01.05.2005 | Tatbegriff
Begehung von Verkehrsdelikten nach einer anderen Straftat (hier: Zigarettenschmuggel)
Werden vor oder nach anderen Straftaten (auch) Verkehrsdelikte begangen, handelt es nicht um „dieselbe Tat“, wenn aufgrund einer zeitlichen und räumlichen Entfernung vom Beladeort eine Zäsur vorlag und die Verkehrsdelikte aufgrund eines neuen, spontan gefassten Tatentschlusses begangen wurden (BVerfG 11.1.05, 2 BvR 2125/04, Abruf-Nr. 050966). |
Sachverhalt
Der Angeklagte brachte Zigaretten nach Deutschland und transportierte sie mit seinem in Grenznähe geparkten Pkw ab. Etwa 10 km vom Abfahrtsort entfernt wollten Grenzschutzbeamte den Angeklagten kontrollieren. Dieser leistete den Haltesignalen keine Folge. Er durchbrach die Polizeisperren, wobei er mit erheblicher Geschwindigkeit auf die Beamten zufuhr und diese zum Ausweichen zwang. Nachdem der Angeklagte wegen gewerbsmäßigen Schmuggels verurteilt war, wurde er auch noch wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt. Dagegen hat er Rechtsmittel eingelegt, die eben so wie seine Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg hatte.
Entscheidungsgründe
Die fachgerichtlichen Urteile verletzen nicht den Grundsatz „ne bis in idem“. Ob verschiedene Urteile dieselbe Tat im verfassungsrechtlichen Sinn betreffen, ist unabhängig vom Begriff der Tateinheit nach § 52 StGB zu beurteilen, weil die Rechtsfiguren der Tateinheit und der Tatidentität in Art. 103 Abs. 3 GG verschiedene Zwecke verfolgen. Zwar liegt bei festgestellter Tateinheit regelmäßig auch eine einheitliche prozessuale Tat vor, es sind aber Ausnahmen möglich. Das materielle Strafrecht bildet mitunter rechtliche Handlungseinheiten, die mehrere selbständige Sachverhalte in sich aufnehmen.
Die Verkehrsdelikte waren nicht von der Anklage im Steuerstrafverfahren umfasst. Materiell-rechtlich liegt keine Tateinheit zwischen der Steuerstraftat und den weiteren Taten vor. Eine Verbindung zur natürlichen Handlungseinheit scheidet mangels unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs, übereinstimmenden äußeren Tatbilds und einheitlichen Willens des Angeklagten aus. Es liegt auch kein teilidentisches Zusammentreffen einzelner Handlungen vor, da die Autofahrt keine Ausführung des bereits vollendeten Zigarettenschmuggels war. Die Taten ereigneten sich mit einem erheblichen zeitlichen Abstand zur Vortat. Zudem war durch die Wegfahrt vom Beladeort eine Zäsur eingetreten.
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