01.01.2006 | Unfallschadensregulierung
Abrechnung fiktiver Reparaturkosten: Die aktuellen Brennpunkte in der Praxis
Trotz Änderung des § 249 BGB und Neuerungen in der BGH-Rspr. ist die Abrechnung fiktiver Reparaturkosten im Grundsatz weiterhin zulässig. Was aber ist nach dem angeblichen Fall der 70-Prozent-Grenze (BGH VA 05, 151, Abruf-Nr. 052087) von dieser Möglichkeit praktisch geblieben? Können schon mittlere, selbst kleinere Schadensfälle zu wirtschaftlichen Totalschäden umfunktioniert werden? Und wie kann sich der Geschädigte gegen Kürzungen bei den Werkstattpreisen zur Wehr setzen und seinerseits die Erstattung von Umsatzsteuer durchsetzen, und sei es per Nachforderung? Antworten auf diese und andere Fragen gibt der nachfolgende Beitrag anhand der 4 Fallvarianten.
Ausgangsfrage: Reparaturkosten oder Wiederbeschaffungsaufwand?
- Ob mit oder ohne Rechnung: Reparaturkosten abrechnen zu können, ist für den Geschädigten in aller Regel sehr viel vorteilhafter als die Alternative Totalschadensabrechnung. Die Weiche in die eine oder in die andere Richtung wird mit Hilfe von Grenzwerten gestellt. Die Prozentsätze reichen von 50 über 70 und 100 bis zu 130 Prozent. Bezugspunkt (= 100 Prozent) ist in allen Fällen der Wiederbeschaffungswert, nicht zu verwechseln mit dem Wiederbeschaffungsaufwand (= Wiederbeschaffungswert ./. Restwert).
- Zum Wiederbeschaffungswert in Relation zu setzen sind die Reparaturkosten, meist allein, bei Anfall eines merkantilen Minderwerts aber inklusive. Für Geschädigte ohne Vorsteuerabzugsberechtigung kommt es – auf beiden Seiten des Kostenvergleichs – auf die Bruttobeträge an (OLG Düsseldorf 12.12.05, I-1 U 100/05, Abruf-Nr. 053502). Durch ein Abstellen auf die Netto-Reparaturkosten den Spielraum für ihre (fiktive) Abrechnung zu erweitern, ist also nicht zulässig. Dass bei der gebotenen Wirtschaftlichkeitsprüfung (Kostenvergleich) der Restwert mal ausgeklammert, mal einbezogen wird, leuchtet auf Anhieb nicht ein. Was wann gilt, sagen die unten mitgeteilten BGH-Entscheidungen.
Die Fallvarianten | ||||||||||||||||
Fall 1: Abrechnung fiktiver Reparaturkosten im Bereich bis 70 Prozent Die Eckdaten der 70-Prozent-Entscheidung des BGH (VA 05, 151, Abruf-Nr. 052087 = NJW 05, 2541):
1. Die zentrale Botschaft des BGH Auch unterhalb der 70-Prozent-Grenze gibt es keine Garantie für eine uneingeschränkte Abrechnung auf der Basis fiktiver Reparaturkosten – diese zentrale Botschaft des BGH ist keineswegs neu. Neu ist allenfalls, dass der BGH der 70-Prozent-Grenze in einer ganz bestimmten Konstellation keine Bedeutung beimisst. Generell hat er sie nicht abgelehnt. Für Fälle mit Veräußerung des Unfallfahrzeugs war und ist die Abrechnungs- und Schätzungserleichterung nach der 70-Prozent-Regelung (keine Vergleichskontrollrechnung, kein Restwertausweis) nicht geschaffen.
2. Unproblematische Fälle Auf der sicheren Seite ist der Geschädigte mit der Abrechnung fiktiver Reparaturkosten unterhalb der 70-Prozent-Schwelle in folgenden Fällen:
3. Anspruchsbeschränkung Durch den Wiederbeschaffungsaufwand begrenzt ist der Ersatzanspruch selbst bei Unterschreiten der 70-Prozent-Grenze (auch der 50-Prozent-Grenze), wenn der Geschädigte sein Fahrzeug unrepariert veräußert hat. Denn die Realisierung des Restwertes wirkt laut BGH schadenbeseitigend (Vorteilsausgleichung, so BGH NJW 85, 2471).
4. Kritische Fälle und praktische Hinweise Das Einfallstor für eine Abrechnung bereits mittlerer Schäden auf Totalschadensbasis sehen Versicherer – außer im Fall der Veräußerung – in einer
Mit einiger Berechtigung übertragen sie die Kriterien „reparieren und weiter nutzen“ (BGH VA 03, 78, Abruf-Nr. 031070 = NJW 03, 2085) auf Fälle unterhalb der 70-Prozent-Grenze, wobei sie die Qualität der Reparatur jedoch aus dem Spiel lassen müssen. Als vertretbare Gegenposition bietet sich für den Geschädigten folgende Argumentation an: „Die Reparaturkosten liegen nicht nur unter dem Wiederbeschaffungswert, sondern sogar unter dem Wiederbeschaffungsaufwand (= WBW ./. RW). Mangels Restwertausweises kann das derzeit zwar nicht durch Zahlen belegt werden. Der Restwert (ggf. auch der Wiederbeschaffungswert) kann aber – auf Kosten des Schädigers – nachermittelt werden. Solange das nicht ausdrücklich verlangt wird, werden die Reparaturkosten auf Gutachtenbasis geltend gemacht, zumal der Mandant das Fahrzeug behalten will.“
a) Behalten oder nicht behalten? Diese Frage muss der Anwalt des Geschädigten jetzt auch in Fällen stellen, wo dies früher kein Thema war. Besonders wichtig ist sie bei mittleren Schäden an relativ neuen, hochwertigen Pkw mit entsprechend hohem Restwert. Bei solchen Unfallfahrzeugen sehen die Versicherer nicht ohne Grund ein beträchtliches Einsparpotenzial.
b) Auskunft wird dem Versicherer nicht geschuldet. Der Geschädigte muss nicht mitteilen, dass er sein Fahrzeug veräußern möchte. Auch die Tatsache der Veräußerung ist nicht offenbarungspflichtig (BGH VA 05, 186, Abruf-Nr. 052785 = NJW 05, 3134). Wenn der Versicherer jedoch anderweitig von einer Veräußerung Kenntnis erlangt (z.B. durch die Zulassungsstelle), kann selbst eine schon abgeschlossene Regulierung auf Reparaturkostenbasis hinfällig werden. Wie der vom BGH entschiedene 70-Prozent-Fall zeigt, ist ein Spiel mit verdeckten Karten nicht empfehlenswert.
c) Behalten, aber wie lange? Darauf gibt es keine Patentantwort, weder in „Unter-Hundert-Fällen“ noch im Bereich 100 bis 130 Prozent. Als gesichert kann gelten: Anrechnungspflichtig ist nur der Erlös aus dem Verkauf des unreparierten Fahrzeugs. Wird es z.B. nach einer Teilreparatur aus unfallfremden Gründen veräußert, z.B. nach einem Motorschaden oder einem Zweitunfall, bleibt das ohne Einfluss auf die fiktive Abrechnung der Reparaturkosten. Zum Zeitfaktor s. unten Fall 2 und Fall 3.
d) Abrechnungsfragen: Das zum Nachweis der Reparaturkosten vorgelegte Schadensgutachten kann der Versicherer nicht mit dem Argument zurückweisen, der Restwert sei nicht ermittelt, das Gutachten sei unvollständig. Ein Restwertangebot von Versicherungsseite kann nur greifen, wenn es rechtzeitig vor der Veräußerung übermittelt wurde und inhaltlich akzeptabel ist (vgl. BGH VA 05, 186, Abruf-Nr. 052785 = NJW 05, 3134). Die Abrechnung fiktiver Reparaturkosten auf Basis eines Kostenvoranschlags ist zwar weiterhin möglich, die Angriffsfläche für den Versicherer ist indes durch BGH VA 05, 151, Abruf-Nr. 052087, erweitert. Um die Möglichkeit einer Nachforderung von Umsatzsteuer (und Nutzungsausfallersatz) nicht zu verbauen, empfiehlt sich bei (vorläufiger) fiktiver Abrechnung ein ausdrücklicher Vorbehalt (s. auch BGH VA 04, 109, Abruf-Nr. 041046 = NJW 04, 1943). Die Zulässigkeit eines Feststellungsantrags bejaht OLG Düsseldorf 21.11.05, I-1 U 41/05, Abruf-Nr. 053503 (ebenso AG Minden VA 04, 11, Abruf-Nr. 032472). Bei einer Teilreparatur in einer Werkstatt oder einer Selbstreparatur mit Ersatzteilkauf bereits angefallene Umsatzsteuer kann neben der Nettoabrechnung auf Gutachtenbasis liquidiert werden. Insoweit besteht kein Kombinationsverbot (AG Minden NJW 03, 833; Elsner, DAR 04, 130, 131).
Fall 2: Abrechnung fiktiver Reparaturkosten im Bereich zwischen 70 und 100 Prozent Die Eckdaten von BGH VA 03, 78, Abruf-Nr. 031070 = NJW 03, 2085 („Karosseriebaumeister“) lauten:
Obgleich die geschätzten Reparaturkosten unter dem Wiederbeschaffungswert lagen (zwischen 70 und 100 Prozent), hat der Versicherer auf Totalschadensbasis abgerechnet. Ohne die strittige Frage nach der Qualität der Eigenreparatur zu klären, hatte das LG die Abrechnung nach den fiktiven Reparaturkosten anerkannt. Der BGH hat das gebilligt. Was seine Entscheidung für die Praxis bedeutet, ist in VA 03, 94 ff., näher dargestellt. Nachzutragen bleibt, wie die Instanzgerichte auf die neue Linie reagiert haben. Zwei Punkte sind wichtig:
1. Reparatur Laut BGH soll es in einem „Unter-Hundert-Fall“ auf die Qualität der Reparatur nicht ankommen, andererseits muss an dem Unfallfahrzeug etwas gemacht worden sein. Anders als in einem „130-Prozent-Fall“ (dazu unten III) genügt dem BGH die Wiederherstellung der Verkehrs- und Betriebssicherheit. Die Prüfkriterien sind also nicht „fachgerecht“ und „vollständig“, sondern „verkehrs- und betriebssicher“. Das Fahrzeug darf unfallbedingt (!) keine verkehrsgefährdenden Mängel behalten haben, aufgrund derer es bei der HU nach § 29 StVZO als verkehrsunsicher eingestuft werden müsste. Das entspricht „fahrbereit“ i.S.v. BGH NJW 93, 1854. M.a.W.: „verkehrsunsicher“ schließt „fahrbereit“ aus (LG Darmstadt SP 04, 51). Das LG München I (SP 04, 194) stellt auf die „Ordnungsgemäßheit“ der Instandsetzung ab, womit die Grenze zum wesentlich höheren Standard einer 130-Prozent-Reparatur verwischt wird. Zur Darlegung einer „Instandsetzung light“ soll der Vortrag, das Fahrzeug in Eigenleistung teilweise aufgebaut zu haben, ohne weiteres nicht genügen (KG KGR 05, 98). „Verkehrs- und betriebssicher“ sind die richtigen Vokabeln. Bei einem reinen Blechschaden können Fotos vom reparierten Auto genügen. Besser ist eine Reparaturbescheinigung eines Sachverständigen mit Fotos. Eine Bescheinigung über eine erfolgreiche HU zeitnah nach dem Unfall sollte ebenfalls ausreichen. Außer dem SV-Beweis steht der Augenschein als Beweismittel zur Verfügung. Zum Zeitpunkt der Vorlage des Reparaturnachweises (wichtig für § 93 ZPO) s. OLG Düsseldorf VA 05, 22, Abruf-Nr. 050060.
2. Weiterbenutzung Der BGH spricht nicht von Behalten, sondern von Weiterbenutzung. Reparieren und weiter nutzen, lautet seine Formel. Eine Zeitgrenze nennt er nicht, weder für die „Unter-Hundert-Fälle“ noch für die Fallgruppe „130 Prozent“. Als „Schamfrist light“ hat dem LG Hamburg eine Zeitspanne von 2 Wochen in einem Fall nicht genügt, in dem die Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungsaufwand, aber unter dem Wiederbeschaffungswert lagen (16.9.05, 306 O 156/05, Abruf-Nr. 053504 – Taxi).
Fall 3: Abrechnung fiktiver Reparaturkosten innerhalb der 130-Prozent-Grenze In Fortführung der Karosseriebaumeister-Entscheidung hat der BGH am 15.2.05 entschieden: Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert kann nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (BGH VA 05, 59, 82, Abruf-Nr. 050708 = NJW 05, 1108).
Obgleich die geschätzten Reparaturkosten mit 134 Prozent über dem Schwellenwert lagen, hat der BGH den Fall der 130-Prozent-Gruppe zugeordnet und erstmals die Anforderungen an eine Instandsetzung konkretisiert, die den Integritätszuschlag rechtfertigt. Der Kläger hatte den Wagen in Eigenregie teilweise repariert, angeblich war er fahrbereit und verkehrssicher. Das war dem BGH zu wenig. Immerhin waren Restschäden vorhanden, die nur mit Hilfe einer Richtbank zu beheben waren, was einen Aufwand von ca. 1/3 der Gesamtreparaturkosten erfordert hätte. Damit war der Integritätszuschlag eindeutig verfehlt.
1. Reparaturqualität Dass eine Markenwerkstätte eingeschaltet werden muss, verlangt der BGH nicht. Eine „freie“ Fachwerkstatt genügt. Selbst eine fachgerechte Eigenreparatur ist anzuerkennen, ebenso die Kombination von fremd und eigen. Die Verwendung von Neuteilen wird nicht ausdrücklich vorgeschrieben, mittelbar aber über den Verweis auf die Vorgaben des Sachverständigen. Unfallinstandsetzungen mit Gebrauchtteilen können fachgerecht sein (aktuell LG Dresden NZV 05, 587). Qualität ist nicht alles. Vollständigkeit muss hinzu kommen. „Im Umfang des Gutachtens des eigenen Sachverständigen“, so die BGH-Direktive. Dass das Gutachten bis ins letzte Detail abgearbeitet worden sein muss, fordert der BGH nicht. Maßgebliche von unmaßgeblichen Restarbeiten abzugrenzen, bleibt Aufgabe der Gerichte (§ 287 ZPO). Eine Fehlprognose des Sachverständigen lasten sie mehrheitlich dem Schädiger an (aktuell LG München I NZV 05, 587; vom BGH noch nicht entschieden).
Prozessuales: Um sicher zu gehen, sollte die Beweisbehauptung an BGH VA 05, 59, Abruf-Nr. 050708 = NJW 05, 1108, ausgerichtet werden. Beweismittel: in erster Linie SV-Gutachten; bei (unbedenklicher) Veräußerung mit Wegfall der Besichtigungsmöglichkeit ist der Mechaniker als Zeuge zu benennen.
2. Weiterbenutzung Dass und ggf. wie lange der Geschädigte das reparierte Fahrzeug weiter benutzen muss, sagt der BGH in keinem seiner beiden Urteile vom 15.2.05 (VA 05, 59, 82, Abruf-Nrn. 050707 und 050708 = NJW 05, 1108, 1110). Ohne eine Weiterbenutung über einen gewissen Zeitraum ist der Integritätszuschlag hochgradig gefährdet. Ein Verkauf kurz nach der Reparatur muss plausibel erläutert werden können (Familienzuwachs, günstiges Kaufangebot, Zweitschaden u.a.). Nach 6 Monaten ist man jedenfalls auf der sicheren Seite.
3. Abrechnungsfragen Kann der Geschädigte eine fachgerechte und vollständige Instandsetzung nachweisen und benutzt er sein Fahrzeug weiter, darf er Reparaturkosten auch auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abrechnen. Wer Kosten bis zu 30 Prozent über dem (ungekürzten) Wiederbeschaffungswert nicht durch eine Rechnung belegen kann, muss das Fahrzeug nachweisbar „wertmäßig in einem Umfang repariert haben, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt“ (BGH VA 05, 59, 82, Abruf-Nr. 050707 = NJW 05, 1110). Was damit gemeint ist und welche praktischen Konsequenzen sich daraus ergeben, ist noch unklar (s. Ch. Huber, SVR 05, 241; Staab, VersR 05, 1598). Angesprochen sind vor allem die Fälle der Eigenreparatur einschließlich eines Mix aus eigen und fremd. Bei einer erwiesenermaßen fachgerecht und vollständigen (Eigen-)Reparatur dürfte der erforderliche „Wertnachweis“ regelmäßig erbracht sein. Sicherheitshalber sollte das zusätzlich unter SV-Beweis gestellt werden.
Kann der Geschädigte die Voraussetzungen für den Integritätszuschlag nicht nachweisen, ist die Höhe seines Ersatzanspruchs auf den – meist sehr viel niedrigeren – Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt (BGH VA 05, 59, 82, Abruf-Nr. 050707 = NJW 05, 1110), der Restwert wird also jetzt abgezogen. Für diesen Fall erlaubt der BGH es nicht, die bei einer Teilreparatur und/oder einem Ersatzteilkauf tatsächlich angefallene Umsatzsteuer zu liquidieren. Ohne Ersatzbeschaffung nur der Netto-Wiederbeschaffungsaufwand! Das Verbot der Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung wird (nur obiter) allein unter Hinweis auf BGH VA 04, 7, Abruf-Nr. 032372 = NJW 03, 3480 ausgesprochen (nicht überzeugend, da anderer Sachverhalt).
Fall 4: Abrechnung fiktiver Reparaturkosten bei Kostenschätzung oberhalb der 130-Prozent-Grenze In BGH VA 05, 59, 82, Abruf-Nr. 050708 = NJW 05, 1108, war die 130-Prozent-Grenze um rund 4 Prozent überschritten. Das hat den BGH nicht gestört. In seinen Augen handelt es sich ohnehin nicht um eine starre Grenze (ebenso LG Dresden NZV 05, 587). Liegen die voraussichtlichen Reparaturkosten (richtigerweise incl. eines etwaigen Minderwerts, dazu KG NZV 05, 46) oberhalb der 130-Prozent-Grenze, ist eine Instandsetzung im Allgemeinen wirtschaftlich unvernünftig (BGH NJW 92, 305). Überwiegend wird der BGH so verstanden, dass es auf die Kostenschätzung des Sachverständigen ankomme. Das kann kostenbewusste Geschädigte benachteiligen, denen es gelungen ist, durch alternative Reparaturmethoden (z.B. smart repair, statt Originalersatzteile qualitativ gleichwertige Ersatzteile) und/oder infolge von Sonderkonditionen beim Preis den Reparaturaufwand innerhalb der 130-Prozent-Marge zu halten. Gute Gründe sprechen hier gegen eine Verweisung auf eine Totalschadensabrechnung mit Fallbeileffekt (vgl. OLG Düsseldorf VA 01, 79, Abruf-Nr. 010620 = DAR 01, 499; OLG Dresden NZV 01, 346; Ch. Huber, SVR 05, 241).
Wichtig für alle Fallvarianten: Stundenverrechnungssätze, Verbringungskosten und UPE-Aufschläge bei fiktiver Abrechnung Seit BGH VA 03, 79, Abruf-Nr. 031071 = NJW 03, 2086, ist geklärt, dass der Geschädigte seiner fiktiven Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstätte zugrunde legen darf. Er muss sich weder auf einen Mittelwert noch gar auf die Sätze freier Werkstätten verweisen lassen. Neuerdings versuchen Versicherer, Geschädigten gezielte Hinweise auf freie Werkstätten zu geben, um dann deren „Sparpreise“ anzusetzen. Die Instanzgerichte machen das überwiegend nicht mit (vgl. LG Bochum VA 05, 204, Abruf-Nr. 053168; AG Aachen VA 05, 150, Abruf-Nr. 052296; AG Kiel 21.9.05, 115 C 318/05, Abruf-Nr. 053436). Ist die Alternativwerkstatt jedoch fachlich gleichwertig und zudem mühelos zugänglich, muss der Geschädigte sich darauf verweisen lassen. Ob eine freie (markenungebundene) Werkstatt eine gleichwertige Alternative darstellt, hat der BGH noch nicht entschieden. Wichtig sind auch Gesichtspunkte wie Art und Umfang des Schadens, auch das Fahrzeugalter ist von Bedeutung (Herstellergarantie!). Wer als Ausländer sein Fahrzeug unrepariert in sein Heimatland bringt, muss sich auf die dortigen Stundenlöhne verweisen lassen (LG Köln VersR 05, 1578 – Rumänien).
Für die UPE-Aufschläge und für die Verbringungskosten liegt eine einschlägige BGH-Entscheidung noch nicht vor. Die unteren Gerichte urteilen unterschiedlich, in Anlehnung an BGH VA 03, 79, Abruf-Nr. 031071 = NJW 03, 2086 (Stundenverrechnungssätze) überwiegend geschädigtengünstig (LG Aachen VA 05, 97, Abruf-Nr. 051354 – UPE; weitere Nachweise bei Wortmann, VersR 05, 1515; Richter, SVR 05, 97).
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