23.12.2009 | Trunkenheitsfahrt
Vorsatz allein wegen hoher BAK?
Bei der Trunkenheit im Verkehr kann die Annahme einer vorsätzlichen Tat nicht allein auf die Höhe der Blutalkoholkonzentration gestützt werden (OLG Brandenburg 10.6.09, 2 Ss 17/09, Abruf-Nr. 093887). |
Sachverhalt
Der Angeklagte befuhr alkoholisiert öffentliche Straßen. Die ihm entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 2,37 Promille. Das AG hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt. Auf die Berufung der StA hat das LG das amtsgerichtliche Urteil im Schuldspruch dahin abgeändert, dass es den Angeklagten wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt verurteilt hat. Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken hat, seine Fahruntüchtigkeit erkennt. Mit steigender Alkoholisierung verringert sich auch die Erkenntnis- und Kritikfähigkeit. Daher kann die Fähigkeit, die eigene Fahruntüchtigkeit zu erkennen, in einer zwar den Vorwurf der Fahrlässigkeit begründenden, jedoch den Vorsatz ausschließenden Weise beeinträchtigt sein. Um auf eine vorsätzliche Begehungsweise schließen zu können, müssen weitere darauf hinweisende Umstände hinzutreten. Dabei kommt es auf die vom Tatgericht näher festzustellende Erkenntnisfähigkeit des Fahrzeugführers bei Fahrtantritt an. Erforderlich ist die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Täterpersönlichkeit, des Trinkverlaufs wie auch dessen Zusammenhang mit dem Fahrtantritt sowie das Verhalten des Täters während und nach der Fahrt.
Praxishinweis
Die schon etwas ältere Entscheidung behandelt ein Dauerproblem des Straßenverkehrsrechts, nämlich die Frage, ob die Annahme einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt allein auf die Höhe der BAK des Angeklagten gestützt werden kann. Davon gehen die Tatgerichte nicht selten aus, während die OLG nicht müde werden, immer wieder darauf hinzuweisen, dass dieser Schluss nicht zulässig ist, sondern dass weitere Umstände festgestellt werden bzw. vorliegen müssen, aus denen auf die vorsätzliche Begehungs-weise geschlossen werden kann (vgl. dazu aus neuerer Zeit u.a. OLG Hamm NZV 05, 161 m.w.N.; BA 04, 538; VA 08, 82; OLG Koblenz StraFo 08, 220; zfs 06, 266; weitere Rechtsprechungsnachweise bei Fischer, StGB, 56. Aufl., § 316 Rn. 46 m.w.N.). Die Frage ist für den Mandanten insofern von Bedeutung als bei einer Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat i.d.R. eine höhere Strafe und i.d.R. auch eine längere Sperrfrist (§ 69a StGB) droht. Zudem wird die Rechtsschutzversicherung nicht eintreten. Deshalb muss der Verteidiger die Umstände des Einzelfalls sorgfältig daraufhin überprüfen, ob sie ggf. allein oder zusammen ausreichen, um Vorsatz zu bejahen.
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