01.07.2006 | Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer
Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs
Da § 316a StGB auch den Schutz des Straßenverkehrs bezweckt, ist entscheidend für die Tatbestandsmäßigkeit des § 316a StGB, dass der Angriff unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen wird (BGH 23.2.06, 4 StR 444/05, Abruf-Nr. 061622). |
Sachverhalt
Am Ziel hielt der Taxifahrer gegen 3.10 Uhr das Taxi im Kreuzungsbereich zweier Straßen an, schaltete die Innenraumbeleuchtung ein und brachte bei laufendem Motor den Wählhebel für die Getriebeautomatik in die Parkstellung. Es herrschte kein Verkehrsaufkommen. Der Taxifahrer bat den Angeklagten um Entrichtung des Fahrpreises i.H.v. 9,80 EUR. Der Angeklagte sprühte dem Taxifahrer Pfefferspray in das Gesicht und flüchtete ohne Bezahlung. Als er wenig später stürzte, konnte er vom nacheilenden Taxifahrer überwältigt werden. Das LG hat den Angeklagten nicht wegen eines Verstoßes gegen § 316a StGB verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision der StA hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
- Führer eines Kfz und damit taugliches Tatopfer i.S.d. § 316a StGB ist, wer das Fahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist (BGHSt 49, 8, 14 = VA 04, 48, Abruf-Nr. 040051). Befindet sich das Fahrzeug nicht mehr in Bewegung, so ist darauf abzustellen, ob das Opfer als Fahrer noch mit der Bewältigung von Betriebs- oder Verkehrsvorgängen befasst ist. Dies ist, auch bei einem nicht verkehrsbedingten Halt, regelmäßig der Fall, wenn der Motor des Fahrzeugs noch in Betrieb ist (im Einzelnen BGHSt 50, 169 = VA 05, 176, Abruf-Nr. 052099). Auf dieser Grundlage war der Taxifahrer hier (noch) Führer eines Kfz und damit taugliches Tatobjekt.
- Der Angeklagte hat aber nicht „die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs“ ausgenutzt. Davon ist auszugehen, wenn der Angriff gegen den Fahrzeugführer unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen wird (BGHSt 49, 8, 11). Dazu muss der Fahrzeugführer im Zeitpunkt des Angriffs objektiv noch in einer Weise mit der Beherrschung seines Kfz und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt sein, dass er gerade deshalb leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann. Hierfür genügt nicht, dass der Motor noch läuft und der Fahrer allein deshalb mit dem Betrieb des Fahrzeugs beschäftigt ist. Vielmehr müssen weitere verkehrsspezifische Umstände vorliegen, die zur Beeinträchtigung der Abwehrmöglichkeiten des Fahrzeugführers geführt haben. Derartige Umstände waren hier zu verneinen, weil kein Verkehrsaufkommen bestand, mithin der Taxifahrer zum Zeitpunkt des Angriffs nicht mit der Bewältigung von Betriebs- oder Verkehrsvorgängen beschäftigt war. Zudem hatte der Taxifahrer die Getriebeautomatik in die Parkstellung gebracht und musste deshalb nicht darauf achten, dass sich das Fahrzeug ggf. in Bewegung setzte.
Praxishinweis
Der BGH hat seine neuere Rspr. zu § 316a StGB noch einmal zusammengefasst (dazu grundlegend BGHSt 49, 8 = VA 04, 48; 50, 169 = VA 05, 176). Der Verteidiger muss, insbesondere in den „Taxifahrerfällen“, sorgfältig anhand der vom BGH aufgeführten Kriterien und der Beispiele prüfen, ob die Voraussetzungen des § 316a StGB vorliegen. Da § 316a StGB nach der BGH-Rspr. auch den Schutz des Straßenverkehrs bezweckt, ist entscheidend, dass der Angriff unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen wird.
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