01.09.2007 | Mietwagenkosten
BGH kippt „Freiburger Modell“
Zur Schätzung der erforderlichen Herstellungskosten nach den Tabellen zur Nutzungsausfallentschädigung bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zu einem Unfallersatztarif (BGH 26.6.07, VI ZR 163/06, Abruf-Nr. 072506). |
Sachverhalt
Nach seinem Unfall am 22.2.05 nahm sich der Kläger für die Zeit der Ersatzbeschaffung einen Mietwagen. Auf die Rechnung über 2.371,04 EUR zahlte die beklagte Versicherung nur 1.474 EUR, den angeblichen „Normaltarif“ für 12 Tage. Von den verbleibenden 897,04 EUR klagte der Kläger 650 EUR ein, wobei er vom Dreifachen des Nutzungsausfalls lt. Tabelle ausging. Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten hat das LG Freiburg auf die Anschlussberufung des Klägers den vollen Klagebetrag zugesprochen. Seiner ständigen Spruchpraxis folgend hat es die Berechnung des Klägers (dreifacher Satz = 177 EUR pro Tag) anerkannt, jedoch die Revision zugelassen. Sie führte zur Aufhebung des Urteils.
Entscheidungsgründe
Nach Wiederholung seiner aktuellen Grundsätze zum Mietwagenkostenersatz und zur richterlichen Vorgehensweise bei der Schadensermittlung erklärt der VI. ZS die Schätzung nach dem „Freiburger Modell“ für nicht tragfähig. Die Berechnung sei nicht fallbezogen, schon im Ansatz fehlerhaft und zudem auf eigene Schätzungen und Vermutungen gestützt, ohne dass die erforderliche Sachkunde dargelegt werde. Die gebotenen Feststellungen zur Erforderlichkeit des Unfallersatztarifs im konkreten Fall seien nachzuholen.
Praxishinweis
Praktikabilität ist bei der Kfz-Schadensermittlung wichtig, aber nicht alles. Dem BGH war der „Freiburger Daumen“ ersichtlich zu dick. Damit ist dieses Berechnungsmodell, das auch andernorts praktiziert wird, tot. Es lebt das Aufschlagsmodell (dazu VA 07, 76/77; aktuell LG Bonn 25.4.07, 5 S 197/06, Abruf-Nr. 071718, NZV 07, 362 – Normaltarif plus 25 Prozent). Hinzuweisen ist ferner auf das BGH-Urteil vom 12.6.07, VI ZR 161/06, Abruf-Nr. 072281, mit dem eine Mietwagen-Entscheidung des LG Halle aufgehoben wird. Dass ein Unfallersatztarif grundsätzlich nicht ersatzfähig sei und Mietwagenkosten nur im Rahmen der nach dem „Normaltarif“ zu bemessenden marktüblichen Mietwagenkosten als erforderlich anzusehen seien, so das LG, geht selbst dem BGH zu weit. Fazit seiner beiden Juni-Sprüche: Es kommt auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Wichtig ferner: Der BGH stellt klar, in welchen Konstellationen die „betriebswirtschaftliche“ Rechtfertigung (Stufe 1 der Erforderlichkeitsprüfung) offen bleiben kann und wann nicht (s. auch den Schwerpunktbeitrag VA 06, 205 ff., und Wagner NJW 07, 2150).
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