23.12.2009 | Unfallschadensregulierung
Keine Nutzungsausfallentschädigung bei Bereitstellung eines kostenlosen Ersatzwagens
Wird dem Geschädigten während der Dauer der Reparatur des Unfallwagens von der Werkstatt oder dem Hersteller ein Ersatzwagen kostenfrei zur Verfügung gestellt, kann er für den fraglichen Zeitraum keine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung geltend machen (Thüringer OLG 14.5.09, 1 U 761/08, Abruf-Nr. 093485, rkr.). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Als sich die Unfallreparatur wegen einer Ersatzteilbeschaffung verzögerte, stellte die Werkstatt - auf Kosten des Herstellers VW- ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung. Ob ein schriftlicher Leihvertrag mit der Klägerin zustande gekommen ist, erfährt man ebenso wenig wie Näheres über Marke, Typ und Alter der beiden Fahrzeuge. Der Unfallwagen war jedenfalls älter als 5 Jahre.
Streitpunkt ist, ob die Klägerin auch für die Zeit der kostenlosen Nutzung des Ersatzwagens eine abstrakte (pauschalierte) Entschädigung beanspruchen kann. Das OLG hat dies verneint. Daran gehindert sah es nicht durch BGH NJW 70, 1120, wonach es dem Schädiger nicht zugute kommt, wenn dem Geschädigten ein Ersatzfahrzeug von einem Dritten unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Der BGH-Fall unterscheide sich „signifikant“ von dem vorliegenden Sachverhalt. Die mit der jeweiligen Fahrzeugüberlassung verfolgten Zwecke seien nicht vergleichbar. VW sei es um Imagepflege und Kundenbindung gegangen, während im BGH-Fall ausschließlich dem Geschädigten ein Vorteil habe gewährt werden sollen (von seinem Arbeitgeber). In seiner Ansicht bestärkt sieht sich das OLG durch BGH VA 08, 38 (Bereitstellung eines Mietwagens zum „Freundschaftspreis“).
Praxishinweis
Einmal mehr zeigt sich, dass die „abstrakte“ NE eine Schadensposition zweiter Klasse ist, schmalbrüstig in der dogmatischen Grundlegung, sperrig in der praktischen Handhabung. So sehr das OLG-Urteil das juristische Bauchgefühl befriedigen mag, der BGH hat in NJW 70, 1120, 1122, wenngleich nur obiter, Gegenteiliges gesagt: Den Schädiger gehe es „offensichtlich“(!) nichts an, wenn ein Autohaus einen Ersatzwagen unentgeltlich zur Verfügung stelle, um die Lieferzeit zu überbrücken. Statt auf unsicherem Terrain die Motive der Zuwendenden zu erforschen, hätte sich das OLG mit dieser BGH-Aussage auseinandersetzen sollen. Im Übrigen war die Motivlage in einem Punkt die gleiche. Den Schädiger zu entlasten, lag beiden „Dritten“ fern. Das OLG hätte gut daran getan, die Revision zuzulassen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund von BGH VA 08, 38 = NJW 08, 913, wo der VI. ZS einer „rechnerischen“, am Schadensbegriff orientierten Betrachtungsweise den Vorzug gibt vor einer Bewertung der Drittleistung nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs. Fazit: Bei einem Gratis-Ersatzwagen wie bei einem eigenen Zweitwagen haben die KH-Versicherer derzeit die besseren Karten. Zum Gesamtkomplex „abstrakte NE“ siehe VA 07, 196.
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