01.12.2006 | Unfallschadensregulierung
Mietwagenkosten neuester Stand
Seit Oktober 2004 ist in Sachen Mietwagenkosten vieles anders. Jetzt hat der BGH sein Ziel erreicht: Die Verbände (BAV/GDV) sind aufeinander zugegangen. Der Markt wird sich ändern. Bis dahin geht der Streit weiter. Was die aktuelle BGH-Rspr. für die anwaltliche Praxis bedeutet, wird – im Anschluss an den Beitrag in VA 05, 115 – im Folgenden dargestellt.
I. BGH kompakt auf einen Blick |
1. Derzeit liegen die Unfallersatztarife durchschnittlich um mindestens 100 % über dem örtlichen „Normaltarif“ (XII. ZS, NJW 06, 2618 = VA 06, 147, Abruf-Nr. 062352).
Anm.: Bei seriöser Definition des Begriffs „Normaltarif“ ist diese Aussage nicht haltbar, was sich spätestens nach Erscheinen des SCHWACKE-Mietpreisspiegels 2006 zeigen wird.
2. Ein „Unfallersatztarif“ kann, muss aber nicht erstattungsfähig sein (VI. ZS vor wie nach 10/04 in st. Rspr.).
3. Wer ein Kfz zu einem „Unfallersatztarif“ anmietet, ist auf der sicheren Seite, sofern die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen (VI. ZS, zuletzt NJW 06, 360, 2106, 2621 = VA 06, 19, 131, 147, Abruf-Nrn. 053702, 061810, 062347).
4. Es ist nicht erforderlich, die Kalkulation des konkreten Unternehmens nachzuvollziehen. Vielmehr hat sich die Prüfung darauf zu beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte bei Unternehmen dieser Art den Mehrpreis rechtfertigen (VI. ZS, zuletzt NJW 06, 2621 = VA 06, 147, Abruf-Nr. 062347).
5. Selbst ein überhöhter, betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigter „Unfallersatztarif“ ist zu ersetzen, wenn der Geschädigte darlegt und notfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer „(Normal)Tarif“ zugänglich war (st. Rspr. des VI. ZS, z.B. NJW 06, 1506 = VA 06, 93, Abruf-Nr. 060957). |
II. Konsequenzen für die außergerichtliche Beratung |
1. Eine effektive Rechtsberatung ist derzeit kaum möglich, so Oswald/Tietz (NJW 06, 1483). Aus anwaltlicher Sicht informativ ferner Wolff, zfs 06, 248; Bücken, DAR 06, 475.
2. Dem sichersten Weg verpflichtet, sollte der Anwalt des Geschädigten, der eine Fahrzeugmiete erst beabsichtigt, auf die besonderen Risiken einer Anmietung zum „Unfallersatztarif“ nachdrücklich hinweisen, vor allem auch auf die Erkundigungspflicht.
3. Die (vermutete) Kenntnis seines Anwalts von den Tarifunterschieden und von der kontroversen Diskussion kann dem Mandanten zugerechnet werden (§ 166 BGB).
4. Eine Pflicht des Geschädigten, vor Anmietung den gegnerischen Versicherer zu kontaktieren, gar eine Deckungszusage einzuholen, besteht – ungeachtet einiger Andeutungen des BGH – nicht (OLG Köln VA 06, 183, Abruf-Nr. 062804). Eine Mitteilung ist aber weiterhin zweckmäßig, zumal bei voraussichtlich längerer Mietzeit.
5. Mitverschulden: Hat der Mandant vor Anmietung ein konkretes Mietangebot von Seiten des Versicherers erhalten, kann das Ignorieren gegen § 254 BGB verstoßen (LG Nürnberg-Fürth 5.10.06, 2 S 4366/06, Abruf-Nr. 063109; a.A. LG Nürnberg-Fürth VA 06, 115, Abruf-Nr. 061658). Sicherheitshalber sollte der Mandant nach einem solchen Schreiben gefragt werden. |
Darlegungs- und Beweislast bei der Erforderlichkeitsprüfung Stufe 1 Darlegungs- und Beweislast bei der Erforderlichkeitsprüfung Stufe 2
IV. Weitere Brennpunkte |
1. Kenntnisstand des Geschädigten: Im Regelfall kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Unfallgeschädigter die vielen Tarife kennt, die Autovermieter neben dem Unfallersatztarif anbieten, und dass ihm die Unterschiede bekannt sind, so BGH (XII. ZS) NJW 06, 2618 = VA 06, 147, Abruf-Nr. 062352. Zum Sonderfall des vom Vermieter „gezielt“ aufgeklärten Geschädigten s. BGH NJW 06, 1508 = VA 06, 75, Abruf-Nr. 060924. Wichtig: Kenntnis seines RA kann dem Geschädigten zugerechnet werden. Zur Bedeutung eines konkreten Mietangebots von Seiten des Versicherers s. LG Nürnberg-Fürth VA 06, 115, Abruf-Nr. 061658, abw. jetzt LG Nürnberg-Fürth 5.10.06, 2 S 4266/06, Abruf-Nr. 063109.
2. Keine Marktforschung: Dass der Geschädigte nicht erst „eine Art Marktforschung“ zu betreiben hat, um den preisgünstigsten Autovermieter ausfindig zu machen (BGH NJW 96, 1958), gilt im Grundsatz nach wie vor (OLG Zweibrücken 26.4.06, 1 U 31/05, Abruf-Nr. 063271).
3.Informationspflicht: Anders als früher scheint der BGH jetzt eine Obliegenheit des Geschädigten zur Information im Grundsatz zu bejahen (NJW 06, 2693 = VA 06, 167, Abruf-Nr. 062483). Das bedeutet: Nur in Sonderfällen (z.B. Eil- und Notsituationen) darf quasi „blind“ angemietet werden. Im Einzelnen: a) Nachfrage beim eigenen Vermieter (interner Preisvergleich): Sofern Bedenken gegen die Angemessenheit des angebotenen (Unfallersatz)Tarifs tatsächlich bestehen oder bestehen müssen, hat der Geschädigte Anlass zur Nachfrage nach einem günstigeren Tarif (BGH DAR 05, 438, Abruf-Nr. 051601; NJW 06, 2693 = VA 06, 167, Abruf-Nr. 062483). Frage aber: Wann müssen Bedenken kommen? Die Konditionen (Tagessatz u.a.) sind dem Geschädigten oft unbekannt. Der Endbetrag ist im Zeitpunkt der Anmietung nicht immer abschätzbar. In Fällen ab Januar 2005 kann auch die gegenwärtige Diskussion (Problembewusstsein) eine Rolle spielen. Zum Gesichtspunkt „Vertrauensschutz“ s. LG Landau NJW 06, 382; LG Karlsruhe NZV 06, 481. b) Konkurrenzangebote: Von der Verpflichtung, bei „seinem“ Vermieter nach günstigeren Tarifen zu fragen, ist die Pflicht zu unterscheiden, sich bei der Konkurrenz zu erkundigen, etwa durch Einholung von Angeboten oder durch Internet-/Telefonauskünfte. Bisher galt: Nur in Ausnahmefällen (z.B. längere Urlaubsreise oder längere Reparatur) hat der BGH Geschädigten eine solche Pflicht auferlegt. Nunmehr kann auch hier eine Rolle spielen, wie dringend der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug benötigte. Wer mit der Anmietung auch nur einen einzigen Werktag gewartet hat, kann sich nicht auf eine Eil- oder Notsituation berufen (BGH NJW 06, 2106 = VA 06, 131, Abruf-Nr. 061810), muss seine unterbliebene Preiserkundigung also erläutern; zumal, wenn der Versicherer ihm vor der Anmietung eine Liste mit günstigen Angeboten übermittelt hat (so in BGH NJW 06, 1726, Abruf-Nr. 061415) und/oder eine Ausfallzeit von mehr als einer Woche zu erwarten ist. Bei einer Mietzeit von bis zu 7 Tagen besteht für etliche Gerichte keine Pflicht zur Einholung von Konkurrenzangeboten (z.B. LG Nürnberg-Fürth VA 06, 115, Abruf-Nr. 061658 = zfs 06, 325). c) Kausalität: Wird eine Pflicht zur Information, egal, ob intern oder extern, bejaht, muss ein Versäumnis des Geschädigten die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen ursächlich beeinflusst haben. Die Beweislast für die Kausalität dürfte weiterhin beim Schädiger liegen. Es gilt § 287 ZPO.
4. Kreditkarte/Vorfinanzierung: Seine Kreditkarte einzusetzen oder die Miete anderweitig vorzufinanzieren, ist eine Frage der Schadensminderungspflicht (BGH DAR 05, 438, Abruf-Nr. 051601). Je nach dem Beklagtenvortrag kann sich eine sekundäre Darlegungslast für den Geschädigten ergeben (LG Freiburg SP 06, 211). Um einen „Normaltarif“ zu erlangen, muss der Geschädigte nicht in jedem Fall seine Kreditkarte oder ec-Karte einsetzen (BGH DAR 05, 438). Dessen ungeachtet entscheiden viele Gerichte nach der Formel „keine Kreditkarte – kein Normaltarif“ (OLG Köln VA 06, 183, Abruf-Nr. 062804; LG Essen 4.4.06, 13 S 25/06, Abruf-Nr. 063266). Umgekehrt gilt: Kreditkarte plus Kenntnis von günstigerem „Normaltarif“ = Zugänglichkeit (BGH NJW 06, 1508 = VA 06, 75, Abruf-Nr. 060924).
5. Wechselpflicht: Wenn der Geschädigte nach Vertragsabschluss von einem billigeren Angebot erfährt, ist er zum Wechsel des Vermieters grundsätzlich nicht verpflichtet (BGH NJW 99, 279; LG Meiningen 13.7.06, 4 S 9/06-9, Abruf-Nr. 063108). Ein Tarifwechsel beim „eigenen“ Vermieter wird überwiegend nicht verlangt. Die Dinge sind jedoch im Fluss. Manche Instanzgerichte entnehmen der aktuellen BGH-Rspr. in Fällen mit berechtigter ad-hoc-Anmietung eine Wechselpflicht (z.B. LG Nürnberg-Fürth 29.9.06, 8 S 7699/06, Abruf-Nr. 063272), bei längerer Mietzeit zumindest eine nachträgliche Erkundigungspflicht (AG Hof 4.9.06, 14 C 1694/05, Abruf-Nr. 063267 – 14 Tage).
6. Aufklärungspflicht des Vermieters: Dazu jetzt grundlegend BGH (XII. ZS) NJW 06, 2618 = VA 06, 147, Abruf-Nr. 062352. Schadensrechtlich gilt: Im Fall der Angemessenheit der Mietzinshöhe besteht keine Pflicht zur Aufklärung des Mieters (BGH NJW 05, 1043 = VA 05, 77, Abruf-Nr. 050810). Argument: Der Preis ist angemessen, eine Aufklärung sinnlos. Auf die Frage der Aufklärungspflicht kommt es gleichfalls nicht an, wenn der Unfallersatztarif unangemessen und dem Geschädigten ein wesentlich günstigerer „Normaltarif“ zugänglich war (BGH NJW 05, 1043 = VA 05, 77, Abruf-Nr. 050810). Argument: Die Klage auf den strittigen Differenzbetrag ist ohnehin abzuweisen.
7. Zurückbehaltungsrecht/Fragebogen: Versicherer verlangen nach wie vor von Geschädigten die Abtretung vertraglicher Schadensersatzansprüche gegen die Vermieter und halten ihre Zahlungen ganz oder teilweise bis zur Abtretung zurück. Gestützt wird ein ZBR ferner auf eine Auskunft über Einzelheiten des Abschlusses des Mietvertrages (Aktion „Fragebogen“). Der BGH hat das missbilligt (NJW 05, 1043 = VA 05, 77, Abruf-Nr. 050810).
8. Sicherungsabtretung: Bis zur Reform des RBerG bleibt problematisch, wie Abtretungen, insbes. Sicherungsabtretungen, zu behandeln sind. Näheres dazu (Stichwort Aktivlegitimation) in BGH NJW 06, 1726 m.w.N., Abruf-Nr. 061415. Die restriktive Praxis der Instanzgerichte, so das Fazit der umfangreichen BGH-Rspr., ist verfehlt. Zur Möglichkeit eines Forderungskaufs (Abtretung an Erfüllungs Statt) s. Schlüszler, NZV 06, 532.3.Informationspflicht: Anders als früher scheint der BGH jetzt eine Obliegenheit des Geschädigten zur Information im Grundsatz zu bejahen (NJW 06, 2693 = VA 06, 167, Abruf-Nr. 062483). Das bedeutet: Nur in Sonderfällen (z.B. Eil- und Notsituationen) darf quasi „blind“ angemietet werden. Im Einzelnen:
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