26.02.2008 | Haushaltsführungsschaden
Die 24 wichtigsten Punkte zur optimalen Durchsetzung des Haushaltsführungsschadens
Der Haushaltsführungsschaden übersteigt schon bei mittleren Körperschäden häufig den Schmerzensgeldbetrag. Dennoch wird diese wichtige Schadensposition oft vernachlässigt; zudem scheitern viele Klagen bereits an der Erfüllung der Darlegungslast. Der folgende Überblick zeigt, worauf Sie besonders achten müssen.
Im Ansatz zu unterscheiden ist, ob es um eigene Ansprüche des – verletzten – Haushaltsführers (Mann wie Frau) oder um Ansprüche der Hinterbliebenen wegen Tötung des Haushaltsführers geht:
- Der Schaden des Verletzten ist, soweit seine – nunmehr ausgefallene/beeinträchtigte – Hausarbeit dem Familienunterhalt dient, Erwerbsschaden (§ 843 Abs. 1 1. Alt. BGB, § 11 StVG, § 6 HaftpflG). Erfolgt die Hausarbeit zur Eigenversorgung, tritt wegen des Ausfalls eine Vermehrung seiner Bedürfnisse (§ 843 Abs. 1 2. Alt. BGB, § 11 StVG, § 6 HaftpflG) ein (BGH NJW 89, 2539; OLG Düsseldorf 12.3.07, 1 U 206/06, n.v., Abruf-Nr. 080437).
- Der Haushaltsführungsschaden der Hinterbliebenen ist ein Unterhaltsschaden (§ 844 Abs. 2 BGB, § 10 Abs. 2 StVG, § 5 Abs. 2 HaftpflG).
Checkliste 1: „Verletzter Haushaltsführer“ | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
1. Erwerbsschaden/Vermehrte Bedürfnisse: Auf die Unterteilung des Anspruchs kommt es vornehmlich in den Fällen an, in denen der verletzte Haushaltsführer kongruente Leistungen Dritter, wie z.B. Sozialversicherungsleistungen, erhält.
Beispiel: Hat der Verletzte Krankengeld, eine Erwerbsunfähigkeitsrente oder Verletztengeld bekommen, d.h. Leistungen, die den Verdienstausfall ausgleichen sollen, so geht insoweit nur der Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens, nicht aber der Anspruch auf Ersatz der vermehrten Bedürfnisse auf den Sozialversicherungsträger über (BGH NJW 85, 735; NJW 97, 256); umgekehrt betrifft die Zahlung von Pflegegeld nur den Eigenbedarfsanteil des Verletzten (BGH NJW 97, 256; NZV 07, 33).
2. Eigenversorgungsquote: Diese kann gem. § 287 ZPO i.d.R. nach der Zahl der zum Haushalt gehörenden Personen ermittelt werden (BGH NJW 74, 41; NJW 85, 735; LG Braunschweig SVR 07, 99; LG Frankfurt/Oder DAR 08, 29).
Beispiel: Besteht der Haushalt aus der verletzten Ehefrau, dem Ehemann und einem Kind, ist zu dritteln: Von einem mit monatlich 300 EUR begehrten Kostenaufwand für eine Haushaltshilfe entfallen somit 100 EUR auf die Versorgung der verletzten Ehefrau selbst (Vermehrte Bedürfnisse). Die restlichen 200 EUR entfallen auf die Hausarbeit für ihren Ehemann und ihr Kind (Erwerbsschaden).
3. Alleinstehende: Da die Haushaltstätigkeit eines Alleinstehenden der Selbstversorgung dient, entsteht kein Erwerbsschaden, sondern nur ein Anspruch in Form vermehrter Bedürfnisse (KG DAR 08, 25).
4. Nicht eheliche Lebensgemeinschaften: Die Grundsätze zum Haushaltsführungsschaden gelten für die Partner einer gesetzlichen Ehe und gem. § 5 LPartG auch für die Partner einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Die uneingeschränkte Anwendbarkeit auf sonstige nicht eheliche Lebensgemeinschaften ist streitig:
5. Konkrete und fiktive Abrechnung: Der Geschädigte hat die Wahl, ob er konkret oder fiktiv abrechnet (selbst die Kombination ist ohne Weiteres möglich; BGH NZV 90, 21).
6. Individuelle Anknüpfungstatsachen: Egal ob konkret oder fiktiv, ohne hinreichenden Tatsachenvortrag zu den konkreten Verhältnissen im Einzelfall kann – auch nach § 287 ZPO – der jeweilige Haushaltsführungsschaden nicht bzw. allenfalls in Form eines Mindestschadens geschätzt werden. Zum notwendigen Vortrag gehören insbesondere Ausführungen zu folgenden Fragen:
7. Orientierungshilfe: Eine wichtige Hilfe ist das Werk von Schulz-Borck/Hofmann (Schadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl. 2000) mit seinen vielfältigen Tabellenwerten und Fragebögen. Da es aber auf die individuellen Verhältnisse ankommt, darf keinesfalls pauschal auf diese statistischen Werte verwiesen werden.
8. Arten der Haushaltstätigkeit: Nicht nur die „klassischen“ Tätigkeiten wie Einkaufen, Kochen, Spülen, Waschen, Bügeln, Putzen, Aufräumen sind Hausarbeit, sondern u.U. auch Gartenarbeit (BGH NZV 89, 1460; OLGR Celle 07, 465), Wohnungsrenovierung/reparatur, Pkw-Pflege, Schriftverkehr, Haustierhaltung und Hausaufgabenbetreuung (Haushaltsarbeit „im weiteren Sinn“: BGH NZV 88, 60).
9. Zeitbedarf: Wie viel Zeit der Verletzte für die von ihm übernommenen Hausarbeitstätigkeiten benötigt, hängt auch von der von ihm darzulegenden Größe und dem Zuschnitt seines Haushalts ab.
10. Haushaltsspezifische Beeinträchtigung (MdH): In welchem Umfang der Geschädigte bei den von ihm übernommenen Haushaltstätigkeiten durch die Verletzung gehindert ist, kann grundsätzlich nicht anhand der MdE festgestellt werden, weil sie abstrakt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Bezug auf eine bestimmte individuelle Tätigkeit ausgerichtet ist.
11. Ersatzfähige Ausfallzeit: Die Zeit, in welcher der Verletzte im Haushalt ausfällt (und die eine Ersatzkraft arbeiten müsste) ergibt sich aus dem Verhältnis des prozentualen Grads seiner Beeinträchtigung in der Haushaltsführung (MdH) zu dem (zeitlichen) Umfang seiner zuvor geleisteten Haushaltsarbeit.
Berechnungsbeispiel: Bei einer unfallbedingten Versteifung des Handgelenks einer über 60-jährigen Rentnerin in ihrem Einpersonenhaushalt (Werte in Anlehnung an die Tabellen 6, 8 und 9 bei Schulz-Borck/Hofmann: Gesamtaufwand pro Woche 36,6 Stunden):
12. Zeitverluste: Müssen einzelne Haushaltstätigkeiten lediglich zeitlich verschoben werden (z.B. Gartenarbeiten bei nur vorübergehender Beeinträchtigung), besteht insoweit kein Ersatzanspruch (LG Duisburg SP 00, 307; AG Göttingen SP 01, 236).
Ob ein Anspruch besteht, wenn der Verletzte seine Hausarbeit trotz Verletzung vollständig – wenngleich langsamer – ausführen kann, ist fraglich (bejahend: LG Kaiserlautern 5.10.99, 3 O 661/95, Abruf-Nr. 080439), weil (Frei-)Zeitverluste grundsätzlich nicht entschädigungspflichtig sind (BGH NJW 96, 921).
13. Nettolohn der fiktiven Ersatzkraft: Die Höhe der ersatzfähigen Vergütung hängt davon ab, welche Qualifikation die Ersatzkraft haben muss. Die Rspr. hat sich früher an dem Bundesangestelltentarif (BAT) orientiert. Nunmehr ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) maßgeblich (Schulz-Borck/Hofmann, Entgelttabellen TVöD-Bund zur Bewertung von Personenschäden in der Haushaltsführung, Stand 2007).
14. Pauschaler Stundensatz: Die Instanzgerichte sind allerdings vielfach dazu übergegangen, gemäß den örtlichen Verhältnissen einen pauschalen Stundensatz zu schätzen, der sich aktuell überwiegend im Bereich zwischen 8 und 10 EUR netto hält (OLG Celle NJW-RR 04, 1673; LG Frankfurt/Oder DAR 08, 29).
15. Befristung des Haushaltsführungsschadens: Üblich (bei Dauerschäden) ist eine generelle Befristung auf ein Lebensalter von 75 Jahren (OLG Celle zfs 83, 291), jedoch kein Dogma (OLG Düsseldorf 18.9.06, 1 W 53/06, Abruf-Nr. 080440). Dauern die Einschränkungen darüber hinaus an, kann jedenfalls weitere Leistung verlangt werden; der Anspruch kann mit der Feststellungsklage gesichert werden. |
Checkliste 2: „Getöteter Haushaltsführer“ |
1. Unterhaltsschaden: Es kommt auf den gesetzlich geschuldeten Unterhalt gem. § 1356 Abs. 1 S. 1 BGB an (BGH NJW 93, 124). Zudem muss der Getötete vor dem Unfall in der Lage gewesen sein, den Haushalt zu führen (BGH NJW 02, 292; OLG Hamm NZV 06, 85).
2. Umfang der geschuldeten Haushaltstätigkeit gegenüber dem Ehegatten: Dies beurteilt sich nach dem gegenseitigen Einvernehmen der Ehegatten. Dazu liefert deren tatsächliche Handhabung in der Vergangenheit einen Anhaltspunkt. Faustformeln:
3. Nicht eheliche Lebensgemeinschaften: Kein Anspruch des überlebenden Partners, weil keine gesetzliche Unterhaltspflicht des Getöteten bestand.
4. Abrechnung: Wie im Verletzungsfall kann fiktiv, konkret und kombiniert abgerechnet werden (siehe Checkliste 1 zu 5., 7., 8., 13. und 14). Bei fiktiver Abrechnung kann wie folgt vorgegangen werden:
5. Arbeitszeitbedarf für den durch den Tod reduzierten Haushalt: Wird der ursprüngliche Haushalt um eine Person reduziert, macht er wegen seiner fortbestehenden Größe mehr Arbeit als ein von vornherein auf diese (reduzierte) Größe angelegter Haushalt. Dem trägt Tabelle 1 bei Schulz-Borck/Hofmann Rechnung: statt der z.B. in Stufe 3 im 3-Personenhaushalt benötigten 61,9 Std. werden im reduzierten 4-Personenhaushalt 65,6 Std. in Ansatz gebracht.
6. Mithilfepflicht von im Haushalt lebenden Kindern: Besteht ab dem 12.-14. Lebensjahr (BGH NJW-RR 90, 962), bis zu 7 Stunden/Woche (BGH VersR 73, 939; OLG Stuttgart VersR 93, 1536).
7. Aufteilung des Ersatzbetrags auf die Hinterbliebenen: Da die Hinterbliebenen Teilgläubiger sind, muss der ermittelte Unterhaltsschaden gemäß den Verhältnissen im konkreten Fall (auch antragsmäßig) verteilt werden. Dem erwerbstätigen Ehegatten wird meistens ein höherer Anteil als den Kindern zugesprochen, was i.d.R zu Quoten von 2:1 bei einem Kind (BGH NZV 07, 190) bzw. von 2:1:1 bei zwei Kindern führt (BGH NJW 72, 1716).
8. Abzug der weggefallenen Barunterhaltsverpflichtung: Der erwerbstätige Ehegatte wird von seiner Barunterhaltspflicht gegenüber dem getöteten Ehepartner frei. Diesen Vorteil muss er sich auf seinen Ersatzbetrag bei dem Haushaltsführungsschaden anrechnen lassen (BGH NJW 79, 1501; VersR 84, 79). Er hat dann allerdings bei einer Mithaftung des Getöteten ein Quotenvorrecht und darf den durch die weggefallene Unterhaltsverpflichtung erzielten finanziellen Vorteil (in vollem Umfang) zunächst zum Ausgleich der wegen der Mithaftung ungedeckten Quote verwenden (BGH NJW-RR 86,1400).
9. Befristung des Haushaltsführungsschadens:
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