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  • 01.01.2007 | Unfallschadenregulierung

    BGH zum Mitverschulden beim Erwerbsschaden

    Verstößt der Geschädigte gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht, weil er es unterlässt, einer ihm zumutbaren Erwerbstätigkeit nachzugehen, sind die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte auf den Schaden anzurechnen. Eine quotenmäßige Anspruchskürzung kommt grundsätzlich nicht in Betracht (BGH 26.9.06, VI ZR 124/05, Abruf-Nr. 063407).

     

    Sachverhalt

    Kein Verkehrsunfall, sondern die Tötung eines Polizeibeamten war Prozessgrund. Vom Täter verlangte das klagende Land aus übergegangenem Recht die Erstattung von Versorgungsleistungen an die Witwe des Getöteten. Der Beklagte hat einen Unterhaltsanspruch der Witwe nach Grund und Höhe bestritten und u.a. geltend gemacht, die junge, kinderlose Witwe habe sich pflichtwidrig nicht um eine Erwerbstätigkeit bemüht. Das LG hat der Klage stattgegeben, während das OLG die Klageforderung wegen unterlassener Arbeitsaufnahme gekürzt hat. Dieses Mitverschulden sei mit 25 % zu bewerten, was einen 25 %-igen Abzug von der Klageforderung rechtfertige. Auf Revision und Anschlussrevision hat der BGH das Urteil des OLG aufgehoben.  

     

    Entscheidungsgründe

    Zunächst geht der BGH auf die Frage ein, ob die Versorgungsempfängerin (Jahrgang 1966) die ihr gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB obliegende Schadensminderungspflicht verletzt hat. Einer jungen, kinderlosen, arbeitsfähigen Witwe könne im Regelfall zugemutet werden, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch das Unterlassen zumutbarer Bemühungen, einen Arbeitsplatz zu finden, komme als Verstoß gegen § 254 BGB in Frage. Dazu vermisst der BGH, wie schon das OLG, ausreichenden Sachvortrag des insoweit darlegungspflichtigen Klägers. Was die Auswirkung des Mitverschuldens angeht, hält der BGH die quotenmäßige Anspruchskürzung für grundsätzlich falsch. Auf den Schaden anzurechnen seien die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte. Eine quotale Kürzung könne zu sachwidrigen Ergebnissen führen.  

     

    Praxishinweis

    Dass das OLG das Mitverschulden fehlerhaft berücksichtigt hat, liegt auf der Hand. Richtigerweise ist zu ermitteln, was der Geschädigte verdient hätte, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte. Das erzielbare (fiktive) Einkommen kann nach § 287 ZPO geschätzt werden. In drei weiteren Punkten ist das vorliegende BGH-Urteil gleichfalls wichtig für die anwaltliche Praxis: Zum einen mit Blick auf die Verjährungshemmung durch Verhandeln (§ 203 BGB), zum zweiten hinsichtlich der (sekundären) Darlegungslast des Geschädigten hinsichtlich seiner Bemühungen um Verwertung seiner (Rest)Arbeitskraft. Dazu muss konkret vorgetragen werden. Schließlich spricht der BGH einen Punkt an, der in der Gerichtspraxis häufig vernachlässigt wird. Es geht um den Feststellungsantrag. Das OLG hat ein Mitverschulden hier mit dem Argument außer Betracht gelassen, derzeit könne nicht gesagt werden, ob und inwieweit die Witwe künftig ihrer Schadenminderungspflicht nachkomme. Für die Zeit ab letzter mündlicher Verhandlung ist das gewiss richtig. Nur: Der Zeitraum für die Berechnung der Zahlungsklage fällt üblicherweise nicht mit der letzten Tatsachenverhandlung zusammen. Feststellungsanträge („künftiger Schaden“) erfassen i.d.R. auch einen davor liegenden Zeitraum. Aus Rechtskraftgründen (Präklusion) macht das eine partielle Berücksichtigung des Mitverschuldens im Feststellungsausspruch, zumindest in den Gründen, erforderlich. Beklagten-Anwälte müssen darauf achten (notfalls Antrag auf Tenorberichtigung oder Korrektur im Rechtsmittelverfahren).