01.05.2007 | Unfallhaftpflichtprozess
Haupt- oder Nebenforderung?
Im Verkehrsunfallhaftpflichtprozess sind die neben anderen Schadenspositionen eingeklagten Kosten eines vorprozessual eingeholten Sachverständigengutachtens und die Unkostenpauschale regelmäßig keine Nebenforderungen, die bei der Berechnung des Streitwerts und der Beschwer außer Betracht bleiben (BGH 13.2.07, VI ZB 39/06, Abruf-Nr. 071202). |
Sachverhalt
Ursprünglich hatte der Kläger seine Klageforderung auf 2.492,80 EUR beziffert, bestehend aus Reparatur-, Sachverständigen-, Mietwagenkosten, Minderwert und Kostenpauschale. Die Beklagten zahlten die Hälfte. In Höhe von 1.246,40 EUR sowie 144,59 EUR vorgerichtlicher Anwaltskosten verfolgte der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das AG hat der Klage in Höhe von 623,20 EUR sowie weiteren 137,31 EUR Anwaltskosten stattgegeben. Mit seiner Berufung hat der Kläger die Zahlung weiterer 623,20 EUR zzgl. Anwaltskosten von noch 7,28 EUR geltend gemacht. Das LG hat die Berufung mit der Begründung als unzulässig verworfen, die erforderliche Beschwer sei nicht erreicht, weil es sich bei den noch offenen Sachverständigenkosten und der Kostenpauschale um Nebenforderungen handele. Der BGH hat der Rechtsbeschwerde stattgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Ansicht des LG, bei den Sachverständigenkosten und der Kostenpauschale handele es sich um Nebenforderungen i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO, die auch als solche geltend gemacht seien, hält der BGH für verfehlt. Die beiden Positionen seien nicht als Nebenforderungen eingeklagt worden, jedenfalls unter den Umständen des Streitfalles seien sie auch nicht als solche zu behandeln. Ob ein eingeklagter Anspruch Nebenforderung sei, könne nur aus seinem Verhältnis zu dem als Hauptforderung in Betracht kommenden Anspruch heraus beurteilt werden. Zur Hauptforderung müsse die Nebenforderung in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, sachlich-rechtlich müsse sie von ihr abhängen. Bei Gleichrangigkeit gäbe es nur Hauptforderungen. Sowohl bei den Sachverständigenkosten als auch bei der Kostenpauschale fehle es am erforderlichen Abhängigkeitsverhältnis, so dass beide Positionen bei der Festsetzung der Beschwer wie auch des Streitwerts zu berücksichtigen seien.
Praxishinweis
Allzu durchsichtig sind die Versuche mancher Richter, Streitwerte und Beschwer zu drücken. Dem schiebt der BGH jetzt einen Riegel vor. Sein Beschluss ist gerade für Unfallprozesse von großer praktischer Bedeutung; nicht nur mit Blick auf die Positionen „Sachverständigenkosten“ und „Kostenpauschale“. Auch bei den neuerdings ständig miteingeklagten Anwaltskosten wird die Frage „Haupt- oder Nebenforderung“ kontrovers diskutiert. So meint etwa Tomson (NJW 07, 267), der anrechnungsfreie Teil der Geschäftsgebühr sei als nicht streitwerterhöhende Nebenforderung geltend zu machen. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten hingen nach Grund und Höhe vom Bestand der Hauptforderung ab. Dieser Einheitslösung ist RA Jörn Berg, Berlin, entgegengetreten (NJW 14/2007, XVI). Sein Plädoyer für eine Differenzierung nach Anspruchsgrundlagen – einerseits § 249 BGB, dann Hauptforderung, andererseits Verzug, dann Nebenforderung – findet in der jetzigen BGH-Entscheidung eine Stütze: Anwaltskosten, die beim Kläger somit eine Nebenforderung sein können, sind beim Widerkläger stets Hauptforderung. Klargestellt wird vom BGH erneut, dass es nicht in der Hand des Klägers liege, eine Nebenforderung durch entsprechende Berechnung der Klagesumme und Formulierung des Klageantrags zur Hauptforderung zu machen. M.a.W.: Der Kläger hat kein vom materiellen Recht losgelöstes Wahlrecht.
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