23.04.2008 | Mietwagenkosten
Übers Ziel hinausgeschossen
Ist unstreitig, dass ein Verkehrsunfallgeschädigter nach dem Unfall auf die sofortige Weiterfahrt mit einem Mietfahrzeug angewiesen war, darf der Tatrichter die auf Ersatz der Mietwagenkosten nach einem Unfallersatztarif gerichtete Klage nicht mit der Begründung abweisen, dieser Vortrag sei schon im Hinblick auf die Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines Mietwagens unsubstanziiert, weil auch die vorübergehende Inanspruchnahme eines Taxis sowie eine Rücksprache mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers in Betracht gekommen seien (BGH 19.2.08, VI ZR 32/07, Abruf-Nr. 080876). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Am Unfalltag mietete der Kläger von seinem Autohaus ein Ersatzfahrzeug zum Unfallersatztarif an. Auf die Rechnung i.H.v. 1.027 EUR (Mietzeit = Reparaturzeit = 9 Tage) zahlte der beklagte Versicherer 536 EUR. Den strittigen Differenzbetrag hat das AG unter Ansatz einer Eigenersparnis von 10 Prozent i.H.v. 388 EUR anerkannt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision führte zur Urteilsaufhebung.
Zunächst unterstellt der BGH, dass der Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren „erforderlich“ gewesen sei. Für nicht tragfähig hält er das Argument des LG, der Kläger habe nicht plausibel dargelegt, warum er sofort ein Ersatzfahrzeug habe anmieten müssen. Das LG habe die Anforderungen an die Substanziierung überspannt, zumal selbst die Versicherung den Mobilitätsbedarf des Klägers eingeräumt habe. Zumindest habe das LG den Kläger vorher auf die vermeintliche Notwendigkeit weiterer Substanziierung hinweisen müssen. Auch unter dem Gesichtspunkt, der Kläger habe die Unzugänglichkeit eines günstigeren Tarifs nicht ausreichend dargetan, sei die Klageabweisung nicht zu halten. Insoweit sagt der BGH erneut, worauf es in diesem Punkt (Stufe 2 der Erforderlichkeitsprüfung) wirklich ankommt und was ein Geschädigter dazu vortragen müsse.
Praxishinweis
Da das LG-Urteil in jeder Hinsicht unzulänglich ist, könnte man auch die Kassation durch den BGH als Einzelfallentscheidung kommentarlos ad acta legen. Dennoch ist der Fall lehrreich. Er ist ein weiteres Beispiel für die Tendenz mancher Instanzgerichte, den BGH im vorauseilenden Gehorsam quasi auf der falschen Seite zu überholen. Geschädigten-Anwälte sollten das bedenken und eher mehr als zu wenig auch in solchen Punkten vortragen, die ihrer Einschätzung nach keiner näheren Substanziierung bedürfen. In concreto war es der (eigentlich unstr.) Mobilitätsbedarf. Nähere Erläuterung ist ratsam (Fahrten zur Arbeit etc.); ebenso der Umstand, dass ein Rückgriff auf ein Taxi und/oder öffentliche Verkehrsmittel nicht möglich, jedenfalls nicht zumutbar gewesen sei. Zum Thema „SCHWACKE 2006“ hat RA Frank Mohr, Gießen, darauf hingewiesen, dass der BGH Revision und Anschlussrevision gegen ein Urteil des LG Gießen zurückgewiesen hat (11.3.08, VI ZR 164/07, Abruf-Nr. 081112).
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