01.04.2006 | Hauptverhandlung
Entbindung vom persönlichen Erscheinen
Liegen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vor, ist die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt. Vielmehr ist es verpflichtet, dem Antrag zu entsprechen (OLG Bamberg 30.1.06, 3 Ss OWi 126/06, Abruf-Nr. 060580). |
Sachverhalt
Das AG hat in der Hauptverhandlung (HV) den Einspruch des Betroffenen gegen den gegen ihn erlassenen Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil der Betroffene – ohne von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden worden zu sein – in der HV unentschuldigt nicht erschienen war. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.
Entbindungsantrag des Verteidigers |
Der Verteidiger des Betroffenen hatte einen Tag vor der HV per Fax beim AG beantragt, den Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der HV zu entbinden und dies wie folgt begründet: „Die Voraussetzungen für die Entbindung nach § 73 Abs. 2 OWiG liegen vor. Mein Mandant ist der betroffene Fahrzeugführer. Die im Bußgeldbescheid ... erhobenen persönlichen Daten meines Mandanten sind zutreffend. Weitere Angaben zur Person oder zur Sache wird mein Mandant in der Hauptverhandlung ... nicht machen. Es ist auch nicht erkennbar, inwieweit seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts erforderlich sein könnte.“ Das AG hat über den Antrag nicht gesondert entschieden. |
Entscheidungsgründe
Die Verwerfung des Einspruchs ist rechtsfehlerhaft. Aufgrund der Begründung des Entbindungsantrages des Verteidigers musste das AG davon ausgehen, dass der Betroffene keine weiteren Angaben mehr machen und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich sein würde. Insbesondere war die Anordnung seines persönlichen Erscheinens zu seiner Identifizierung unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht nicht mehr erforderlich. Liegen jedoch die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vor, ist die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt; vielmehr ist es verpflichtet, dem Antrag zu entsprechen. Das AG hätte in Abwesenheit des Betroffenen verhandeln können. Die über seinen Verteidiger abgegebene Einlassung, zur Tatzeit der verantwortliche Fahrer gewesen zu sein, hätte ohne weiteres verwertet werden können. Das persönliche Erscheinen war auch nicht erforderlich, um die Verhängung eines Fahrverbotes abzuklären. Es ist nicht ersichtlich, mit welchen Mitteln dies bei einem seine Fahrereigenschaft einräumenden, im Übrigen jedoch schweigenden Betroffenen in der HV erfolgen oder welcher sonstige Aufklärungsbeitrag von der bloßen Anwesenheit des Betroffenen in der HV noch zu erwarten gewesen sein sollte.
Praxishinweis
Möchten Sie diesen Fachbeitrag lesen?
Kostenloses VA Probeabo
0,00 €*
- Zugriff auf die neuesten Fachbeiträge und das komplette Archiv
- Viele Arbeitshilfen, Checklisten und Sonderausgaben als Download
- Nach dem Test jederzeit zum Monatsende kündbar
* Danach ab 16,70 € / Monat