbedeutung nach lediglich ein statisches Moment. Beiden Begriffen kann – ihrem möglichen Wortsinn nach – ein bestimmtes Zeitmoment im Hinblick auf die Dauer des jeweiligen Zustandes oder eine Abhängigkeit zu einer bestimmten Verkehrssituation gerade nicht entnommen werden
Praxishinweis
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Der Wortlaut des § 23 Abs. 1a S. 2 StVO ist eindeutig. Das OLG Bamberg weicht auch nicht von der Auffassung des OLG Hamm ab (VA 06, 28 ff., Abruf-Nr. 053650 – mit Checkliste). Denn in dem Hammer Fall war der Pkw-Motor gerade nicht ausgeschaltet. Das OLG Hamm hat zudem darauf hingewiesen, dass, soweit bei Wechsel der Ampel von Rot auf Grün die Gefahr einer Verkehrsbehinderung oder -gefährdung gegeben sein kann, diese nicht auf eine Beeinträchtigung der Beherrschung des Fahrzeuges durch das Halten oder Aufnehmen eines Mobiltelefons verursacht, sondern dadurch, dass der Kraftfahrzeugführer ggf. verspätet oder überhastet auf die geänderte Verkehrssituation, wenn auch vorwerfbar selbst verursacht, reagiert. Dies sei ggf. als Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zu ahnden (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 23 StVO Rn. 13 a.E.).