01.10.2006 | Mietwagenkosten
BGH zur Zugänglichkeit eines günstigeren Tarifs
Zu den Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Tatrichters hinsichtlich der Frage, ob dem Geschädigten bei Anmietung eines Fahrzeugs zu einem überhöhten Unfallersatztarif ein wesentlich günstigerer Tarif auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – zugänglich – war (BGH 4.7.06, VI ZR 237/05, Abruf-Nr. 062483). |
Sachverhalt
Am Tag seines Unfalls (Mo., 4.8.03) mietete der Kläger von dem Autohaus, das auch seinen Wagen reparieren sollte, ein Ersatzfahrzeug. Für „10 Tage gemäß Gruppe III Unfallersatztarif der Opel Rent Tabelle“ stellte das Autohaus 1.016,16 EUR (brutto) in Rechnung. Die beklagte Versicherung erstattete in Anlehnung an die Opel-Rent-Wochenpauschale nur 342 EUR. Das AG wies die Klage auf den Differenzbetrag ab, während das LG ihr stattgab. Die Revision der Versicherung war erfolgreich. Das LG muss neu verhandeln.
Entscheidungsgründe
Der BGH wiederholt zunächst, was er zur Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines „Unfallersatztarifs“ bereits mehrfach gesagt hat. Erneut stellt er sodann klar, in welchen Fällen diese Prüfung unterbleiben kann, nämlich a) bei erwiesener Zugänglichkeit einer günstigeren Alternative und b) bei feststehender Unzugänglichkeit. Das LG hat Letzteres angenommen, allerdings auf unzureichender Tatsachengrundlage, wie der BGH moniert. Das LG habe nicht davon ausgehen dürfen, dass der Kläger, der im Autohaus unstreitig über Tarifunterschiede nicht eigens aufgeklärt worden war, von solchen Unterschieden auch keine Kenntnis gehabt habe. Im Übrigen weist der BGH darauf hin, dass den Geschädigten „grundsätzlich“ eine Informationspflicht treffe. Bei vorhandenen oder sich aufdrängenden Bedenken gegen die Angemessenheit des angebotenen Unfallersatztarifs bestehe Anlass zur Nachfrage nach einem günstigeren Tarif. Der Grund für Bedenken könne in der Tarifhöhe (hier: das Dreifache des „Normaltarifs“), aber auch in der „kontroversen Diskussion und der neueren Rspr. zu diesen Tarifen“ liegen. Je nach Lage des Einzelfalles könne der Geschädigte auch verpflichtet sein, sich anderweitig, also nicht nur beim Vermieter seiner Wahl, nach günstigeren Tarifen zu erkundigen. Allein das allgemeine Vertrauen auf eine bedürfnisgerechte Tarifgestaltung könne ihn nicht von seiner Informationspflicht befreien.
Praxishinweis
Das LG-Urteil mag handwerklich nicht korrekt begründet sein, im Ergebnis trifft es jedoch ins Schwarze. Der BGH will diesen Treffer nicht anerkennen, weil er die Sorge zu haben scheint, dass eine zu lockere Prüfung auf der Stufe 2 (Zugänglichkeit) das Grundanliegen seiner neueren Rspr. konterkariert. Um das zu verhindern, verschärft er erneut die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast in der Zugangsfrage. Anwälte auf der Geschädigtenseite müssen deshalb noch stärker als bisher die Unwissenheit und Unerfahrenheit des Geschädigten durch den Vortrag konkreter Einzeltatsachen darlegen und die Unauffälligkeit des angebotenen Mietzinses behaupten. Siehe auch VA 05,115,118, und VA 06, 75, 147.
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