26.02.2008 | Unfallschadensregulierung
Schadenersatz trotz eventueller Vorschäden
1. Eine Klage auf Ersatz des Fahrzeugschadens kann auch teilweise Erfolg haben, wenn es dem Kläger nicht gelingt, die Unfallbedingtheit sämtlicher von ihm geltend gemachter Beschädigungen nachzuweisen. |
2. Ist eine Berührung der Fahrzeuge unstreitig oder erwiesen, beurteilt sich die Frage nach dem Umfang und der Höhe des Schadens nicht nach § 286 ZPO, sondern nach § 287 ZPO. |
3. Im Rahmen des § 287 ZPO stellt sich nicht die Frage, ob ausgeschlossen werden kann, dass kompatible Beschädigungen die Folgen eines Vorunfalls sind. Es genügt die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unfallbedingtheit der geltend gemachten Beschädigungen. |
4. Bei technischer und rechnerischer Trennbarkeit von unfallbedingten (Neu-)Schäden von tatsächlichen oder nur potenziellen unfallfremden (Alt-)Schäden darf dem Geschädigten ein Ersatz nicht vollständig versagt werden (gegen OLG Köln NZV 99, 378 = VersR 99, 865; wie OLG München VA 06, 111 = NZV 06, 261). |
5. Auch wenn nicht alle Beschädigungen, die im Privatgutachten aufgeführt sind und vom Geschädigten als unfallbedingt geltend gemacht werden, im späteren Prozess als unfallbedingt anerkannt werden können, muss der Schädiger gleichwohl für die gesamten Sachverständigenkosten einstehen, es sei denn, dass der Geschädigte gegenüber dem Sachverständigen schuldhaft falsche Angaben gemacht hat oder die Unrichtigkeit des Gutachtens anderweitig zu vertreten hat. |
(OLG Düsseldorf 11.2.08, I-1 U 181/07, rkr., Abruf-Nr. 080435) |
Sachverhalt
Unter ungeklärten Begleitumständen kollidierte der Pkw des Klägers im Bereich eines Kreisels mit einem von rechts einfahrenden Lkw. Hauptstreitpunkt war die Frage, ob der Lkw sämtliche Beschädigungen vorne rechts und an der rechten Seite des Pkw verursacht hat oder nur einen Teil davon. Strittig war insbesondere, ob der Lkw den Pkw nur einmal oder zweimal angestoßen hat. Der gerichtlich bestellte Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, von den im Schadensgutachten aufgeführten Beschädigungen seien einige durchaus kompatibel, andere dagegen nicht bzw. eher nicht. Das LG hat die Klage mangels Nachweises vollständiger Kompatibilität der Beschädigungen in toto abgewiesen. Die Berufung hatte teilweise Erfolg.
Entscheidungsgründe
Auch das OLG hat sich nicht davon überzeugen können, dass sämtliche als unfallbedingt geltend gemachten Beschädigungen auf den Unfall zurückzuführen sind. Anders als das LG hat es dem Kläger jedoch die Darlegungs- und Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute kommen lassen. Der in der instanzgerichtlichen Judikatur weit verbreiteten Ansicht, auch für kompatible (Teil)Schäden könne angesichts inkompatibler Beschädigungen kein Ersatz verlangt werden, ist der Senat in dieser Pauschalität ausdrücklich entgegengetreten. Die entscheidende Frage sei nicht, ob man ausschließen könne, dass an sich kompatible Beschädigungen durch ein früheres Ereignis (Vorunfall) verursacht sind. Es genüge im Rahmen des § 287 ZPO eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die geltend gemachten Beschädigungen unfallbedingt seien. Im Übrigen komme es darauf an, ob sich die kompatiblen Beschädigungen technisch und rechnerisch von den übrigen Beschädigungen trennen ließen. Im Streitfall war das möglich, so dass die Klage teilweise begründet war. Die Sachverständigenkosten hat der Senat nicht etwa gekürzt, sondern voll zugesprochen.
Praxishinweis
In Vorschaden-Streitigkeiten haben Anspruchsteller erfahrungsgemäß einen schweren Stand. Unter Hinweis auf umfangreiche Rechtsprechung, vor allem OLG Köln NZV 99, 378 = VersR 99, 865, lehnen Versicherer meist eine Regulierung ab. Diese rigorose Praxis findet gerade in erster Instanz breite Zustimmung, können Klagen doch ohne langwierige Aufklärung kurzerhand abgewiesen werden. Das fällt umso leichter, als es oft Fälle mit Manipulationshintergrund sind. Damit es mit seinem Mandanten nicht den Falschen trifft, muss der Anwalt sämtliche Register ziehen, den Vorschaden-Einwand zu bekämpfen. Dabei hilft die vorliegende Entscheidung. Sie liegt auf einer Linie mit OLG München VA 06, 111 = NZV 06, 261. Wichtig ist, schon in erster Instanz unter tauglichen Beweis zu stellen, dass es keinerlei Vorschäden gegeben hat bzw. sämtliche Beschädigungen aus früheren Ereignissen im Unfallzeitpunkt fachgerecht beseitigt waren (Näheres in VA 06, 41 ff.).
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