01.02.2007 | Unfallschadensregulierung
Nutzungsausfall bei Reparaturverzögerung aus finanziellen und anderen Gründen
1. Der Anspruch auf Ersatz unfallbedingten Nutzungsausfalls ist nicht auf den Wiederbeschaffungswert beschränkt. |
2. Aus der Rückgabe eines zunächst angemieteten Ersatzwagens kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, der Geschädigte habe in der Folgezeit keinen Nutzungswillen gehabt. |
3. Wenn der Zentralruf der Autoversicherer auf die korrekte Anfrage des Geschädigten zunächst einen unzuständigen KH-Versicherer mitteilt, geht die damit verbundene Verlängerung der Nutzungsausfallzeit nicht zu Lasten des Geschädigten. |
4. Stellt sich heraus, dass die gegnerische KH-Versicherung voll einstandspflichtig ist, kann sie ihre verzögerte Regulierung nicht damit rechtfertigen, sie habe wegen möglicher Beteiligung eines Dritten erst den Ausgang des amtlichen Ermittlungsverfahrens abwarten müssen. |
5. Es ist das Risiko des Schädigers, wenn er auf einen Geschädigten trifft, der finanziell nicht in der Lage ist, die zur Reparatur bzw. Ersatzbeschaffung notwendigen Mittel vorzustrecken und sich dadurch der Zeitraum des Nutzungsausfalls vergrößert. Eine Verpflichtung zur Vorfinanzierung, etwa durch Aufnahme eines Kredits, besteht grundsätzlich nicht. |
(OLG Düsseldorf 22.1.07, I-1 U 151/06, Abruf-Nr. 070172) |
Sachverhalt
Der ca. 12 Jahre alte VW Golf des Klägers war am 5.3.04 bei einem Unfall beschädigt worden. Laut Gutachten war der Wagen noch reparaturwürdig (130-Prozent-Fall). Als Reparaturdauer gab der Sachverständige 3 bis 4, als Zeit für die Ersatzbeschaffung 10 bis 12 Tage an. Die ersten Tage nach dem Unfall überbrückte der Kläger mit einem Mietwagen. Auf Anraten seines Anwalts gab er das Fahrzeug am 18.3.04 zurück. Für die Folgezeit bis zum 19.10.04 beanspruchte er eine Entschädigung von 33,75 EUR pro Tag. Zur Begründung machte er geltend, erst am 19.10.04 sei sein Fahrzeug wieder fahrbereit gewesen. Aus finanziellen Gründen habe er es nicht früher reparieren lassen können. Trotz frühzeitigen Hinweises auf seine beengten finanziellen Verhältnisse (netto 2.000 EUR, Familie) und der Anforderung eines Vorschusses i.H.v. 3.000 EUR habe die beklagte Versicherung erst am 6.10.04 den Betrag von 2.984 EUR auf den Fahrzeugschaden gezahlt. Das LG hat die Klage abgewiesen, soweit sie auf Ersatz restlicher Mietwagenkosten (für 4 Tage hatte die Beklagte reguliert) und auf Zahlung einer Ausfallentschädigung lt. Tabelle gerichtet ist. Das OLG hat zugunsten des Klägers entschieden, lediglich den Tagessatz hat es auf 29 EUR gekürzt (2 Gruppen tiefer).
Entscheidungsgründe
Abgesehen von dem Einwand gegen die Höhe des Tagessatzes (12-jähriger Golf) blieben sämtliche Einwendungen der beklagten Versicherung ohne Erfolg. Wegen der vielen Einzelheiten wird auf die obigen Leitsätze Bezug genommen.
Praxishinweis
Das (rechtskräftige) Urteil behandelt nahezu jede Streitfrage rund um die Position „Nutzungsausfall“. Es hilft vor allem solchen Geschädigten, die knapp bei Kasse sind und auf die Regulierung des Versicherers längere Zeit haben warten müssen. Deutlich wird auch, dass Anwälte von Geschädigten gut daran tun, auf beengte finanzielle Verhältnisse der Mandanten frühzeitig ausdrücklich hinzuweisen. Siehe auch den Schwerpunktbeitrag VA 04, 61 ff.
Möchten Sie diesen Fachbeitrag lesen?
Kostenloses VA Probeabo
0,00 €*
- Zugriff auf die neuesten Fachbeiträge und das komplette Archiv
- Viele Arbeitshilfen, Checklisten und Sonderausgaben als Download
- Nach dem Test jederzeit zum Monatsende kündbar
* Danach ab 16,70 € / Monat