24.01.2008 | Unfallschadensregulierung
BGH zur Sechsmonats-Frage in 130 %-Fällen (II)
1. Der Geschädigte, der Ersatz des Reparaturaufwands über dem Wiederbeschaffungswert verlangt, bringt sein für den Zuschlag von bis zu 30 % ausschlaggebendes Integritätsinteresse regelmäßig dadurch hinreichend zum Ausdruck, dass er das Fahrzeug nach der Reparatur für einen längeren Zeitraum nutzt. |
2. Im Regelfall wird hierfür ein Zeitraum von sechs Monaten anzunehmen sein, wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen. |
(BGH 13.11.07, VI ZR 89/07, Abruf-Nr. 073907) |
Sachverhalt
Nach einem Unfall mit seinem Golf Cabrio am 30.4.05 holte der Kläger ein Schadensgutachten mit folgenden Werten ein: Reparaturkosten 3.093,58 EUR zzgl. USt., Brutto-Wiederbeschaffungswert 3.000 EUR, Restwert 500 EUR. Nach seiner Behauptung hat er den Pkw auf der Grundlage des Gutachtens ordnungsgemäß und fachgerecht reparieren lassen (wohl keine Fachwerkstatt). Vor der Reparatur habe er nicht die Absicht gehabt, den Pkw zu veräußern. Am 16.6.05, ca. einen Monat nach der Reparatur, sei der Kläger jedoch auf offener Straße von einem Kaufinteressenten angesprochen worden. Dieser habe ihm ein „fantastisches“ Kaufangebot gemacht, das er als wirtschaftlich und verständig handelnder Mensch angenommen habe. Ohne eine Rechnung vorzulegen, macht der Kläger die Netto-Reparaturkosten laut Gutachten geltend. Der beklagte Versicherer hat auf Totalschadensbasis reguliert. Die Klage auf den Differenzbetrag blieb in allen drei Instanzen erfolglos. Das Berufungsgericht (LG Mainz) hat den Ersatz fiktiver Reparaturkosten nicht etwa mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe innerhalb der Sechsmonatsfrist und damit verfrüht verkauft. Tragender Grund war vielmehr, dass er den erforderlichen Willen zur Weiterbenutzung nicht nachgewiesen habe.
Entscheidungsgründe
Der BGH hat das Berufungsurteil im Ergebnis bestätigt. Zunächst hat er unterstellt, dass die behauptete Reparatur vollständig und fachgerecht war. In einem solchen Fall könne ein Geschädigter unter bestimmten Voraussetzungen Ersatz des Reparaturaufwands bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert verlangen. Mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot stehe das aber nur im Einklang, wenn er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeugs wie vor dem Unfall wiederherstellt, um dieses Fahrzeug nach der Reparatur weiter zu nutzen. Es folgt der Text wie oben im ersten Leitsatz. Unter Hinweis auf seine (erste) Sechsmonats-Entscheidung in BGHZ 168, 43 (Reparaturkosten unter dem Wiederbeschaffungswert, fiktive Abrechnung) führt der BGH aus, für Fälle der vorliegenden Art sei die Frage nach der Dauer der Weiternutzung grundsätzlich nicht anders zu beurteilen. Es folgt Leitsatz zwei. Die darin angesprochenen „besonderen Umstände“ seien im Streitfall nicht gegeben. Die Annahme des LG, der Kläger habe seinen Weiternutzungswillen nicht dargetan bzw. nicht bewiesen, wird vom BGH mit grundsätzlichen Ausführungen zum Beweismaß (§ 287 ZPO) gebilligt.
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