24.06.2010 | Unfallschadensregulierung
Bearbeitungsfrist für Versicherer: So viel Zeit muss (nicht) sein
1. Solange und soweit ein Haftpflichtversicherer trotz ordnungsgemäßer Behandlung das Regulierungsbegehren des Anspruchsstellers nicht abschließend beurteilen kann, beruht das Nichtzahlen der Regulierungsleistung auf einem vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstand mit der Wirkung, dass kein Verzug eintritt und auch keine Veranlassung zur Klageerhebung besteht. |
2. Dem Haftpflichtversicherer des Ersatzpflichtigen ist regelmäßig - d.h. selbst bei einfachen Sachverhalten - eine Bearbeitungszeit von einigen Wochen einzuräumen. |
(OLG Stuttgart 26.4.10, 3 W 15/10, Abruf-Nr. 101822) |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Ablauf in chronologischer Reihenfolge: Unfall mit voller Haftung der Gegenseite am 3.11.09; am Folgetag Schreiben des gegnerischen VR (Mitteilung der Schadennummer und Angebot „Reparatur-Service-Paket“), erstes Anwaltsschreiben v. 5.11.09 mit Schilderung des Unfallhergangs, weiteres Schreiben v. 9.11.09 mit Schadensgutachten und Bitte um Vorschuss; weiteres Schreiben v. 16.11.09: Bezifferung des gesamten Fahrzeugschadens (vermutlich unter Rechnungsvorlage) auf 4.801,23 EUR; Zahlungsfrist: 24.11.09. Mit Schreiben v. 19.11.09 Vorlage der Mietwagenrechnung unter Wiederholung der Fristsetzung (24.11.). Ergebnisloser Fristablauf; Klageschrift v. 3.12.09, Zustellung 10.12.09. Abrechnungsschreiben vom selben Tag und Zahlung am 15.12.09. Insoweit übereinstimmende Erledigungsklärungen und Anerkenntnis der Bekl. im Übrigen. Kostenentscheidung im Schlussurteil des LG mit voller Kostenbelastung des Kl.
Die sofortige Beschwerde weist das OLG als unbegründet zurück. Nach dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO habe der Kl. die gesamten Verfahrenskosten zu tragen. Die Bekl. hätten keine Veranlassung zur Klage gegeben. Auch hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Schadenersatzes sei einem KH-VR eine Prüfungsfrist von mind. vier Wochen ab konkreter Schadensbezifferung einzuräumen. Diese Zeitspanne abzuwarten, sei dem Anspruchsteller schon deshalb zuzumuten, weil Werkstätten i.d.R. nicht auf sofortiger Bezahlung bestünden, wenn die Reparatur über eine Versicherung abgerechnet werde. Abschließend weist das OLG darauf hin, dass der Geschädigte die Prüfungs- und Bearbeitungsfrist nicht dadurch abkürzen könne, dass die verschiedenen Schadenspositionen sukzessive geltend gemacht oder möglichst frühzeitig Vorschusszahlungen angefordert werden. Ein solches Vorgehen verursache nur unnötigen Aufwand.
Praxishinweis
Der Beschluss kann nicht überzeugen. Er beruht auf falschen Vorstellungen und Prämissen, soweit es um die Unzumutbarkeit einer schnelleren Bearbeitung durch den VR und andererseits um die Zumutbarkeit für den Geschädigten geht, auf den Reparaturkostenersatz zu warten. Von einer Reparaturkostenübernahme (RKÜ) ist im Sachverhalt nicht die Rede. Ohne eine solche Sicherheit pflegen Werkstätten den Wagen nur gegen Bezahlung herauszugeben. Auf Kritik muss auch stoßen, dass das OLG sich zum Großteil auf überholte und/oder unpassende Judikatur stützt, andererseits das wichtige Urteil des OLG Saarbrücken v. 27.2.07, Abruf-Nr. 071060, unberücksichtigt lässt.
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