23.01.2009 | Unfallschadensregulierung
BGH klärt Streit um Fälligkeit in Sechsmonatsfällen
Lässt der Geschädigte den Fahrzeugschaden, der über dem Wiederbeschaffungswert, aber innerhalb der 130 Prozent-Grenze liegt, vollständig und fachgerecht reparieren, so wird der Anspruch auf Ersatz der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigenden Reparaturkosten im Regelfall nicht erst sechs Monate nach dem Unfall fällig (BGH 18.11.08, VI ZB 22/08, Abruf-Nr. 084011). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Nach einem Unfall ließ der Kläger seinen Opel fachgerecht und vollständig instandsetzen. Die Rechnung lag innerhalb der 130 Prozent-Grenze. Der gegnerische Versicherer regulierte nur den Wiederbeschaffungsaufwand. Begründung: Vor Ablauf von sechs Monaten keine Erstattung nach dem 130 Prozent-Modus. Mit seiner vor Fristablauf zugestellten Klage hat der Kläger seinen restlichen Ersatzanspruch geltend gemacht. Nachdem die Beklagte die „Integritätsspitze“ sechs Monate nach dem Unfall bezahlt hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt.
Das LG hat die Kosten dem Kläger auferlegt. Während seine Beschwerde zunächst erfolglos blieb (OLG Düsseldorf VA 08, 55), hat der BGH die Kosten des Rechtsstreits dem beklagten Versicherer auferlegt. Der Ansicht, der Ersatzanspruch des Geschädigten werde erst nach Ablauf der Sechsmonatsfrist fällig, ist er nicht gefolgt. Diese Frist sei keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung. Sie habe lediglich beweismäßige Bedeutung.
Praxishinweis
Wozu das Ganze und warum nicht gleich so? Das werden sich manche fragen, nachdem der BGH mit diesem Beschluss eine ebenso leidige wie überflüssige Diskussion zumindest punktuell beendet hat. Ein Schlussstrich ist auch jetzt nicht gezogen. Die vorliegende Entscheidung wirft eine Vielzahl neuer Fragen auf, dogmatische wie praktische. Die Kernfrage lautet: Welche Bedeutung haben Reaktionen des Geschädigten auf das Schadensereignis, die das Ausmaß des Ersatzes zu seinem Vorteil beeinflussen? Anders gefragt: Sind Reparatur und Benutzen bzw. der Nutzungswille auch materiellrechtliche Tatbestände, d.h. Voraussetzungen der Anspruchshöhe, oder haben sie oder nur einige von ihnen lediglich beweismäßige Bedeutung für den Nachweis des Integritätsinteresses? Entgegen Tz 11 BGH VA 06, 129 = NJW 06, 2179 (Abrechnungsmöglichkeit mit Restwertabzug für 6 Monate) misst der BGH nun, freilich in einem 130 Prozent-Fall, dem sechsmonatigen Benutzen ausschließlich beweismäßige Bedeutung bei. Nach fachgerechter Reparatur, also nicht schon am Unfalltag (oder doch?), soll die Gesamtforderung einschl. Integritätsspitze sofort fällig sein. Die für den Geschädigten günstigen Auswirkungen auf Entscheidungen nach §§ 91a, 93 ZPO liegen ebenso auf der Hand wie der Zinsvorteil.
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