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  • 01.06.2006 | Unfallschadensregulierung

    BGH zur „Erlassfalle“

    Aus der Tatsache, dass ein Rechtsanwalt nach teilweiser Regulierung eines Verkehrsunfallschadens durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer diesem gegenüber seine Anwaltsgebühren unter Bezugnahme auf das DAV-Abkommen abrechnet, kann nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, er verzichte zugleich namens seines Mandanten auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche (BGH 7.3.06, VI ZR 54/05, Abruf-Nr. 061068).

     

    Sachverhalt

    Die volle Einstandspflicht der Beklagten für den Unfall des Klägers ist unstreitig. Die beklagte Versicherung erkannte mit 2.677 EUR einen Teil des geltend gemachten Schadens an und zahlte in dieser Höhe. Anschließend übersandte der erstinstanzliche Anwalt des Klägers der Versicherung seine Kostennote über 352,06 EUR. Eingangs heißt es: „nach Regulierung des angekündigten Betrags erlaube ich mir, für meine Tätigkeit gemäß nachfolgender Kostennote abzurechnen.“ Die Kostenberechnung weist eine „15/10 Geschäftsgeb. gem. DAV-Abkommen“ nach einem Gegenstandswert von 2.677 EUR nebst Auslagenpauschalen und Umsatzsteuer aus. Die Versicherung übersandte dem Anwalt einen entsprechenden Scheck, der eingelöst wurde. Mit seiner Klage, verfasst und eingereicht einen Tag nach Fertigung der Kostennote, verlangt der Kläger Ersatz seines restlichen Unfallschadens in Höhe von 1.714 EUR. Die Beklagten berufen sich u.a. auf den Abschluss eines Erlassvertrages, womit sie vor dem AG Erfolg hatten. Das LG hat die Berufung zurückgewiesen. Die zugelassene Revision führte zur Urteilsaufhebung.  

     

    Entscheidungsgründe

    Nach Ansicht des BGH hat das LG zu Unrecht den Abschluss eines Erlassvertrages bejaht. Das sei zwar grundsätzlich eine Frage tatrichterlicher Auslegung. Das LG habe jedoch gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze verstoßen, indem es nicht alle für die Auslegung wesentlichen Tatsachen berücksichtigt habe. Die Kostennote habe keine ausdrückliche Erklärung auf Abschluss eines Erlassvertrages enthalten. Lediglich eine Kostenrechnung des Anwalts auf der Basis des regulierten Betrages sei ihr Inhalt gewesen. Auch sonst seien keine Umstände festgestellt, die für die Abgabe einer auf den Abschluss eines Erlassvertrages gerichteten Erklärung sprächen. Vorprozessual habe der Kläger seinen gesamten Schaden gegenüber dem Versicherer geltend gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass die nicht regulierte Restforderung fallen gelassen worden sei, seien nicht festgestellt. Schon der Abstand von Kostennote und Klageschrift von einem Tag sei contraindiziell. Von einem konkludent bzw. stillschweigend abgeschlossenen Erlassvertrag könne entgegen einer verbreiteten instanzgerichtlichen Judikatur nicht ausgegangen werden.  

     

    Praxishinweis

    Mit seiner überzeugend begründeten Entscheidung hat der BGH den reichlich konstruiert wirkenden Auslegungsbemühungen zahlreicher Instanzgerichte eine deutliche Absage erteilt. Auch wenn die leidige Kontroverse jetzt höchstrichterlich zugunsten der Geschädigten entschieden ist: Um dem Versicherer jeglichen Ansatz zu nehmen, bei restlichen Ersatzansprüchen des Mandanten mit einem „Erlass“ oder „Verzicht“ zu argumentieren, sollte bei der Abrechnung nach den Abrechnungsgrundsätzen der Versicherung ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass damit kein Verzicht auf streitige oder erst später zu berechnende Forderungen verbunden ist. Ein vorgedruckter Text genügt.