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  • 23.07.2010 | Unfallschadensregulierung

    Durchbruch beim Restwert: Internetangebot kann annahmepflichtig sein

    1. Der Geschädigte leistet dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.  
    2. Um seiner sich aus § 254 Abs. 2 S.1 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen, kann der Geschädigte im Einzelfall jedoch gehalten sein, von einer danach grundsätzlich zulässigen Verwertung des Unfallfahrzeugs Abstand zu nehmen und im Rahmen des Zumutbaren andere sich ihm darbietende Verwertungsmöglichkeiten zu ergreifen.  
    (BGH 1.6.10, VI ZR 316/09, Abruf-Nr. 102089)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der vom Kläger beauftragte Sachverständige hatte den Restwert auf 800 EUR geschätzt. Exakt zu diesem Betrag veräußerte der Kläger sein Fahrzeug an einen von ihm ausgewählten Käufer. Etwa einen Monat zuvor hatte der Beklagte (Grüne Karte) durch den zuständigen Regulierungsbeauftragten neun Restwertangebote unterbreitet. Das höchste Gebot belief sich auf 1.730 EUR. Vorgesehen war die kostenlose Abholung des Unfallfahrzeugs gegen Barzahlung. Der Beklagte legte seiner Regulierung die 1.730 EUR zugrunde. Die Klage auf den Differenzbetrag von 930 EUR (1.730 ./. 800) blieb in sämtlichen Instanzen erfolglos.  

     

    Während das Berufungsgericht die Pflicht zur Beachtung des höchsten Restwertangebots „aus dem Internet“ schon aus dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz hergeleitet hat, geht der BGH den Weg über § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Zur Erfüllung seiner Schadensminderungspflicht könne der Geschädigte unter besonderen Umständen verpflichtet sein, von der grundsätzlich zulässigen Verwertung nach Maßgabe der gutachterlichen Restwertschätzung Abstand zu nehmen und im Rahmen des Zumutbaren andere sich ihm darbietende Verwertungsmöglichkeiten zu ergreifen. Derartige Ausnahmen stünden zur Beweislast des Schädigers. Auch müssten sie „in engen Grenzen“ gehalten werden. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe, so der BGH weiter, sei die Annahme eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hätte die ihm vor der Veräußerung unterbreitete erheblich günstigere Verwertungsmöglichkeit „ohne weiteres“ wahrnehmen können. Ein anerkennenswertes Interesse, das Fahrzeug nicht an den ihm benannten, höchstbietenden Aufkäufer, sondern an den von ihm ausgewählten Käufer zu veräußern, sei unter den gegebenen Umständen nicht vorhanden.  

     

    Praxishinweis

    Nach der folgenschweren Schlappe für die VR vor dem I. Zivilsenat in puncto „Urheberrecht an Lichtbildern im Schadengutachten“ (29.4.10, I ZR 68/08, Abruf-Nr. 101836) jetzt eine für sie erfreuliche Entscheidung. Im Beitrag „Aktuelle Restwertprobleme“ in VA 10, 95 ff. haben wir auf der S. 98 unter Ziff. 7 auf den Streitpunkt „Überangebote“ hingewiesen. Das hier vorgestellte BGH-Urteil ist, keine Frage, in die Rubrik „versicherungsgünstig“ einzureihen. Die VR werden es in ihren Restwertschreiben auszunutzen wissen - und dies zu Recht. Denn die überfällige BGH-Entscheidung trägt den heutigen Realitäten Rechnung. Sie entzieht einer verbreiteten instanzgerichtlichen Judikatur den Boden, die durch unrealistische, zum Teil auch kleinkarierte Risikoerwägungen pro Geschädigte entschieden hat. Dass der Kläger sein Fahrzeug 11 Tage nach Ablauf der Angebotsbindungsfrist verkauft hat, ist dem BGH nicht der Erwähnung wert. So einfach, durch bloßes Zuwarten, lässt sich ein vom VR unterbreitetes Angebot in der Tat nicht aushebeln.